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Warum verdienen Frauen (immer noch) weniger Geld als Männer?

Es ist ein Fakt: Überall in Europa verdienen Frauen im Schnitt weniger als Männer, auch noch im Jahr 2025. Insbesondere Deutschland und Österreich zählen zu den Ländern, in denen die Lohnungleichheit besonders hoch ausfällt. 2022 lag der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern (auch Gender Pay Gap genannt) in der EU durchschnittlich bei rund 13 Prozent. Das bedeutet, dass Frauen im Schnitt 13 Prozent weniger Gehalt bekommen haben als Männer. Laut einer kununu-Analyse von mehr als 2,4 Mio Gehaltsdaten lag der Gender Pay Gap in Deutschland im Jahr 2024 bei 15 Prozent.

Die gute Nachricht ist: Der Gender Pay Gap sinkt langfristig, die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau werden also kleiner. Dennoch besteht die Lohnlücke weiterhin. In unserem Artikel analysieren wir die Gründe für die Gehaltsunterschiede und zeigen auf, was getan werden kann.

Du möchtest mehr über die Entwicklung des Gender Pay Gaps erfahren? Das und vieles mehr kannst du jetzt interaktiv hier entdecken.

Gründe, warum Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer

Frauen mit vergleichbarer Qualifikation verdienen in vergleichbaren Positionen weniger – das ist bekannt. In vielen Unternehmen wächst das Bewusstsein für geschlechtergerechte Bezahlung. In der Praxis ist diese jedoch noch bei Weitem nicht in allen Unternehmen umgesetzt. Doch ist das nicht der einzige Grund, warum Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer.

Die Ursachen für die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau sind vielfältig. Es war in den westeuropäischen Ländern lange Zeit üblich, dass der Mann der Hauptverdiener war, während Frauen sich um Haushalt und Familie kümmerten. So war es in der Vergangenheit der Normalfall, dass bei Jungen mehr Wert auf eine gute Ausbildung mit Aussicht auf Karriere und gute Bezahlung gelegt wurde als bei Mädchen. Diese Zeiten haben sich zum Glück geändert! Dennoch liegt in der historischen Rollenverteilung einer der Hauptgründe, weshalb Männer im Schnitt mehr verdienen als Frauen.

Wer zu Hause bleibt, verdient weniger, wer weniger verdient, bleibt zu Hause. Und am Ende sind Frauen seltener in Führungspositionen zu finden, arbeiten oft in weniger gut bezahlten Berufen und überdurchschnittlich oft in Teilzeit. Sie bekommen seltener eine Beförderung, übernehmen seltener Verantwortung und haben eine andere Verhandlungskultur. Männer werden eher nach Potenzial, Frauen nach erbrachter Leistung bezahlt. Und zu Hause sind es die Frauen, die den Löwenanteil an unbezahlter Care Arbeit und Hausarbeit übernehmen – sogar bei kinderlosen Paaren.

Henrike von Platen, CEO & Founder FPI Fair Pay Innovation Lab

1. Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Berufen

Eine Kombination aus historischen, gesellschaftlichen und strukturellen Gründen trägt dazu bei, dass Frauen häufiger in Berufen, die eher schlecht bezahlt sind als Männer. Auch wenn sich hier langsam ein Wandel vollzieht, beeinflussten Geschlechterstereotype lange Zeit die Berufsorientierung: Mädchen wurden eher zu sozialen, pädagogischen oder kreativen Berufen ermutigt, während Jungen häufiger in Technik und Naturwissenschaften gefördert wurden. Zwei Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen. Der Frauenanteil am pädagogischen Personal in Kitas lag 2022 bei knapp 92 Prozent. Ein Blick in den kununu Gehaltscheck zeigt, dass die Gehaltsaussichten für soziale und sogenannte personennahe Berufe wie Krankenschwester, Krankenpflegerin, Erzieherin, Verkäuferin oder Friseurin eher am unteren Ende liegen.

