Entgelttransparenzgesetz: Was du wissen solltest

Das Entgelttransparenzgesetz (EntTranspG) wurde in Deutschland 2017 auf Initiative des Familienministeriums eingeführt. Es soll dazu beitragen, mehr Transparenz in den Entgeltstrukturen zu schaffen und so vor allem Frauen dabei unterstützen, ihren Anspruch auf gleiche Bezahlung wie männliche Arbeitnehmer für einen vergleichbaren Job durchzusetzen. Das Entgelttransparenzgesetz soll somit die Entgeltdiskriminierung von Frauen abbauen. Wie viele andere Gesetze auch ist das Entgelttransparenzgesetz recht komplex, in Teilen schwer verständlich und es gilt auch nicht pauschal für jede erwerbstätige Person. Wir haben daher die wichtigsten Informationen für dich zusammengestellt.

Warum gibt es das Entgelttransparenzgesetz?

Frauen verdienen durchschnittlich nach wie vor weniger als Männer. Eine umfassende Analyse von über 1,6 Millionen Gehaltsdaten auf kununu ergab, dass der sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland bei aktuell bei 17 Prozent liegt. Zwar ist erkennbar, dass die Lohnlücke zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten langsam abnimmt, doch noch immer fallen die Gehälter von Frauen im Schnitt deutlich niedriger aus.

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Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Gehaltsunterschied bis zum Jahr 2030 auf 10 Prozent zu senken. Damit Gehaltsunterschiede angeglichen werden können, ist zunächst Transparenz nötig. Henrike von Platen, Fairpay- und Finanzexpertin, beschreibt die Situation so:

„Interessanterweise glauben 84 Prozent der Deutschen, dass Frauen für vergleichbare Tätigkeiten in Deutschland weniger Geld bekommen als Männer – aber nur 47 Prozent glauben, dass Frauen in ihrem eigenen Unternehmen für vergleichbare Tätigkeiten schlechter bezahlt werden.“

Henrike von Platen, im Interview mit kununu

Das liegt auch daran, dass die meisten Unternehmen ihre Entgeltstrukturen nicht offenlegen. Der deutsche Gesetzgeber hat dies nämlich als Problem ausgemacht: Wenn es an der Transparenz über die Gehälter fehlt, kann gegen die Benachteiligung schließlich auch nichts unternommen werden. So half es bisher offenbar wenig, dass die Entgeltdiskriminierung verboten ist, wenn man sie doch gar nicht feststellen oder beweisen konnte. Das Entgelttransparenzgesetz verleiht Mitarbeiter:innen größerer Unternehmen einen Auskunftsanspruch über die Gehälter ihrer Kolleg:innen.

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Wer hat durch das Entgelttransparenzgesetz einen Auskunftsanspruch?

Arbeitnehmer:innen, die in einer Firma mit mindestens 200 Angestellten beschäftigt sind, haben alle drei Jahre einen Auskunftsanspruch. Auskunftsberechtigte Beschäftigte sind unter den oben genannten Voraussetzungen folgende Personengruppen:

    • Arbeitnehmer:innen
    • Beamtinnen und Beamte
    • Richter:innen
    • Soldat:innen
    • Auszubildende
    • in Heimarbeit beschäftigte und die ihnen Gleichgestellten

Auskunfts- oder Berichtspflicht? Die Unternehmensgröße ist ausschlaggebend

In Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiter:innen haben die Beschäftigten durch das Entgelttransparenzgesetz einen Anspruch auf Gehaltstransparenz. Das heißt, als Mitarbeiter:in musst du die Initiative ergreifen.

Für große Konzerne und Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gilt eine Berichtspflicht. Das bedeutet, dass das Unternehmen aus eigenem Antrieb über die Gehaltsstrukturen informieren muss.

  • Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten: Mitarbeiter:innen haben einen Auskunftsanspruch.
  • Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten: Unternehmen sind verpflichtet, betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit durchzuführen.
  • Lageberichtspflichtige Unternehmen nach HGB (Kapitalgesellschaften) mit mehr als 500 Beschäftigten: Unternehmen sind verpflichtet, alle fünf Jahre einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit zu veröffentlichen.

