Warum zählen die letzten Jahre vor der Rente mehr?
Zählen die letzten 5 Jahre vor der Rente mehr? Eigentlich nicht, denn im Hinblick auf die Rentenpunkte zählt in Deutschland jedes Berufsjahr gleich.
Trotzdem sind die letzten Jahre vor der Rente in vielen Fällen besonders wichtig: Hier erfährst du, wie sich Faktoren wie Arbeitszeit, Gehalt und bestimmte strategische Entscheidungen im Ruhestand bemerkbar machen.
Sind die letzten 5 Jahre vor der Rente besonders wichtig?
Viele Arbeitnehmer:innen glaube, dass die letzten Jahre vor der Rente mehr zählen. Das ist allerdings ein weit verbreiteter Mythos: Mathematisch gesehen hat jedes Berufsjahr dasselbe Gewicht für deine Rente.
Es gibt keinen magischen Booster, die die letzten fünf Jahre plötzlich höher bewertet als deine frühen Berufsjahre. Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland funktioniert über ein Punktesystem, bei dem jedes Jahr nach denselben Regeln berücksichtigt wird. Wie viel Rente du bekommst, hängt davon ab, wie viele Rentenpunkte du im Laufe deiner Karriere gesammelt hast.
Die eigene Rente optimieren
Trotzdem ist es relevant, was du in den letzten Jahren vor der Rente verdienst, denn viele Menschen erreichen in dieser Zeit den Höhepunkt ihres Einkommens. Mehr Gehalt bedeutet auch mehr Rentenpunkte: Du kannst deiner späteren Rente in den letzten Jahren vor dem Ruhestand durchaus nochmal einen kleinen Anstupser geben.
Ein Körnchen Wahrheit steckt also doch in der Aussage, dass die letzten Jahre vor der Rente besonders wichtig sind: Sie sind die letzte Chance, die eigene finanzielle Situation im Ruhestand zu optimieren. Auch wenn die Rentenhöhe nicht allein von diesen Jahren abhängt, können strategische Entscheidungen dann noch einiges verändern.
Preisfrage: Wie viel Prozent vom letzten Nettogehalt beträgt die Rente?
Eine Theorie, wie der Mythos über die letzten Jahre vor der Rente entstanden ist: Wahrscheinlich verwechseln viele Menschen die gesetzliche Rente mit der Beamtenpension. Bei Beamten spielen die letzten zwei Jahre tatsächlich eine besondere Rolle: Die Pension berechnet sich nämlich auf Basis des durchschnittlichen Bruttogehalts der letzten 24 Monate vor dem Ruhestand.
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung funktioniert das aber ganz anders. Wie viel Prozent Rente vom Gehalt du kriegen wirst, ist also für reguläre Angestellte die falsche Frage. Die Standardrente nach 45 Jahren Durchschnittsverdienst liegt in Deutschland bei rund 48 Prozent des aktuellen Durchschnittseinkommens (Sicherungsniveau vor Steuern). Das entspricht aber nicht automatisch 48 Prozent deines individuellen letzten Gehalts.
Die Berechnung der Rente in Deutschland
Um zu verstehen, warum die letzten Jahre praktisch irgendwie doch wichtig sind, schauen wir uns kurz an, wie die Rente in Deutschland überhaupt berechnet wird.
Die Rentenformel lautet:
Entgeltpunkte × Zugangsfaktor × aktueller Rentenwert × Rentenartfaktor = monatliche Rente
So sammelst du Renten- bzw. Entgeltpunkte
Wer in einem Jahr genau so viel verdient wie der Durchschnitt aller Versicherten, erhält einen Entgeltpunkt. Im Jahr 2025 liegt dieses Durchschnittsentgelt bei 50.493 Euro. Verdienst du mehr, bekommst du mehr als einen Punkt. Verdienst du weniger, sammelst du entsprechend weniger.
Ein Beispiel: Bei einem Jahresgehalt von 60.000 Euro erhältst du 2025 genau 1,19 Entgeltpunkte (60.000 ÷ 50.493 = 1,19).
Der aktuelle Rentenwert gibt an, wie viel ein Entgeltpunkt wert ist. Seit Juli 2025 liegt er bei 40,79 Euro. Das bedeutet: Für jeden gesammelten Rentenpunkt bekommst du später also 40,79 Euro monatliche Rente. Wenn du also in den letzten Jahren vor der Rente sehr gut verdienst, kannst du (relativ) schnell noch ein paar Extra-Entgeltpunkte sammeln.