2. Frauen haben häufigere und längere Unterbrechungen ihrer erwerbstätigen Zeit

In Deutschland wurde 2007 die Elternzeit eingeführt. Das Gesetz unterstützt eine geteilte Elternzeit. Familien, in denen sich die Eltern die Elternzeit aufteilen, werden finanziell gefördert. Seitdem gibt es immer mehr Väter, die nach der Geburt eines Kindes auch in Elternzeit gehen. Das Elternzeitgesetz war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dennoch ist es auch heute noch so, dass Frauen familienbedingt längere Zeiten keinen Beruf ausführen. Gründe sind nicht nur die Betreuung der Kinder, sondern auch die Pflege älterer Familienangehöriger. Frauen pflegen mehr als doppelt so häufig Angehörige wie Männer.

3. Frauen arbeiten oft in Teilzeit beziehungsweise in Mini-Jobs

50 Prozent der in Deutschland beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit (zum Vergleich: Unter den arbeitstätigen Männern liegt der Anteil bei lediglich 13 Prozent). Blickt man auf Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren, arbeiteten im Jahr 2019 rund 66 Prozent der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit. Bei Vätern in derselben Situation waren es hingegen nur 6,4 Prozent. In Deutschland sind etwa 4,3 Millionen Frauen geringfügig beschäftigt in einem Minijob – mehr als die Hälfte von ihnen ausschließlich und damit ohne Sozialversicherung. Für Minijobs liegt die Gehaltsgrenze 2025 bei zirka 556 Euro im Monat. Wer langfristig als einzige Beschäftigung einem Minijob nachgeht, hat nicht nur ein geringes Einkommen, sondern im Alter auch geringe Rentenansprüche.

4. Weniger Frauen in leitenden Positionen

Auch wenn ein leichter Gegentrend zu verspüren ist, sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert: Über 70 Prozent der Führungspositionen werden von Männern besetzt. Fehlende Qualifikation kann dafür nicht der Grund sein: Der Anteil von Frauen mit Studienabschluss und Promotion lag 2022 bei fast 46 Prozent. Vielmehr spielen strukturelle Hürden, gesellschaftliche Erwartungen und persönliche Abwägungen eine Rolle. Ohne weibliche Führungskräfte als Vorbilder fehlt oft die Inspiration und Unterstützung für den eigenen Karriereweg. Frauen zeigen sich eher bescheiden und zurückhaltend, wenn es darum geht, auf der Karriereleiter aufzusteigen oder eine Gehaltserhöhung einzufordern. Führungspositionen erfordern oft lange Arbeitszeiten und hohe Verfügbarkeit. Da Frauen nach wie vor häufiger familiäre Verantwortung übernehmen, empfinden viele diesen Spagat als unattraktiv.

Frauen in Führung sind selten, es fehlt an Vorbildern und an Unterstützung auf dem Weg nach oben.

Henrike von Platen, CEO & Founder FPI Fair Pay Innovation Lab

5. Frauen verhandeln anders als Männer

Frauen fordern Gehaltserhöhungen nicht so aktiv ein wie Männer. Und sie verhandeln anders. Diese Erfahrungen hat Ljubow Strobel – Verhandlungstrainerin und Gründerin von Frau Verhandelt – gemacht. Lese in unserem Ratgeber, welche Tipps sie Frauen für die Gehaltsverhandlung gibt. Rechtlich gesehen, darf das Verhandlungsgeschick jedoch keinen Einfluss auf das Einstiegsgehalt haben.

Rechtsstreit 2023: Gehalt ist keine Verhandlungssache

Im Februar 2023 hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden, dass Arbeitgeber bei der Einstellung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit den gleichen Lohn zahlen müssen, unabhängig von der Gehaltsverhandlung. Damit wird oft genannten Argumenten widersprochen, dass Männer aufgrund ihres besseren Verhandlungsgeschicks ein höheres Gehalt verdienen. 

Anlass des Urteils war eine Klage einer Mitarbeiterin eines Metallunternehmens aufgrund ungleicher Bezahlung bei Arbeitsantritt. Obwohl ihr zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ein monatliches Gehalt von 3.500 Euro angeboten wurde, erhielten zwei männliche Kollegen deutlich höhere Gehälter. Der Arbeitgeber begründete den Unterschied mit dem besseren Verhandlungsgeschick des Mannes. Das Gericht entschied jedoch, dass dies eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts sei, und sprach der Klägerin einen entgangenen Lohn in Höhe von 14.500 Euro sowie eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 2000 Euro zu.