Was sind Vergleichsgruppen im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes?

Wenn du in einem Unternehmen mit wenigstens 200 Beschäftigten arbeitest, hast du einen Anspruch auf Entgelttransparenz im Sinne des Gesetzes. Aber Achtung: Dein Anspruch bezieht sich nur auf Personen in deinem Unternehmen, die in einer vergleichbaren Position arbeiten wie du. Der Gesetzgeber will dadurch sicherstellen, dass bei einer Gegenüberstellung der Gehälter nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Kolleg:innen, die sich gegenseitig vertreten oder ersetzen könnten, arbeiten in einer vergleichbaren Situation. Aus Datenschutzgründen gibt das Gesetz vor, dass eine Mindestzahl von Personen in einer vergleichbaren Situation arbeiten müssen, damit ein Auskunftsanspruch besteht.

Die sogenannten Vergleichsgruppen müssen sechs oder mehr Personen umfassen, die jeweils dem anderen Geschlecht angehören und eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben.

Das kann bedeuten, dass dein Auskunftsrecht dadurch ausgehebelt wird, dass die Vergleichsgruppe innerhalb deines Unternehmens zu klein ist. Außerdem werden die Vergleichsgruppen automatisch kleiner, je höher man auf der Karriereleiter steht. Die Konsequenz ist, dass auf Führungsebene fast kein Auskunftsanspruch mehr besteht.

Wie kann ich meinen Anspruch auf Auskunft geltend machen?

Wenn du bei einem tarifgebundenen Unternehmen angestellt bist, wendest du dich an den Betriebsrat. Dieser muss die Anfrage anonymisiert an die Personalabteilung weiterleiten. Wenn du bei einem nicht-tarifgebundenen Unternehmen arbeitest, richtest du dein Gesuch an die Unternehmensführung. Im Antrag auf Auskunft musst du auch die Vergleichsgruppe benennen. Hierfür hat das Bundesministerium für Familie Formulare auf seiner Webseite bereitgestellt.

Zu welchen Auskünften ist dein Unternehmen verpflichtet?

Das Entgelttransparenzgesetz gibt dir nicht das Recht, zu erfahren, was bestimmte Kolleg:innen verdienen. Das ist schon aus Datenschutzgründen nicht möglich. Dein Unternehmen ist verpflichtet, einen Durchschnittswert aus den Gehältern der Vergleichsgruppe zu ermitteln und dir diesen mitzuteilen. Außerdem hast du einen Anspruch darauf, zu erfahren, nach welchen Kriterien dein Gehalt festgelegt wurde.

Bei Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern geht die Auskunftspflicht weiter: Diese Unternehmen müssen regelmäßig über die Gehaltsstrukturen berichten. In diesem Bericht müssen Unternehmen ihre Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern offenlegen und aufzeigen, was sie tun, um Gehaltsdiskriminierung entgegenzuwirken.

Kritik am Entgelttransparenzgesetz

Seit der Einführung gibt es immer wieder Kritik am Entgelttransparenzgesetz. Die wichtigsten Argumente sind dabei:

  • Das Gesetz ist kompliziert formuliert und für viele Arbeitnehmer:innen schwer verständlich.
  • Für Beschäftigte in kleineren Unternehmen bringt das Gesetz keine Änderungen. Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von weniger als 200 Personen sind pauschal ausgenommen von der Auskunftspflicht. Da 56 Prozent der in Deutschland arbeitstätigen Personen in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten, gilt das Entgelttransparenzgesetz für viele nicht.
  • Da die Berichtspflicht nur für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gilt, sind viele Arbeitnehmer:innen in der Holschuld. Um diese durchzusetzen, müssen sich Beschäftigte aktiv informieren.
  • Das Gesetz sieht keine Sanktionen vor gegen Unternehmen, die gegen das Entgelttransparenzgesetz verstoßen.

