Care Arbeit – warum sie so wichtig ist, aber so unsichtbar

Care Arbeit, auch Fürsorge- oder Familienarbeit genannt, hat eine große Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft. Sie umfasst Tätigkeiten wie die Versorgung und Betreuung von Kindern, älteren oder kranken Menschen und Hausarbeit. Ohne freiwillige und häufig unbezahlte Care Arbeit würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. 

Nach alten Rollenbildern ist Care Arbeit in den meisten Fällen Frauenarbeit – Frauen blieben früher meist daheim und kümmerten sich um Haushalt und Familie, während der Mann das Geld verdiente. Diese klassische Rollenaufteilung hat erfreulicherweise schon lange ihre Gültigkeit verloren, selbstverständlich gehen die meisten Frauen heute einem bezahlten Beruf nach. Die Care Arbeit fällt jedoch dennoch an und erledigt sich nicht allein. Eine gerechte Verteilung und die gesellschaftliche Anerkennung von Care Arbeit ist zentral für Geschlechtergerechtigkeit. In diesem Artikel setzen wir uns mit der Bedeutung von Care Arbeit auseinander und werfen einen Blick auf verfügbare Zahlen und Statistiken und wie Care Arbeit gerechter werden kann. 

Definition: Was ist Care Arbeit?

Care Arbeit umfasst alle Tätigkeiten, die darauf abzielen, das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Menschen zu erhalten und zu fördern. Diese Arbeit schließt die Betreuung und Pflege von Kindern, älteren Menschen, Kranken oder Menschen mit Behinderungen ein, ebenso wie die Arbeit im Haushalt. Care Arbeit wird sowohl im privaten Umfeld als auch im beruflichen Kontext geleistet, beispielsweise in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Care Arbeit ist essenziell für unsere Gesellschaft, da sie hilft, sicherzustellen, dass die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen gedeckt sind. 

Obwohl Care Arbeit oft unbezahlt und unsichtbar bleibt, hat sie dennoch einen erheblichen wirtschaftlichen Wert. Wenn Menschen für ihre Care Arbeit plötzlich bezahlt würden, käme unser gesellschaftliches System schnell an seine Grenzen.

Bezahlte Care Arbeit

Bezahlte Care Arbeit bezieht sich auf professionelle Dienstleistungen, die Menschen für die Pflege und Betreuung anderer gegen ein Gehalt erbringen. Bezahlte Care Arbeit umfasst ein breites Spektrum an Tätigkeiten und Berufsrollen, die in verschiedenen Settings stattfinden, darunter in privaten Haushalten, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und sozialen Dienstleistungen. Einige Beispiele:

Alle diese Berufe sind wichtig für das Funktionieren unserer Gesellschaft, sie verlangen Verantwortungsbewusstsein, Empathie und die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Gemessen an ihrer gesellschaftlichen Relevanz werden Care Berufe leider oft eher schlecht bezahlt.

Unbezahlte Care Arbeit

Die meiste Care Arbeit geschieht ohne Bezahlung. Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) beziffert den Wert von unbezahlter Care Arbeit in Deutschland auf insgesamt 1,2 Billionen Euro. Der Großteil der unbezahlten Care Arbeit wird von Frauen erledigt. Laut Statistischem Bundesamt verbringen Frauen im Durchschnitt knapp 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit für Pflege, Betreuung und Haushalt, Männer knapp 21 Stunden. Damit leisten Frauen 44,3 Prozent mehr unbezahlte Care Arbeit als Männer – also fast doppelt so viel! Dieses geschlechtsspezifische Ungleichgewicht wird auch Gender Care Gap (in Anlehnung an der Gender Pay Gap) genannt. Fast die Hälfte der unbezahlten Care Arbeit besteht aus klassischer Hausarbeit wie Putzen, Kochen, Wäschewaschen.

Unbezahlte Care Arbeit – was ist eigentlich das Problem?

Diese polemische Frage könnte man stellen – schließlich funktioniert unsere Gesellschaft ja. Das Hauptproblem an unbezahlter Care Arbeit ist die ungleiche Geschlechterverteilung zwischen Mann und Frau. Wer in seiner Freizeit freiwillige Care Arbeit leistet, hat halt etwas weniger Zeit, seinen Hobbies nachzugehen. So einfach ist die Betrachtung nicht. 

Unbezahlte Care Arbeit: wirtschaftliche Unsichtbarkeit und Wertschätzung

Unbezahlte Care Arbeit taucht häufig einfach nicht auf in den Statistiken und wird auch im BIP nicht erfasst – obwohl die Gesellschaft ohne sie nicht auskäme. Das führt dazu, dass ihr wirtschaftlicher Wert unterschätzt wird – und dass die Menschen, die unbezahlte Care Arbeit leisten, wenig Wertschätzung dafür erhalten. 

