Flexible Arbeitszeiten: Vor- und Nachteile unterschiedlicher Modelle

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist klar: Starre Arbeitszeitmodelle mit strikten Anwesenheitspflichten sind ein Relikt der Vergangenheit und passen nicht in die Lebenswirklichkeit von Arbeitnehmer:innen. Für Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt können flexible Arbeitszeitmodelle in Zeiten des Fachkräftemangels einen Wettbewerbsvorteil darstellen. 

Was genau bedeutet flexible Arbeitszeiten? Welche unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle gibt es und mit welchen Vor- und Nachteilen? Und wer hat eigentlich Anspruch auf flexible Arbeitszeiten? Alles, was du wissen musst, erfährst du hier.

Flexible Arbeitszeiten – das bedeutet es

Bis vor wenigen Jahrzehnten war der sogenannte Nine-to-Five-Job der Normalfall im Büroalltag: Für alle Mitarbeiter:innen begann der Arbeitstag mehr oder weniger zur gleichen Zeit, genauso wie die Mittagspause und der Feierabend. In vielen Büros wurde die Anwesenheit mit Hilfe von Stechkarten überprüft. Veränderte Lebenswirklichkeiten und neue Medien sowie die Erwartungen vieler Arbeitnehmer:innen haben dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen das strikte Korsett der Arbeitszeiten aufgelockert haben und ihren Mitarbeiter:innen ermöglichen, die Arbeitszeit flexibel selbst zu gestalten.

Die Corona-Pandemie hat den Prozess zu flexiblen Arbeitszeiten beschleunigt – und damit auch die Erwartung der Arbeitnehmer:innen. Vor allem jüngere Generationen setzen Flexibilität im Job voraus, allen voran die Gen Z. Flexible Arbeitszeiten, das bedeutet kurz gesagt, dass Mitarbeiter:innen die Arbeitszeit mitgestalten können. Es gibt unterschiedliche Modelle zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit. Wir stellen die wichtigsten Modelle und ihre Vor- und Nachteile vor.

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Flexible Arbeitszeit: Die Modelle im Überblick

Gleitzeit

Die Gleitzeit ist die am häufigsten verbreitete Art der flexiblen Arbeitszeit. In Deutschland haben vor allem große Unternehmen in den 90er-Jahren begonnen Gleitzeit einzuführen. Wenn dein Unternehmen ein Gleitzeitmodell anbietet, bedeutet das, dass du nicht an feste Arbeitszeiten gebunden bist. Du kannst selbst entscheiden, wann du morgens zu arbeiten beginnst und wann du Feierabend machst. Mitarbeiter:innen sammeln in ihrem Arbeitszeitkonto geleistete Arbeitsstunden inklusive Überstunden. Je nach Regelung können Überstunden ausbezahlt oder abgegolten werden.

Für die Gleitzeit gelten bestimmte Regelungen:

1. Definierte Kernarbeitszeiten:

Die meisten Unternehmen kombinieren die Gleitzeitregel mit einer sogenannten Kernarbeitszeit, zu der alle Mitarbeiter:innen vor Ort beziehungsweise am Arbeitsplatz sein müssen, zum Beispiel zwischen 11 und 15 Uhr. Solche Kernarbeitszeiten sollen dafür sorgen, dass gemeinsame Meetings stattfinden können und ein Austausch unter den Mitarbeiter:innen. Wenn dein Unternehmen Gleitzeit anbietet bedeutet das also nicht, dass du deine Arbeitszeiten zu Randzeiten also in der Nacht oder am Wochenende absolvieren kannst.

2. Vertraglich festgeschriebene Arbeitszeiten:

Auch unter Gleitzeit hast du eine vertraglich festgeschriebene Wochenarbeitszeit, zum Beispiel 39 Stunden. Diese Wochenarbeitszeit solltest du regelmäßig erreichen. Es gibt Unternehmen, bei denen du dir die Zeit so flexibel einteilen kannst, dass du an einem Tag länger arbeitest und an einem anderen dann früher gehst. Wie flexibel die Gleitzeitregelung ist, hängt vom Unternehmen ab.

