MeToo – Bedeutung, Entstehung & wie die Debatte das Arbeitsleben verändert hat
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Der Ausdruck "MeToo" wurde bereits 2006 zum ersten Mal von der Aktivistin Tarana Burke im sozialen Netzwerk MySpace verwendet, um auf sexuelle Übergriffe aufmerksam zu machen. Zu dem Ausspruch angeregt wurde Burke von der Geschichte eines 13-jährigen Mädchens, das bereits in jungen Jahren Missbrauchserfahrungen machen musste. Mehr als ein Jahrzehnt später ist "MeToo" die Basis für eine neue Bewegung gegen sexuelle Belästigung. Auf Twitter trendete der Hashtag #MeToo innerhalb weniger Stunden und verlieh Betroffenen auf der ganzen Welt eine Stimme.
Die Entstehung der MeToo-Bewegung
Anlass waren die Enthüllungen des Missbrauchsskandal um Medien-Mogul Harvey Weinstein im Jahr 2017. Hinter den Kulissen von Hollywoods Glanz und Glamour hatte der Filmproduzent Schauspielerinnen sexuell missbraucht. Eine der betroffenen Frauen, die Schauspielerin, Produzentin, Modedesignerin und Sängerin Alyssa Milano, rief Frauen auf der ganzen Welt dazu auf, mit dem Hashtag #MeToo auf das Ausmaß des Problems aufmerksam zu machen. Milano lud Frauen weltweit auf, ihre eigene Geschichten von sexueller Nötigung mit dem Hashtag zu teilen.
Milanos Idee, das Ausmaß der Problematik sexueller Belästigung sichtbar zu machen, erreichte eine große Anhängerschaft: Noch am selben Tag wurde der Hashtag mehr als 200.000 Mal auf Twitter verwendet; am Folgetag gab es bereits über eine halbe Million Tweets. Auf Facebook posteten innerhalb der ersten 24 Stunden 4,7 Millionen Benutzer:innen etwas zu #MeToo. Das Thema trendete nicht nur in westlichen Ländern, sondern beispielsweise auch in Pakistan und Indien. In einigen nicht englischsprachigen Ländern entwickelten sich lokalisierte Ausdrücke. Innerhalb kurzer Zeit wurde das Thema auch von den klassischen Medien aufgegriffen. Neben vielen, zum Teil prominenten, Frauen, öffneten sich auch immer mehr Männer und teilten persönliche Erfahrungen öffentlich. Die Botschaft war: Sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt passiert überall, es sind vor allem Frauen, aber durchaus auch Männer betroffen.
Vorläufer der MeToo-Bewegung auch in Deutschland
Nicht nur in den USA, auch in Deutschland gibt es eine Vorgeschichte zu MeToo. Im Jahr 2013 teilten Frauen mit dem Hashtag #Aufschrei ihre Erfahrungen mit Sexismus und sexistischen Übergriffen im Alltag. Losgetreten hatte das Thema die Journalistin Laura Himmelreich, die dem damaligen Spitzenkandidaten der FDP, Rainer Brüderle, sexuell übergriffiges Verhalten ihr gegenüber vorwarf. Bereits damals fand das Thema schnell den Weg in die öffentliche Diskussion in Deutschland, das Interesse flachte jedoch bald wieder ab.
MeToo am Arbeitsplatz
Natürlich macht Sexismus nicht vor dem Arbeitsplatz halt. Laut einer Umfrage der Brüsseler Stiftung Foundation for European Progressive Studies (FEPS) und ihrer französischen Partnerorganisation Fondation Jean-Jaurès haben rund 68 Prozent der Frauen in Deutschland mindestens einmal sexistisches Verhalten oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Dabei hat der Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeiter:innen eine Sorgfaltspflicht. Er ist also dazu verpflichtet, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern. Dazu zählen zum einen die Prävention und zum anderen Sanktionen und Maßnahmen bei konkreten Vorfällen. „In Unternehmen können sich sowohl die Geschäftsführung, als auch der Betriebsrat für die betroffenen Personen stark machen – Sensibilisierung und Aufklärung, Einrichtung einer Beschwerdestelle, Betriebsvereinbarungen“, erklärt Eva Haberkern, Psychologin und Expertin für Diversity und Gesundheit bei CAIDAO. Von sich aus bieten allerdings nur wenige Unternehmen einen offiziellen Lösungsweg an. Daher ist es umso wichtiger, dass du deinen Arbeitgeber auf konkrete Fälle von sexueller Belästigung hinweist, und so ein Bewusstsein dafür schaffst.