Was kann gegen die Lohnungleichheit getan werden?

Damit sich etwas ändert, an der Lohn- und Gehaltsungleichheit, ist vor allem eines wichtig: Die Ungleichheiten transparent machen. Die Regierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht. In Deutschland wurde 2017 das Entgelttransparenzgesetz eingeführt, in Österreich gibt es bereits seit 2011 eine Gleichstellungsnovelle und in der Schweiz die Charta für Equal Pay.

Doch nicht nur die Politik ist in der Pflicht, auch die Wirtschaft, glaubt Henrike von Platen:

Die Politik ist gefragt, Lohngerechtigkeit in der Wirtschaft durchzusetzen, und die Unternehmen sind gefragt, diese – ob mit oder ohne Gesetz – auch umzusetzen. Gerechte Bezahlung ist eine Frage der Unternehmenskultur. Zum Glück setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass klüger wirtschaftet, wer fair führt. Diverse Teams sind erwiesenermaßen wirtschaftlich erfolgreicher, und angesichts des Fachkräftemangels kann es sich in Zukunft kein Unternehmen mehr leisten, auf weibliche Talente zu verzichten.

Henrike von Platen, CEO & Founder FPI Fair Pay Innovation Lab

Für junge Frauen hat Henrike von Platen drei Tipps, um der Lohnungleichheit zu entkommen:

1. Augen auf bei der Berufswahl

Natürlich sollte man sich für einen Beruf entscheiden, der einem liegt und der einen interessiert. Es schadet jedoch nicht, sich im Vorfeld auch über die Gehaltsaussichten des Traumjobs zu informieren, zum Beispiel mithilfe des kununu Gehaltschecks. Denn: Je nach Branche zeigt der Gender Pay Gap erhebliche Unterschiede. Während zum Beispiel im „Finanzwesen“ Frauen in den ersten drei Berufsjahren 21 Prozent weniger verdienen als Männer, liegt der Gehaltsunterschied in der „öffentlichen Verwaltung“ nur bei knapp einem Prozent.

2. Augen auf bei der Partnerwahl

Es ist sehr hilfreich, die Wünsche an die eigene Karriere miteinander abzugleichen, bevor man sich fest bindet. Häufig ist es schwierig die Arbeit und das Privatleben „unter einen Hut“ zu bekommen. Bei unterschiedlichen Bedürfnissen nach Zweisamkeit oder in der Familienplanung leidet entweder die Beziehung oder der Karrierewunsch!

3. Augen auf bei der Arbeitgeberwahl

Es gibt immer mehr Unternehmen, die erkannt haben, wie wichtig Gehaltstransparenz und eine gendergerechte Bezahlung sind. Es lohnt sich, das neue Unternehmen vor diesem Gesichtspunkt abzuklopfen, bevor man sich für einen Job entscheidet.


Unternehmen, die klare Gehaltsspannen und objektive Kriterien für Beförderungen und Gehaltsanpassungen haben, minimieren das Risiko von Gehaltsdiskriminierung. Darüber hinaus spielen flexible Arbeitsmodelle, Teilzeit-Führungspositionen und eine gute Kinderbetreuung eine entscheidende Rolle dabei, die Gehaltsschere zu schließen.

Martina Ernst, Founder von FairEqualPay

Auf Unternehmensseite sieht Expertin Martina Ernst es auch als wichtig, Beförderungen und Gehaltserhöhungen anhand objektiver Kriterien zu fällen, statt nach subjektiver Meinung oder Zugehörigkeit zum „inner circle“. Auch verpflichtende Schulungen zu unbewussten Vorurteilen für Führungskräfte und HR-Teams wären ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung. Martina Ernst gibt hier weitere Tipps wie es uns gelingt, den Gender Pay Gap zu verkleinern.

Henrike von Platen

Henrike von Platen sieht sich selbst als Kosmopolitin, Wirtschaftsexpertin, FairPayistin, Publizistin und Kämpferin, denn Frauen und Geld – das gehört für sie unbedingt zusammen.

Die Zitate in diesem Artikel stammen aus einem Interview mit ihr für kununu. Hier geht’s zu Henrike von Platen.