Vor- und Nachteile von Gleitzeit

Die Vorteile von Gleitzeit für Arbeitnehmer:innen liegen auf der Hand: Der Arbeitstag kann individuell geplant und an die privaten Pläne angepasst werden. Für die Unternehmen stellt die Organisation der Gleitzeit eventuell einen erhöhten organisatorischen Aufwand dar, der für kleine Unternehmen eventuell nicht gerechtfertigt ist. Außerdem setzen Gleitzeitregelungen voraus, dass die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens unabhängig voneinander arbeiten können. In produzierenden Unternehmen mit vielen arbeitsteiligen Prozessen kann die Umsetzung von Gleitzeit kompliziert bis unmöglich sein.

Teilzeit

Bei einer Teilzeitregelung wird die wöchentliche Arbeitszeit reduziert, zum Beispiel auf 20 oder 30 Stunden. Je nach vertraglicher Regelung können die Mitarbeiter:innen ihre Arbeitszeiten zusätzlich flexibel planen. 

Anders als die Gleitzeit, die unternehmensweit für alle Mitarbeiter:innen gilt, sind Teilzeitregelungen individuell und können auch zeitlich begrenzt sein. Im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist geregelt, dass jede:r Mitarbeiter:in mit mindestens sechs Monaten Betriebszugehörigkeit die Möglichkeit hat, die wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren. 

Vor- und Nachteile von Teilzeit

Der größte Vorteil von Teilzeit ist, dass sie ein individuelles Recht einer:s jeden Mitarbeiterin ist. Wenn die private Situation es verlangt, ist es also möglich, die Arbeitszeit (zeitweise) zu reduzieren und den beruflichen Alltag flexibel zu planen. Allerdings reduzieren sich mit der Arbeitszeit prozentual auch das Gehalt sowie Urlaubs- und Rentenansprüche. Expert:innen sehen einen Grund für den Gender-Pay-Gap in der Tatsache, dass viel mehr Frauen als Männer in Teilzeitbeschäftigungen arbeiten.

Job-Sharing

Job-Sharing kommt vor allem für Angestellte in Teilzeit infrage. Wie der Name schon sagt, teilen sich mehrere Personen (meistens zwei) einen Job, mit allen Aufgaben und Verantwortlichkeiten. In den vergangenen Jahren ist Job-Sharing auch für Führungspositionen immer populärer geworden. 

Vor- und Nachteile von Job-Sharing

Wer früher in Teilzeit gearbeitet hat, musste sich meistens mit eher wenig verantwortungsvollen Positionen begnügen. Viele erfahrene Arbeitskräfte, die nach der Familiengründung in den Job zurückgekehrt sind, wurden unter ihren Fähigkeiten eingesetzt. In Zeiten von Fachkräftemangel mussten Unternehmen kreativer werden – und unter anderem Modelle wie Job-Sharing zulassen. Job-Sharing verlangt ein hohes Maß and Kooperation und Austausch, vor allem unter den Personen die sich eine Job-Position teilen. Doch wenn die organisatorischen Bedingungen stimmen, können alle Beteiligten von Job-Sharing profitieren.

Homeoffice

Während der Corona-Pandemie war Homeoffice lange Zeit verpflichtend, um Infektionen am Arbeitsplatz vorzubeugen. Die Homeoffice-Pflicht wurde im März 2022 abgeschafft. Für viele Angestellte hieß es damit einen liebgewonnenen Benefit aufzugeben. Angestellte in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben kein grundsätzliches Recht auf Homeoffice. Allerdings haben zahlreiche Unternehmen auch nach COVID-19 Flexibilität beibehalten und bieten ihren Mitarbeiter:innen eine bestimmte Zahl von Homeoffice-Tagen pro Woche oder Monat an.

