
Was ist der Gender Pay Gap & warum sollten wir mehr über ihn reden?
Hast du schon mal etwas vom Gender Pay Gap gehört? Der Begriff beschreibt die noch immer bestehende Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Möchtest du es genauer wissen? Wir haben für dich alle wichtigen Fakten und Informationen rund um den Gender Pay Gap zusammengestellt, damit du bestens für die nächste Diskussion im Freundes- und Kolleg:innen-Kreis zu diesem wichtigen Thema gerüstet bist. Und diese sollte unbedingt geführt werden!
Wusstest du bisher nicht, was genau mit dem Begriff Gender Pay Gap gemeint ist? Damit bist du nicht allein. Eine Umfrage von kununu ergab, dass 59% der Deutschen bisher nicht mit dem Begriff Gender Pay Gap in Berührung gekommen sind.
Tipp: kununu hat mehr als 1.6 Millionen Gehaltsdaten rund um den Gender Pay Gap ausgewertet. Hier kannst du dich informieren.
Gender Pay Gap – Definition
Der Gender Pay Gap beschreibt die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes (ohne Sonderzahlungen) aller Geschlechter im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer. Zwar liegen in Bezug auf den Gehaltsunterschied von Männern und Frauen mehr Daten vor, jedoch bezieht sich die Bezeichnung Gender Pay Gap auch auf Gehaltsunterschiede hinsichtlich dem dritten Geschlecht. Für Deutschland berechnet das Statistische Bundesamt den Gender Pay Gap. Er wird jährlich erhoben. Das Statistische Amt der Europäischen Union, kurz Eurostat, wertet europaweit die Gehaltsunterschiede in den einzelnen Mitgliedsländern aus. Wenn vom Gender Pay Gap die Rede ist, so geht es meist um die unbereinigte Angabe. Es gibt Stimmen, die eine differenzierte Datenauswertung fordern, den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap.
Der Gender Pay Gap 2025
In Deutschland
Die aktuellsten Zahlen zum Gender Pay Gap in Deutschland beziehen sich auf 2024. In diesem Jahr lag der unbereinigte Gender Pay Gap bei 16 Prozent, 2023 lag er noch bei 18 Prozent. Innerhalb eines Jahres ist damit der geschlechtsspezifische Gehaltsunterschied so stark gesunken wie noch nie seit Beginn der Berechnung im Jahr 2006. Das sind erfreuliche Nachrichten – dennoch verdienen Frauen durchschnittlich eben 16 Prozent weniger als männliche Arbeitnehmer. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass der durchschnittliche Bruttostundenverdienst bei Frauen 4,10 Euro geringer ist als bei Männern (26,34 Euro).
Hauptgrund dafür, dass der Gender Pay Gap 2024 im Vergleich zum Vorjahr mit zwei Prozentpunkten relativ deutlich gesunken ist: Die Bruttogehälter für Frauen wuchsen durchschnittlich schneller als die von männlichen Arbeitnehmern. 2024 stiegen die Bruttomonatsverdienste der Frauen gegenüber 2023 um durchschnittlich rund 8 Prozent (die der Männer nur um rund 5 Prozent). Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Gehaltsunterschied bis zum Jahr 2030 auf zehn Prozent zu senken.
In Europa
Auf EU-Ebene liegen Daten zum Gender Pay Gap bis zum Jahr 2022 vor. Beim Vergleich der Daten fällt auf: Deutschland (17,7) und Österreich (18,4) zählen zu den Ländern mit den größten Gehaltsunterschieden zwischen Mann und Frau. Der Gender Pay Gap liegt in beiden Ländern deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 12,7 Prozent. Einzig Estland weist mit einem Gender Pay Gap von satten 21,3 Prozent noch größere Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern auf.
Luxemburg, Italien und Rumänien sind die Länder mit dem niedrigsten Gender Pay Gap. Europaweit hat sich der durchschnittliche Gender Pay Gap im letzten Jahrzehnt kaum verändert. Woran das liegt, erklären wir dir weiter unten im Artikel.