Ein Beispiel für die Berechnung der Rente
Angenommen, du hast über dein gesamtes Berufsleben 45 Entgeltpunkte gesammelt. Dann berechnet sich deine monatliche Bruttorente so:
45 Punkte × 40,79 Euro = 1.835,55 Euro
Von diesem Betrag gehen noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und ggf. Steuern ab. Aber du siehst: Das System ist eigentlich ziemlich fair und nachvollziehbar.
Wichtig zu wissen: Die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze liegt im Jahr 2025 bei 8.050 Euro monatlich. Das ist die Obergrenze für die Rentenbeiträge. Auch wenn du mehr verdienst, erhältst du keine weiteren Punkte. Maximals kannst du also 1,91 Entgeltpunkte pro Jahr sammeln.
Warum die letzten Jahre vor der Rente wichtig sind
Prinzipiell hat also jedes Versicherungsjahr gleich viel Bedeutung. Trotzdem zählen die letzten Jahre vor der Rente in der Praxis manchmal besonders – und das hat drei Hauptgründe:
1. Höchstes Einkommen der Karriere
Wir haben es schon erwähnt: Die meisten Menschen verdienen in ihren letzten Berufsjahren am meisten, denn mit zunehmender Berufserfahrung steigt in der Regel auch das Gehalt. Das bringt nochmal ein paar Extra-Rentenpunkte. Eine Gehaltsverhandlung fünf Jahre vor Rentenbeginn kann sich also durchaus lohnen.
2. Vollzeit statt Teilzeit
Viele Menschen (leider noch immer vor allem Frauen) reduzieren ihre Arbeitszeit, wenn die Kinder klein sind. Später, wenn die Betreuung nicht mehr nötig ist, steigen sie wieder auf Vollzeit um. Das bedeutet, dass sie den letzten Jahren vor der Rente deutlich mehr verdienen als in den Jahrzehnten zuvor. Weil sie durch das höhere Gehalt mehr Punkte sammeln, steigt die Rente.
3. Strategische Entscheidungen
Die letzten Jahre vor der Rente sind auch deshalb so wichtig, weil du jetzt noch aktiv Einfluss nehmen kannst. Du kannst zum Beispiel Ausgleichszahlungen leisten, um Rentenabschläge bei früherem Renteneintritt auszugleichen. Du kannst dich entscheiden, länger zu arbeiten und dadurch einen Rentenzuschlag zu erhalten oder freiwillig in die Rentenkasse einzahlen, um Lücken zu schließen.
Teilzeit vor der Rente: Das kann teuer werden
Leider heißt das auch, dass die letzten Jahre vor der Rente deinen Schnitt noch nach unten ziehen können. Viele Menschen träumen davon, die letzten Jahre vor der Rente etwas kürzer zu treten. Nach Jahrzehnten im Berufsleben ist das nachvollziehbar.
Wer in den letzten Jahren vor der Rente in Teilzeit geht, verliert genau in der Phase, in der das Gehaltsniveau eigentlich am höchsten wäre, wertvolle Entgeltpunkte. Wenn du trotzdem deine Arbeitszeit reduzieren möchtest oder musst, gibt es einige Möglichkeiten, die negativen Auswirkungen abzufedern:
Altersteilzeit: Bei diesem Modell stockt der Arbeitgeber dein Gehalt auf, gleichzeitig zahlt er weiterhin Rentenbeiträge. Das mildert die Rentenverluste deutlich ab.
Ausgleichszahlungen: Du kannst freiwillige Beiträge an die Rentenversicherung zahlen, um die entgangenen Rentenpunkte auszugleichen.
Teilrente: Eine Kombination aus Teilzeitarbeit und Teilrente kann sich ab 63 Jahren lohnen. Dabei beziehst du einen Teil deiner Rente und arbeitest gleichzeitig weiter: Dadurch kriegst du Rente und sammelst gleichzeitig noch zusätzliche Rentenpunkte.
Hinweis zur Teilrente: Seit 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen bei Altersrenten weggefallen. In vielen Fällen lohnt sich heute die Kombination aus Vollrente und Weiterarbeiten. Eine Teilrente ist eher eine Option, wenn du bewusst nur einen Teil deiner Rente beziehen möchtest (z.B. aus steuerlichen oder persönlichen Gründen).
Aber was ist, wenn man kurz vor der Rente krank wird?
