Toxische:r Chef:in: Was du tun kannst und wie du dich schützt

Toxische Chef:innen manipulieren ihre Mitarbeitende. Statt zu führen, fokussieren sie sich aufs Mikromanagement und kontrollieren ihr Team. Leistung fördern sie nicht durch Motivation, sondern durch Druck. Wenn in einer toxischen Arbeitskultur dann Fehler geschehen, wird es richtig unangenehmen: Statt konstruktiv Kritik zu üben, demütigen toxische Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden und stellen sie bloß. Keine Frage: Ein:e toxische:r Vorgesetzte:r kann krank machen – höchste Zeit, aktiv zu werden und einem Burnout vorzubeugen.  

Toxische:r Chef:in – was ist das überhaupt?

Der Begriff der toxischen Beziehung ist mittlerweile recht geläufig und beschreibt eine dysfunktionale zwischenmenschliche Partnerschaft oder Freundschaft. „Toxische Beziehung“ ist allerdings kein wissenschaftlich definierter Begriff. Gemeint sind wiederkehrende Verhaltensmuster, um den:die Partner:in zu unterdrücken und um Macht und Kontrolle auszuüben. Es handelt sich dabei um eine Art emotionaler Misshandlung, die sich oft schleichend einstellt. Viele Betroffene merken daher erst recht spät, dass sie sich in einer toxischen Beziehung befinden, weil der:die Partner:in erst langsam das wahre Gesicht zeigt und sich Verhaltensmuster einschleichen.  

Nicht nur private zwischenmenschliche Beziehung können toxisch sein, toxisches Verhalten gibt es auch am Arbeitsplatz. Besonders unangenehm ist es, wenn der:die eigene Vorgesetzte toxisches Verhalten an den Tag legt, denn zwischen Chef:in und Teammitglied besteht von Haus aus ein Hierarchieunterschied. Toxische Vorgesetzte sind leider keine Seltenheit. Laut Diplom-Psychologe Jürgen Hesse ist ein Drittel aller Vorgesetzten menschlich ungeeignet, Mitarbeiter:innen zu führen. Männer neigen eher dazu, sich zur toxischen Führungskraft zu entwickeln als Frauen: In 50 der 60 von Hesse untersuchten Fällen sind die toxischen Chefs männlich. Wie im privaten Bereich ist den Betroffenen nicht von Anfang an klar, dass sie sich in einer toxischen Abhängigkeitsbeziehung befinden.  

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Toxische Vorgesetzte: Anzeichen

Ein:e Vorgesetzte:r mit guten Führungsqualitäten unterstützt die Teammitglieder dabei, ihre Arbeit bestmöglich zu erledigen. Er:sie motiviert, unterstützt und sorgt dafür, dass sich die Mitarbeiter:innen persönlich weiterentwickeln können. Dazu gehört auch Kritik, wenn sie angebracht ist und wenn sie im Sinne einer positiven Fehlerkultur so geäußert wird, dass das Gegenüber davon lernt und der Fehler in Zukunft nicht mehr passiert. Toxische Vorgesetzte sind leider das genaue Gegenteil: Statt ihre Teammitglieder zu fördern, halten sie sie klein, setzen sie unter Druck oder spielen sie gar gegeneinander aus. Wie im privaten Bereich ist den Betroffenen nicht von Anfang an klar, dass sie sich in einer toxischen Abhängigkeitsbeziehung befinden. Die emotionale Misshandlung entwickelt sich schleichend, bevor der Schmerz und der psychische Stress manifest werden. Ein:e toxischer Chef:in kann im Vorstellungsgespräch durchaus sympathisch wirken. Toxische Persönlichkeiten haben oft die Gabe, negative Persönlichkeitsanteile durch soziale Talente zu verstecken. 

Folgende Anzeichen und Verhaltensweisen deuten darauf hin, dass du eine:n toxische:n Chef:in hast: 

  • Ständige Kontrolle: Sie oder er möchte über alles, was du machst, im Detail Bescheid wissen. Dadurch fällt es dir schwer, selbst verantwortungsvoll Entscheidungen in deinem Zuständigkeitsbereich zu treffen. Du hast das Gefühl, dir schaut andauernd jemand auf die Finger und fragst dich, wieso dein:e Chef:in dazu überhaupt Zeit hat. 
  • Manipulation: Dein:e Vorgesetzte:r hat eine sehr starke Meinung und teilt diese nicht nur mit dir, sondern forciert dich, die gleiche Position einzunehmen, ohne dass du dir selber eine Meinung erlauben kannst. Beispiel: Dein:e Chef:in lästert unablässig über ein anderes Teammitglied. Wenn du deine:n Kolleg:in in Schutz nehmen möchtest, lacht er:sie dich aus. 
  • Beleidigung: Konstruktives Feedback sieht anders aus. Im Teammeeting zieht dein:e Vorgesetzte:r deine Arbeit durch den Kakao und beleidigt dich und/oder andere. Im schlimmsten Fall siehst du dich einer Mobbing-Kampagne durch deine:n Chef:in ausgesetzt.  
  • Unkontrollierte Wutausbrüche: Toxische Chef:innen neigen zu cholerischem Verhalten, das sich unter anderem in unvorhersehbaren Wutausbrüchen zeigt. Wie bei einem Vulkanausbruch bekommt dann jede:r, der:die sich in Reichweite befindet, etwas ab. 
  • Drohungen: Anstatt dich mit Motivation zu guter Leistung zu mobilisieren, droht dir dein:e Chef:in. Diese Drohungen können offensichtlich geäußert werden („… dann wirst du halt gefeuert!“) oder unterschwellig („Du wirst schon sehen, was du davon hast.“). 
  • Druck und Schikane: Dein:e Vorgesetzte:r schüttet dich unablässig mit Arbeit zu, sodass du gar nicht weißt, wo dir der Kopf steht. Dabei handelt es sich deiner Ansicht nach teilweise um irrelevante Dinge oder es werden knappe Timings gesetzt, die so gar nicht nötig sind.  
  • Grenzüberschreitungen in unterschiedlichen Zusammenhängen: Das Verhalten toxischer Chef:innen ist oft einfach zu viel oder unangebracht. Grenzüberschreitungen können sich auf viele unterschiedliche Weisen äußern, zum Beispiel durch unangebrachte Kommentare oder wenn dein:e Chef:in dich auch am Wochenende mit Nachrichten an dein Privathandy überhäuft. 