Wer sich die Daten im europäischen Vergleich ansieht, kann vollends ins Zweifeln kommen. In Italien ist die Bezahlung von Mann und Frau gerechter als in Deutschland? Und das Niedriglohnland Rumänien zählt zu den Besten?
Ein Team des Deutschen Instituts für Wirtschaft hat sich die Daten genauer angesehen und kommt zu dem Schluss, dass eine niedrigere Frauenerwerbsquote mit einem geringeren Gender Pay Gap einhergeht. In Ländern, in denen generell weniger Frauen berufstätig sind, fallen geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede geringer aus. Die Frauen, die in diesen Ländern arbeiten, befinden sich in gut bezahlten Positionen. Julia Schmieder und Katharina Wrohlich vom DIW plädieren daher dafür, bei der Betrachtung der Lohnlücke zwischen Mann und Frau Länder mit einer vergleichbaren Frauenerwerbsquote zu betrachten.
Fazit: Ja, es gibt einen Gender Pay Gap, Frauen und Personen die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen verdienen nach wie vor weniger als Männer, sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Die Interpretation der Daten, vor allem im internationalen Vergleich, ist jedoch nicht immer eindeutig und sollte differenziert erfolgen.
Gender Pay Gap nach Branche & Berufserfahrung
kununu hat übrigens den Gender Pay Gap in den einzelnen Job-Branchen berechnet – auf Basis von über 2.400.000 Gehaltsangaben von Arbeitnehmer:innen. Besonders drastisch sind die Unterschiede unter anderem in der Finanzbranche. Hier verdienen Frauen durchschnittlich 24 Prozent weniger als Männer, dich gefolgt von der Telekommunikationsbranche mit 23 Prozent.
Den größten Anstieg des Pay Gaps verzeichnet die Branche Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung. Frauen steigen mit einem „nur“ 12 Prozent geringeren Gehalt als Männer ein. Nach 6-10 Jahren klafft die Gehaltslücke immer weiter auf, denn dann verdienen Frauen ganze 29 Prozent weniger als Männer. Dass der Gender Pay Gap mit zunehmender Berufserfahrung steigt, ist unter anderem auf eine unzulängliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurückzuführen – für Frauen bedeutet die Familiengründung häufig eine Karrierebremse.
Unterschied zwischen bereinigtem & unbereinigtem Gender Pay Gap
Unbereinigter Gender Pay Gap
In der medialen Diskussion wird meist der unbereinigte Gender Pay Gap zugrunde gelegt. Das ist der Wert, den das Statistische Bundesamt jährlich erhebt und für das Jahr 2024 bei 16 Prozent liegt. Hier wird der Durchschnittsverdienst von Männern und Frauen über alle Branchen und alle Positionen analysiert. Der unbereinigte Gender Pay Gap dient als Kernindikator fortbestehender gesellschaftlicher Ungleichbehandlungen von Frauen im Erwerbsleben. Er ist eine generelle Bestandsaufnahme, bei der auch einfließt, dass Frauen häufiger in schlecht bezahlten Berufen arbeiten und weniger häufig Führungspositionen einnehmen als Männer.
Bereinigter Gender Pay Gap
Bei der Berechnung des bereinigten Gender Pay Gap werden strukturelle Faktoren wie Unterschiede der Berufe, Anzahl der Wochenstunden sowie der Bildungsstand herausgerechnet. Laut Statistischem Bundesamt lag der bereinigte Gender Pay Gap in Deutschland 2024 bei sechs Prozent, also deutlich niedriger als der unbereinigte Wert.
Gibt es den Gender Pay Gap wirklich? Oder ist er durch die bereinigten Zahlen widerlegt?
Der Gender Pay Gap wurde eingeführt, um auf die Ungleichheit der Bezahlung von Männern im Vergleich zu anderen Geschlechtern hinzuweisen und so schrittweise gerechtere Gehälter zu fördern. Vor allem der unbereinigte Gender Pay Gap zeigt: Männer verdienen mehr – und das ist nicht gerecht.