Eine längere Krankheit kurz vor dem geplanten Renteneintritt: für viele ein Alptraum-Szenario. Leider kann das wirklich kompliziert werden. Wenn du längere Zeit krankgeschrieben bist, zahlst du zwar weiterhin Rentenbeiträge (bis zu 78 Wochen gibt es Krankengeld), aber diese basieren auf einem reduzierten Einkommen.
Das Krankengeld beträgt nämlich nur etwa 70 Prozent deines Bruttogehalts und maximal 90 Prozent des Nettos. Entsprechend weniger Entgeltpunkte sammelst du in dieser Zeit. Noch kritischer wird es, wenn du nach dem Krankengeld in die Arbeitslosigkeit rutschst oder eine Erwerbsminderungsrente beantragen musst. Hier sind die Rentenpunkte ebenfalls niedriger als bei regulärer Arbeit.
Wenn du eine Erwerbsminderungsrente erhältst, werden dir die fehlenden Jahre immerhin bis zur Regelaltersgrenze als sogenannte „Zurechnungszeit“ angerechnet. Sobald absehbar ist, dass du aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zur Rente durchhältst, lass dich am besten von der Deutschen Rentenversicherung beraten.
So wirken sich die letzten 5 Jahre vor der Rente aus
Beispiel 1: Konstantes Gehalt über die gesamte Karriere
Person A hat 45 Jahre lang durchschnittlich verdient und jedes Jahr genau 1,0 Entgeltpunkte gesammelt.
- Ergebnis: 45 Punkte × 40,79 Euro = 1.835,55 Euro monatliche Rente
Beispiel 2: Teilzeit in den letzten 5 Jahren
Person B hat 40 Jahre lang durchschnittlich verdient (1,0 Punkte pro Jahr) und die letzten 5 Jahre in Teilzeit gearbeitet (0,6 Punkte pro Jahr).
- Rechnung: (40 × 1,0) + (5 × 0,6) = 40 + 3 = 43 Punkte
- Ergebnis: 43 Punkte × 40,79 Euro = 1.753,97 Euro monatliche Rente
Der Verlust gegenüber der Person, die durchgehend Vollzeit gearbeitet hat, beträgt also ganze 81,58 Euro pro Monat.
Beispiel 3: Gehaltssteigerung in den letzten 5 Jahren
Person C hat 40 Jahre lang etwas unterdurchschnittlich verdient (0,9 Punkte pro Jahr) und die letzten 5 Jahre überdurchschnittlich (1,4 Punkte pro Jahr).
- Rechnung: (40 × 0,9) + (5 × 1,4) = 36 + 7 = 43 Punkte
- Ergebnis: 43 Punkte × 40,79 Euro = 1.753,97 Euro monatliche Rente
Du siehst also: Die letzten Jahre vor der Rente haben definitiv das Potenzial, noch einmal etwas zu verändern.
Tipps: So optimierst du deine Rente in den letzten Jahren
Damit du die letzten Jahre vor deiner Rente noch richtig nutzt, haben wir hier die wichtigsten Maßnahmen für dich zusammengefasst:
Rentenauskunft anfordern: Ab 55 Jahren erhältst du alle drei Jahre automatisch eine Rentenauskunft. Aber du kannst sie auch jederzeit bei der Deutschen Rentenversicherung anfordern. Dort siehst du schwarz auf weiß, wie viele Entgeltpunkte du schon gesammelt hast.
Gehalt nachverhandeln: Überstunden, Bonuszahlungen und Gehaltserhöhungen schlagen sich direkt in höheren Rentenpunkten nieder. Gerade in den letzten Jahren kann das noch einen spürbaren Unterschied machen.
Teilzeit abwägen: Bevor du deine Arbeitszeit reduzierst, rechne dir aus, wie viel Rente du dadurch langfristig verlierst. Kannst du dir diesen Verlust leisten?
Altersteilzeit als Option prüfen: Altersteilzeit bietet oft bessere Konditionen als normale Teilzeit, weil der Arbeitgeber aufstockt. Frag bei deinem Arbeitgeber nach, ob es entsprechende Regelungen gibt.
Ausgleichszahlungen kalkulieren: Ab 50 kannst du Rentenabschläge ausgleichen. Lass dir von der Rentenversicherung ausrechnen, ob sich das für dich lohnt. Vor allem, wenn du früher in Rente gehen möchtest.