Warum gibt es so viele toxische Chef:innen?

Laut Hesses Untersuchungen ist der Anteil an Psychopath:innen in den Chefetagen höher als in der Normalbevölkerung. Der Psychologe sieht den Grund dafür in der Tatsache, dass psychologisch auffällige Personen einen Drang haben, in Führungspositionen Macht auszuüben. Hinzu kommt, dass toxische Personen durchaus intelligent und fachlich fähig sein können. Außerdem manipulieren toxische Führungskräfte nicht nur die Untergebenen, sondern auch die eigenen Vorgesetzten.  

Dabei kostet toxische Führung die Unternehmen richtig Geld: Sie vergiftet im wahrsten Sinne des Wortes die Unternehmenskultur und hat negative Auswirkungen auf die Performance des Mitarbeiter:innen und somit auf den Unternehmenserfolg. 

Was kannst du tun? Umgang mit einer toxischen Führungskraft

Wenn du feststellst, dass dein:e Vorgesetzte:r eine toxische Person ist, solltest du zunächst einmal dich selbst schützen. 

1. Lege dir ein dickes Fell zu 

Versuche, das toxische Verhalten nicht persönlich zu nehmen. Versichere dir selbst immer wieder, dass nicht du oder deine Leistung Auslöser für toxisches Verhalten sind!  

2. Schaffe dir ein Netzwerk 

Wenn du eine:n toxische:n Chef:in hast, leidest mit Sicherheit nicht nur du darunter. Tausche dich mit deinen Kolleg:innen aus und überprüfe, wie sie das Verhalten wahrnehmen. Auch die Sicht von Freund:innen oder Familie kann dir helfen, die Situation einzuschätzen. Wer über längere Zeit einer toxischen Atmosphäre ausgesetzt ist, nimmt die Grenzüberschreitungen irgendwann als normal hin oder, noch schlimmer, übernimmt sie. 

3. Hole dir Hilfe 

Das ist zugegebener Maßen nicht immer ganz einfach und hängt auch davon ab, auf welcher Hierarchiestufe im Unternehmen deine toxische Führungskraft ist. Wenn der toxische Chef gleichzeitig der Geschäftsführer ist, ist die Situation komplizierter, als wenn du in einem großen Konzern arbeitest. Klassischer Weise kannst du dich an die HR-Abteilung wenden oder auch an den Betriebsrat, sofern es einen gibt in deinem Unternehmen. 

4. Gib Konter – aber bleib professionell 

Dein:e toxische:r Vorgesetzte:r mag unablässig Grenzen überschreiten – dennoch solltest du versuchen, professionell zu bleiben. Du hast alles Recht, deine:n Chef:in wissen zu lassen, dass du dich nicht wohlfühlst und das toxische Verhalten nicht tolerierst – aber du solltest dich nicht auf seine:ihre Ebene begeben. Andernfalls läufst du Gefahr, dass du dich angreifbar machst. 

5. Wenn nichts hilft: Wähle den Notausgang 

Die toxische Arbeitskultur belastet dich nachhaltig und über einen längeren Zeitraum? Dein:e toxische:r Chef:in ändert sich trotz Gesprächen und Feedback nicht und wird demnächst sogar noch befördert? Wenn keine Änderung der Situation in Aussicht steht, solltest du in Erwägung ziehen zu kündigen, bevor du Schaden davonträgst. Du kannst die Erfahrung als Lernprozess verbuchen, denn mit Sicherheit sind deine Antennen für toxisches Führungsverhalten nun geschärft.  

Ist ein:e toxische:r Chef:in einfach ein:e schlechte:r Chef:in?

Nicht jede:r schlechte:r Chef:in ist toxisch! Bei einer toxischen Führungskraft liegt der Grund für die schlechten Führungsqualitäten in der Persönlichkeitsstruktur, weshalb eine Änderung des Führungsstils aus eigenem Antrieb eher unwahrscheinlich ist. Schlechte Führung kann aber auch andere Gründe haben, zum Beispiel fehlende Ausbildung. Denn auch gute Mitarbeiter:innenführung will gelernt sein. Unternehmen tragen die Verantwortung, ihre Führungspersonal entsprechend zu schulen und auszubilden. 

letztes Update: 3. November 2023