Die Befürworter:innen des unbereinigten Gender Pay Gaps argumentieren, dass das Vorgehen, die Gesamtheit der weiblichen und diversen Beschäftigten mit der Gesamtheit der männlichen Beschäftigen zu vergleichen, den besten Einblick bietet. Frauen haben häufiger eine schlechtere Ausbildung, arbeiten eher in schlecht bezahlten Berufen in unteren Positionen und das häufig in Teilzeit. Das führt zu einer schlechteren Bezahlung und diese strukturelle Ungerechtigkeit spiegelt sich im unbereinigten Gender Pay Gap wider.
Die Befürworter:innen des bereinigten Gender Pay Gaps argumentieren, dass der unbereinigte Wert Äpfel mit Birnen vergleicht und daher nicht aussagekräftig ist. Um festzustellen, ob Frauen und Diverse schlechter bezahlt werden als Männer, müsse man die Lohnlücke zwischen Mann, Frau und Divers in vergleichbaren Positionen betrachten. Mit 6 Prozent in Deutschland fällt der bereinigte Gender Pay Gap recht gering aus.
Gender Pay Gap 2025: Faires Gehalt ist keine Verhandlungssache
Häufig ist in Debatten rund um die Ursache der Lohngleichheit zu hören, dass Männer ein höheres Gehalt verhandeln und ihnen somit auch ein höheres Gehalt zusteht. Das Bundesarbeitsgericht zur Einkommensgerechtigkeit in Erfurt hat jedoch im Februar 2023 entschieden: Arbeitgeber müssen – unabhängig der Gehaltsverhandlung – bei der Einstellung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit den gleichen Lohn zahlen. Selbst wenn männliche Bewerber aufgrund ihrer Verhandlungsfähigkeiten höhere Gehaltsforderungen durchsetzen, darf eine weibliche Bewerberin für die gleiche Arbeit bei ihrem neuen Arbeitgeber nicht schlechter bezahlt werden.
Anlass des Urteils war eine Klage einer Mitarbeiterin eines Metallunternehmens aufgrund ungleicher Bezahlung bei Arbeitsantritt. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde ihr ein monatliches Gehalt von 3500 Euro angeboten. Später stellte sie jedoch fest, dass zwei männliche Kollegen deutlich höhere Gehälter erhielten als sie. Der Arbeitgeber rechtfertigte den Unterschied mit dem besseren Verhandlungsgeschick des Mannes. Obwohl beiden anfangs dasselbe Gehaltsangebot gemacht wurde, habe der Mann mehr gefordert, um den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Das Gericht entschied jedoch, dass dies eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts sei und sprach der Klägerin den entgangenen Lohn in Höhe von 14.500 Euro sowie eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 2000 Euro zu.
Gründe für den Gender Pay Gap
Die Gründe für den Gender Pay Gap sind vielschichtig. Es lassen sich einige Haupttreiber für eine strukturell schlechtere Bezahlung von Frauen identifizieren:
- Frauen wählen andere Berufe als Männer. Sie arbeiten häufiger in sozialen oder personennahen Dienstleistungen, die schlechter bezahlt werden als beispielsweise technische Berufe.
- Frauen unterbrechen ihre Berufstätigkeit häufiger und länger als Männer und arbeiten in Teilzeit oder in Mini-Jobs.
- Für viele Frauen ist der Wiedereinstieg nach Eltern- oder Mutterzeit nicht einfach. Häufig können sie nicht auf der gleichen Karrierestufe wieder einsteigen.
- In Spitzenpositionen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Der Anteil von Frauen an der Spitze von Unternehmen der Privatwirtschaft lag in Deutschland 2022 bei 28,9 Prozent.