Die Europäische Gesetzgebung unterstützt das Entgelttransparenzgesetz

Im Frühjahr 2021 hat die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie zu mehr Gehaltstransparenz vorgelegt, welcher letztlich am 24. April 2023 vom Rat angenommen wurde. Anhand der neuen EU-Vorschrift für mehr Lohntransparenz soll nicht nur der Lohndiskriminierung entgegengewirkt werden, sondern auch das geschlechtsspezifische Lohngefälle innerhalb der EU verringert werden. Unternehmen innerhalb der EU müssen durch die neue Richtlinie nicht nur Informationen über gezahlte Löhne veröffentlichen, sondern zusätzlich Maßnahmen ergreifen, wenn die Lohnlücke mehr als 5 Prozent beträgt.

Der Entwurf geht somit teilweise über die Vorgaben im Entgelttransparenzgesetz hinaus, indem er nicht nur Entschädigungen für die Opfer der Lohndiskriminierung vorsieht, sondern auch Sanktionen gegen Arbeitgeber, welche gegen die Vorschriften verstoßen. Nach Veröffentlichung haben die EU-Mitgliedsländer nun bis zu drei Jahre Zeit, um die Richtlinie gemäß nationalem Recht umzusetzen.

“Es ist ein riesiger Schritt nach vorn, dass [...] die Europäische Kommission den Weg für all das ebnet, von dem wir wissen, dass es in Ländern wie Großbritannien, Island oder der Schweiz sehr gut funktioniert: mehr Transparenz in den Unternehmen. Eine Umkehr der Beweislast. Empfindliche Strafen für Unternehmen, die nicht fair bezahlen.”

Henrike von Platen, im Interview mit kununu

Evaluation: Wie steht es heute um die Entgelttransparenz?

Seit offiziellem Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz am 6. Juli 2017 ist bereits einiges an Zeit vergangen. Aber wie steht es nun, fast sieben Jahre später, um das Entgelttransparenzgesetz? Die Bundesregierung ist regelmäßig dazu verpflichtet, Evaluationsberichte zu veröffentlichen, die die Wirksamkeit eines Gesetzes untersuchen. Konnte das Gesetz also tatsächlich Wirkung zeigen?

Vor allem im Hinblick auf die neue EU-Richtlinie, die auch in Deutschland bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss und sogar über die Vorgaben im Entgelttransparenzgesetz hinaus geht, ergibt sich auch für Deutschland Nachbesserungsbedarf. Der am 23. August 2023 veröffentlichte zweite Bericht zur Wirksamkeit des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern konnte zeigen, dass bisher nur vier Prozent der Befragten überhaupt ihren Auskunftsanspruch gelten gemacht haben. Seit 2019 haben außerdem nur knapp 30 Prozent der befragten, privaten Arbeitgeber (mit über 500 Beschäftigten) ihre innerbetrieblichen Entgeltstrukturen überprüft.

Was bedeutet das also für die Zukunft? Es ist eine Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes zu erwarten, die allen voran auch die neue EU-Richtlinie berücksichtigt. Möglicherweise braucht es schlussendlich für eine wirksame Umsetzung doch die in dem EU-Richtlinie vorgesehen Sanktionen, um Unternehmen zum Handeln zu bewegen.

Engelttransparenz: Was du tun kannst

Unabhängig davon, ob für dich als Arbeitnehmer:in das Entgelttransparenzgesetz zutrifft oder nicht, kann jede:r dazu beitragen, Tabus zur Gehaltstransparenz abzubauen: Indem wir über unsere Gehälter sprechen. Rechtlich kann dir kein Unternehmen verbieten, dich mit anderen über dein Gehalt auszutauschen.

Übrigens: Du kannst auch auf kununu.com prüfen, ob du gerecht bezahlt wirst. Vergleiche dein Gehalt mit anderen in deinem Unternehmen oder deiner Branche, schau dir in unserem kununu Gehaltscheck Durchschnittsgehälter zu deinem Jobtitel an und sorge für mehr Gehaltstransparenz, indem du dein Gehalt anonym teilst.

letztes Update: 4. März 2024