"Es wird in Abteilungen zugelassen, dass ArbeitnehmerInnen sexuell belästigt werden, psychisch belastet werden und von Vorgesetzten gemobbt werden. Da muss sich einfach was ändern."
Was hat die öffentliche Diskussion um MeToo gebracht?
Die MeToo-Bewegung hat zunächst vor allem breite öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt im Alltag geschaffen. Kurz nachdem der Hashtag zum ersten Mal verwendet wurde, posteten Männer unter #HowWillIChange ihre Pläne, wie sie im Alltag zu besseren Unterstützern von Frauen werden können.
Die Aufmerksamkeit für das Thema und die gestiegene Bereitschaft Betroffener, sich preiszugeben, hat dazu beigetragen, dass nach und nach immer weitere traurige prominente Fälle ans Tageslicht gebracht wurden und werden.
Einige Beispiele:
- Der US-Schauspieler Kevin Spacey, dem sexuelle Übergriffe gegen männliche Schauspieler vorgeworfen wird.
- Der Comedian Bill Cosby, der verurteilt wurde, nachdem er von mehr als 60 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde. Das Urteil wurde zwischenzeitlich aufgehoben, obwohl die Vorwürfe gegen Cosby als erwiesen gelten.
- Der US-amerikanische Investmentbanker und Multimilliardär Jeffrey Epstein, der 2019 angeklagt wurde, einen Ring zur sexuellen Ausbeutung Minderjähriger aufgebaut zu haben. Epstein wurde vor dem Gerichtsurteil tot in seiner New Yorker Gefängniszelle aufgefunden. Der Skandal um ihn weitete sich aus auf weitere prominente Männer, unter anderem den britischen Prinz Andrew.
- Der US-Musiker R. Kelly wurde unter anderem wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Dass immer mehr Fälle ans Licht kommen und Täter bestraft werden, kann jedoch nur als allererster Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. Damit in Zukunft weniger MeToo-Fälle geschehen, muss ein Wandel in der Gesellschaft stattfinden. Männer und Frauen haben die gleichen Rechte und kein Geschlecht ist in der Position, Macht über das andere auszuüben: Um dieses Bewusstsein geht es, im Alltag sowie am Arbeitsplatz.
Übrigens: Ab wann ist ein dummer Spruch sexuelle Belästigung? Was kannst du tun, wenn du oder Kolleg:innen betroffen sind? Welche Strafen sieht das Arbeitsrecht bei sexueller Belästigung vor? Wir haben alles Wissenswerte über Sexismus am Arbeitsplatz für dich zusammengefasst.
Dr. Bettina Palazzo, Expertin für Unternehmensethik und Gründerin von Palazzo Ethics Advisory: „Der Hashtag #MeToo war der große Wake-up Call in Sachen sexueller Belästigung. Davor dachten alle, dass sowas zwar vorkommt, aber eher ein bedauerlicher Einzelfall ist. Dank MeToo wurde klar, dass es ein systemisches Problem ist. Es hat nichts mit ungeschicktem Flirten zu tun, sondern ist ein Instrument des Machmissbrauchs, das Frauen klein hält.“
Frauen wollen sich wohl und sicher fühlen am Arbeitsplatz und seit MeToo ist immer mehr Frauen bewusst, dass sie auch ein Recht darauf haben. Unternehmen, die Vielfalt und Offenheit fördern und ein Arbeitsumfeld bieten, in dem sich niemand zu verstellen braucht, haben in Zeiten von Fachkräftemangel einen Vorteil. Aus Sicht von Palazzo tut sich bei vielen Unternehmen dennoch zu wenig zu langsam: „Die Lernkurve der Unternehmen ist immer noch recht flach und ich beobachte vor allem eine Haltung der Risikobegrenzung. Sexuelle Belästigung darf nicht länger als ein "Frauenproblem" gesehen werden! Die wahren Kosten, die sexuelle Belästigung einem Unternehmen verursachen kann, werden leider immer noch grob unterschätzt: Verlust an (weiblichem) Talent, Fehlzeiten, vergiftetes Klima für alle summieren sich auf echte Kosten.“ Die Expertin rät Unternehmen zu einer Mischung aus Respekt, klaren Regeln und einem internen Meldesystem:
„Wenn ein Unternehmen von Anfang an klar macht, dass ein respektvoller Umgang für alle wichtig ist und Verstöße Folgen haben, ist das ein Booster für die Schaffung einer motivierenden Fairness-Kultur und wird sich unter anderem auf die Gewinnung von (weiblichen)Talenten auswirken. Neben klaren Werten und Regeln muss ein Meldesystem geschaffen werden, das den Frauen ermöglicht, auch informell Rat einzuholen und das die Frauen beschützt.”
letztes Update: 04. Juli 2022