Wirtschaftliche Folgen durch unbezahlte Care Arbeit

Wer daheim ein Familienmitglied pflegt, kann nicht voll arbeiten und hat dadurch ein geringeres Einkommen. Wer auf ein Angestelltenverhältnis verzichtet, um Care Arbeit zu leisten, hat im Zweifel beschränkten Zugang zu Krankengeld, Altersvorsorge oder Arbeitslosengeld. Dies hat zunächst individuelle Auswirkungen auf die einzelne Person. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht jedoch stehen betroffene Personen nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung – in Zeiten von Fachkräftemangel kann sich dieser Umstand durchaus auf die Gesamtwirtschaft auswirken.

Soziale und gesundheitliche Folgen von Care Arbeit

Unbezahlte Care Arbeit kann sowohl physisch als auch psychisch sehr herausfordernd sein. Diese Belastung kann für Stress sorgen und im schlimmsten Fall zu einem Burnout führen. 

Geschlechterungleichheit bei unbezahlter Care Arbeit

Das eigentliche Problem unbezahlter Care Arbeit ist die ungleiche Verteilung. Da der Großteil von Frauen gestemmt wird, haben sie unter den oben aufgeführten Problemen besonders zu leiden. Sowohl in der jeweiligen Situation als auch langfristig, da sich fehlende Arbeitszeiten auch auf die Versorgung im Alter auswirken.

Was kann getan werden, um die Bedingungen der Care Arbeit zu verbessern?

Eines steht fest: Der Bedarf an Care Arbeit wird in Zukunft eher steigen als sinken. Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Auch wenn viele Menschen länger fit und gesund bleiben, steigt der Anteil an älteren Menschen in der Gesellschaft – und somit auch die Zahl der Personen, die pflegebedürftig sind oder werden. Gefragt sind daher Entscheidungen und Handlungen in Wirtschaft und Politik, um die Bedingungen in der Care Arbeit gerechter zu machen. 

  1. Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsmodelle

Arbeitgeber können mit flexiblen Arbeitszeiten und flexiblen Arbeitszeitmodellen die Vereinbarkeit von Beruf und Care Arbeit fördern. Wenn man die persönliche Arbeitszeit selbst planen kann, nicht an einen festen Arbeitsplatz gebunden ist und bei Bedarf auch Wochenarbeitszeiten reduzieren oder erhöhen kann, kann man seine persönliche Care Arbeit flexibler planen. Das kann enormen Druck herausnehmen, beispielsweise, wenn ein Familienangehöriger kurzfristig pflege- oder betreuungsbedürftig wird.

  • Gesetzliche Pflegezeitregelung

Die gesetzliche Pflegezeitregelung in Deutschland bietet Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ganz auszusetzen, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Die wichtigsten Aspekte der Pflegezeitregelung werden durch das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) geregelt. Angehörige, die in Care Arbeit ein Familienmitglied pflegen, können sich bis zu sechs Monate lang teilweise oder komplett von ihrem Beruf freistellen lassen. Für den Zeitraum der Pflege steht ein zinsloses Darlehen zur Verfügung, das in Raten ausgezahlt wird. Wer auf Grund von Care Arbeit vorübergehend nicht arbeiten kann, ist so wirtschaftlich abgesichert. Neben der gesetzlichen Pflegezeitregelung greift in Deutschland auch die Familienpflegezeit. Je nach Bedarf kann die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden reduziert werden, über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren. 

  • Pflegeunterstützungsgeld

Wenn ein Familienmitglied plötzlich pflegebedürftig wird, und dadurch Care Arbeit durch die Familie benötigt, besteht für Arbeitnehmer:innen in Deutschland ein Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine zehntägige Lohnersatzzahlung, die ermöglichen soll, die Pflege zu organisieren beziehungsweise selbst Care Arbeit zu leisten. Der Lohnausfall wird durch die Pflegekasse mit 90 oder 100 Prozent des Einkommens ausgeglichen. 

  • Gesetze zur Lohngleichheit

Wie man sieht: Es gibt bereits einige Gesetze, die eine finanzielle Sicherheit für Menschen bieten, die unbezahlte Care Arbeit leisten. Dennoch ist der Gender Care Gap so hoch. Ein Grund liegt in den geschlechtsspezifischen Unterschieden der Gehälter. Gesetze wie die Pflegezeitregelung haben nur eine begrenzte Wirkung, solange Männer mehr verdienen als Frauen. Wer das geringere Einkommen hat, bleibt eher daheim oder kürzt die Arbeitszeit – und das sind nach wie vor oft die Frauen. Ein Schritt, um Care Arbeit gerechter zu machen, wären Gesetze zur Lohngleichheit, die dabei helfen, den Gender Pay Gap zu verringern. 

  • Ausbau von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen

Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen entlastet Familien und ermöglicht Eltern, leichter am Arbeitsmarkt teilzunehmen und gleichzeitig Care Arbeit zu leisten. Das gleiche gilt für Pflegeeinrichtungen für alte oder kranke Menschen. Der Ausbau von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen kann gleichzeitig den Ausbau bezahlter Care Arbeit – vorausgesetzt es gibt ausreichend Fachpersonal

Letztes Update: 10. September 2024