Länger arbeiten: Jedes Jahr, das du über dein reguläres Renteneintrittsalter hinaus arbeitest, bringt dir dauerhaft 6 Prozent mehr Rente. Bei guter Gesundheit kann sich das richtig lohnen.
Rentenlücken schließen: Hast du Lücken im Versicherungsverlauf? Freiwillige Beiträge können helfen, diese zu schließen. Die Frist für Nachzahlungen des Vorjahres endet jeweils am 31. März.
Fazit: Jedes Jahr zählt, nicht nur die letzten vor der Rente
Die Aussage, dass die letzten Jahre vor der Rente mehr zählen, ist ein Mythos – zumindest mathematisch. Die Rentenversicherung berücksichtigt jedes Jahr nach denselben Regeln, egal ob du 25 oder 60 Jahre alt bist.
Trotzdem sind die letzten Berufsjahre aus praktischen Gründen besonders wichtig. Viele Menschen verdienen dann mehr als vorher und haben vielleicht auch die Mittel, um mögliche Lücken aktiv zu schließen. Umgekehrt schlagen aber auch Teilzeit und krankheitsbedingte Ausfälle jetzt noch einmal sehr ins Gewicht.
Nicht alles, aber vieles hast du selbst in der Hand. Bei Unsicherheit lohnt sich immer ein Termin bei der Deutschen Rentenversicherung. Die Beratung ist kostenlos und hilft dir, die für dich beste Strategie zu finden.
FAQ: Die letzten Jahre vor der Rente
Die letzten Jahre werden nicht höher gewertet als andere Jahre, jedes Jahr zählt gleich viel für die Rente. Entscheidend sind die gesammelten Entgeltpunkte, die sich aus deinem Gehalt im Verhältnis zum Durchschnittsentgelt ergeben. Allerdings verdienen viele Menschen kurz vor der Rente am meisten, weshalb diese Jahre praktisch oft noch einen Unterschied machen.
Ja, Teilzeitarbeit führt zu einem niedrigeren Gehalt und damit zu weniger Entgeltpunkten. Wenn du zum Beispiel in Teilzeit 50 Prozent weniger verdienst, sammelst du auch nur etwa 50 Prozent der Rentenpunkte im Vergleich zur Vollzeit. Das reduziert deine spätere Rente entsprechend. Besonders kritisch ist Teilzeit kurz vor der Rente, wenn das Gehalt eigentlich am höchsten wäre und du noch einmal gut vorankommen könntest.
Du kannst deine Rente durch mehrere Maßnahmen erhöhen: Später in Rente gehen, Ausgleichszahlungen ab 50 Jahren leisten, freiwillige Beiträge zahlen oder Gehaltserhöhungen und Überstunden nutzen, um noch mehr Entgeltpunkte zu sammeln. Außerdem empfehlen wir dir dringend, dich mit dem Thema private Altersvorsorge zu beschäftigen.
Ja, in den meisten Fällen lohnt sich ein späterer Renteneintritt. Pro Monat Aufschub erhältst du 0,5 Prozent mehr Rente, das sind immerhin 6 Prozent pro Jahr. Zusätzlich sammelst du in dieser Zeit weiter Entgeltpunkte. Bei durchschnittlicher Lebenserwartung gleicht sich der anfängliche Verzicht meist nach einigen Jahren aus – zumindest, wenn du körperlich noch fit bist.
Eine pauschale Prozentzahl gibt es nicht, das Ganze ist sehr individuell. Als grobe Faustregel: Wer 45 Jahre lang durchschnittlich verdient hat, erhält etwa 48 Prozent seines letzten Bruttogehalts als Rente. Allerdings gehen davon noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie Steuern ab. Je höher dein Gehalt über dem Durchschnitt lag und je länger du eingezahlt hast, desto besser fällt deine Rente aus.
Wenn du kurz vor der Rente längere Zeit krank wirst, zahlst du während der Krankschreibung weiterhin Rentenbeiträge: allerdings nur auf Basis des Krankengeldes, das etwa 70 Prozent deines Bruttogehalts beträgt. Du sammelst deutlich weniger Entgeltpunkte als bei regulärer Arbeit. Nach 78 Wochen Krankengeld droht zudem der Übergang in Arbeitslosigkeit oder Erwerbsminderungsrente, was die Rentenpunkte weiter reduziert. Lass dich in diesem Fall frühzeitig bei der Deutschen Rentenversicherung beraten.