Vor- und Nachteile von Homeoffice

Keine Fahrtzeiten, flexible Zeiteinteilung, weniger Ausgaben für Mittagessen und Verpflegung, in Jogginghose an Meetings teilnehmen – die Liste der Vorteile für Homeoffice ist lang. Allerdings haben lange Homeoffice-Zeiten auch Nachteile, wie fast jede:r Arbeitnehmer:in während der Corona-Pandemie am eigenen Leib feststellen musste: Der direkte Austausch mit dem Team fehlt, digitale Meetings sind unpersönlicher und die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben führt bei vielen Menschen dazu, dass sie eher mehr arbeiten als weniger. 

Vertrauensarbeitszeit

Bei der Vertrauensarbeitszeit gibt es keine festgelegten Arbeitszeiten für Angestellte. Der Arbeitgeber definiert lediglich die Aufgaben, die erledigt werden müssen. Wann dies geschieht, bleibt den Angestellten überlassen. 

Vor- und Nachteile von Vertrauensarbeitszeit

In der Vertrauensarbeitszeit hat der:die Angestellte maximalen Freiraum und kann die Arbeitszeit komplett flexibel einteilen. Das bringt viele Vorteile, vor allem für Menschen mit Berufserfahrung und einem großen Maß an Eigenverantwortung. Für Berufseinsteiger:innen kann diese uneingeschränkte Flexibilität aber auch überfordernd sein und zusätzlichen Druck aufbauen. 

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Wie verbreitet sind flexible Arbeitszeitmodelle?

In der EU-Arbeitskräfteerhebung 2019 (also noch vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie) wurden EU-weit Beschäftigte befragt, wie flexibel sie ihre Arbeitszeit einteilen können. Etwa die Hälfte der erwerbstätigen Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren in Deutschland gab an, dass sie ihre Arbeitszeit flexibel gestalten können. Konkret konnten 21 Prozent ihre Arbeitszeit vollständig nach Belieben einteilen, während weitere 28 Prozent zumindest teilweise diese Freiheit hatten. Somit müssen Erwerbstätige in Deutschland seltener strikten Arbeitszeitvorgaben folgen im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Union. Im Durchschnitt der EU war zuletzt die Arbeitszeit von 61 Prozent der Erwerbstätigen durch Arbeitgeber oder andere Regelungen festgelegt.

Arbeitszeiterfassung und flexibles Arbeiten – ist das nicht ein Widerspruch?

Im April 2023 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den lang erwarteten Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung vorgelegt. Unternehmen sind dadurch verpflichtet nicht nur die Überstunden ihrer Mitarbeiter:innen elektronisch zu dokumentieren, sondern auch Arbeitsbeginn, -ende und -dauer. Auf den ersten Blick symbolisiert das neue Gesetz das Gegenteil von flexiblem Arbeiten – Angestellte müssen täglich mehr oder weniger genau festhalten, wie viele Stunden sie arbeiten. Auf den zweiten Blick wird jedoch klar, dass das Gesetz dem Schutz von Arbeitnehmer:innen dient. Flexible Arbeitszeitmodelle und die Entgrenzung von Job und Freizeit führen eher dazu, dass Menschen mehr arbeiten statt weniger. Durch eine konsequente Arbeitszeiterfassung werden Überstunden sichtbar – die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Arbeitnehmer:innen Überstunden ausgleichen können. Mit der Arbeitszeiterfassung werden Unternehmen in die Pflicht genommen, Verantwortung für die Work-Life-Balance ihre Mitarbeiter:innen zu übernehmen. Flexible Modelle wie Vertrauensarbeitszeit sollen weiterhin möglich sein, allerdings sind die Unternehmen verpflichtet, dass die gesetzliche Höchstdauer eingehalten wird und Arbeits- und Ruhezeiten dokumentiert werden. 

Letztes Update: 6. Juni 2023