Henrike von Platen, Gründerin des Fair Pay Innovation Labs, sieht in der Lohnlücke selbst einen Fehlanreiz für das Erwerbsverhalten von Frauen:
Der Gender Pay Gap ist ein Teufelskreis: Wer zu Hause bleibt, verdient weniger, wer weniger verdient, bleibt zu Hause. Und am Ende sind Frauen seltener in Führungspositionen zu finden, arbeiten oft in weniger gut bezahlten Berufen und überdurchschnittlich oft in Teilzeit. Sie bekommen seltener eine Beförderung, übernehmen seltener Verantwortung und haben eine andere Verhandlungskultur. Männer werden eher nach Potenzial, Frauen nach erbrachter Leistung bezahlt.
Henrike von Platen, CEO & Founder FPI Fair Pay Innovation Lab
Lösungsansätze, um den Gender Pay Gap abzubauen
Um langfristig den Gender Pay Gap abzubauen, ist es wichtig, Bewusstsein für die strukturellen Unterschiede zu schaffen. Deswegen sind mediale Ereignisse wie der Equal Pay Day genauso wichtig wie die jährliche Auswertung des Gender Pay Gap.
Nicht nur in der Politik und in den Unternehmen muss das Thema präsent sein, sondern auch bei den betroffenen Frauen.
Interessanterweise glauben 84 Prozent der Deutschen, dass Frauen für vergleichbare Tätigkeiten in Deutschland weniger Geld bekommen als Männer – aber nur 47 Prozent glauben, dass Frauen in ihrem eigenen Unternehmen für vergleichbare Tätigkeiten schlechter bezahlt werden. Das beschreibt das Problem ganz gut: Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen ist zwar statistisch messbar, bleibt im Einzelfall aber oft unsichtbar.
Henrike von Platen, CEO & Founder FPI Fair Pay Innovation Lab
Gehaltstransparenz als Treiber für eine gerechtere Bezahlung
Voraussetzung für das Bewusstsein von Gehaltsunterschieden ist Transparenz, was die Bezahlung betrifft. Der Gender Pay Gap hat auch in den deutschsprachigen Ländern die öffentliche Diskussion um das Thema Gehaltstransparenz befeuert. Nur wer weiß, was andere im gleichen Unternehmen in einer vergleichbaren Position verdienen, kann einschätzen, ob das eigene Gehalt gerecht ist. In Deutschland wurde vor diesem Hintergrund 2017 das Entgelttransparenzgesetz eingeführt, in Österreich gibt es bereits seit 2011 eine Gleichstellungsnovelle und in der Schweiz die Charta für Equal Pay. Um länderübergreifend Lohngerechtigkeit voranzutreiben, hat die EU-Kommission am 4. März 2021 den Entwurf einer Richtlinie zu mehr Gehaltstransparenz eingereicht. Auf politischer Ebene wurden bereits die richtigen Weichen gestellt, die Umsetzung muss in den Unternehmen erfolgen. Henrike von Platen sieht gerechte Bezahlung als eine Frage der Unternehmenskultur.
Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sich einig wären, wäre Lohngerechtigkeit über Nacht möglich, davon bin ich überzeugt.
Henrike von Platen, CEO & Founder FPI Fair Pay Innovation Lab
Verhandlungstipps für Frauen
Die Höhe deines individuellen Gehalts hängt natürlich auch davon ab, wie du verhandelst. Frauen sind beim Thema Gehalt oft zurückhaltender als Männer. Wie du im nächsten Gehaltsgespräch das Beste für dich herausholst, erfährst du in unserem Ratgeber: So verhandelst du dein Gehalt als Frau: Tipps & Tricks.

Henrike von Platen
Henrike von Platen sieht sich selbst als Kosmopolitin, Wirtschaftsexpertin, FairPayistin, Publizistin und Kämpferin, denn Frauen und Geld – das gehört für sie unbedingt zusammen.
Die Zitate in diesem Artikel stammen aus einem Interview mit ihr für kununu. Hier geht’s zu Henrike von Platen.