Karrierechancen für Langzeitstudierende: Bewerbungstipps

Langzeitstudent:innen finden nie einen Job. So lautet das Klischee. Wir geben schon jetzt Entwarnung, denn das stimmt natürlich nicht. Dennoch solltest du deine lange Studienzeit im Bewerbungsprozess gut erklären können. Wir geben dir hierfür Tipps und klären unter anderem auch, welche Karrieremöglichkeiten dir als Langzeitstudierende:r offen stehen.

Ab wann gilt man als Langzeitstudent:in?

Erstabsolvent:innen eines Studiums brauchen durchschnittlich 8,1 Semester und sind zum Zeitpunkt ihres Abschlusses im Durchschnitt etwa 23,6 Jahre alt. Die meisten Bachelor-Studiengänge setzen eine Regelstudienzeit von sechs Semestern an - mit zwei Semestern mehr scheinst du im Vergleich mit deinen Studienkolleg:innen trotzdem noch immer perfekt in der Zeit zu liegen. Aber wann gilt man nun als Langzeitstudent:in, wenn schon die durchschnittliche Studiendauer länger ist als die, die von den Universitäten und Fachhochschulen (FH) angesetzt wurde?

Tatsächlich gibt es hierfür keine klare oder allgemein gültige Definition. Du kannst dich aber zum Beispiel an den Einschätzungen einiger Universitäten und Bundesländer orientieren. Das Land Niedersachsen erhebt beispielsweise ab dem Ablauf der Regelstudienzeit und weiteren sechs Semestern Langzeitstudiengebühren. In saarländischen Unis musst du schon nach vier zusätzlichen Semestern erhöhte Gebühren zahlen. Darauf basierend kannst du vermutlich davon ausgehen, dass ein deutliches Überschreiten der durchschnittlichen Studiendauer um mehr als sechs Semester potenzielle Arbeitgeber beim Sichten deines Lebenslaufes zumindest etwas hellhörig werden lässt.

Für diese Studiengänge braucht man am längsten

Im Zuge der Bologna-Reform 1999 wurde an den meisten europäischen Universitäten und FHs das Bachelor-Master-System eingeführt. Studiengänge wie beispielsweise Betriebswirtschaftslehre, Psychologie oder Marketing sind in dieses System eingebettet. Meistens setzen die Lehranstalten hier sechs Semester für das Bachelor-Studium und vier weitere Semester für das aufbauende Master-Studium an.

Anders sieht es bei Studiengängen aus, die du mit einem Doktorat oder einem Diplom abschließt. Dazu gehören Humanmedizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Jura oder teilweise Pharmazie. Ein Medizin-Studium dauert je nach Fachdisziplin ungefähr zwischen fünf und sechs Jahren - mindestens, denn ein deutliches Überschreiten dieser Studienzeit ist natürlich möglich. Du möchtest stattdessen Jura studieren? Auch hier musst du dir ziemlich lang Zeit nehmen. Das Grundstudium dauert vier Semester, das Hauptstudium inklusive erstem Staatsexamen etwa fünf. Bis du dann dein Referendariat und dein zweites Staatsexamen absolviert hast, vergehen mindestens weitere zwei Jahre.

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Wie lang du tatsächlich für deinen Studienabschluss brauchst, wird von einigen individuellen Faktoren beeinflusst. Darunter fallen:

  • Berufliche Verpflichtungen
  • Studienwechsel
  • Wiederholung nicht bestandener Prüfungen
  • Erkrankungen oder persönliche Schicksalsschläge
  • Qualität der Lehre an deiner Universität oder Fachhochschule
  • Berufsbegleitendes oder hauptberufliches Studium

Stellen Arbeitgeber Langzeitstudierende ein?

Du hast zehn statt fünf Jahre für ein Bachelor- und Master-Studium gebraucht. Hast du damit überhaupt noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Ja, klar! Du kannst zwar davon ausgehen, dass so manches Unternehmen deine lange Studiendauer im Lebenslauf sieht und deine Motivation und Disziplin erstmal anzweifelt. Gleichzeitig achten Personaler:innen eher auf die Kombination deiner Fähigkeiten und beruflichen Qualifikationen. Für sie spielt eine große Rolle, ob du neben deinem Studium berufstätig warst und praktische Erfahrung sammeln konntest. Des Weiteren interessieren sich HR-Mitarbeiter:innen für deine im Studium oder in privaten Kursen erworbenen Kompetenzen.

Diese möglichen Vorteile finden Arbeitgeber in Langzeitstudierenden

  • Du bringst aus dem Studium viel theoretisches Vorwissen mit.
  • Du hast schon umfassende Berufserfahrung.
  • Du hast gezeigt, dass du dein Studium trotz widriger Umstände bis zum Abschluss durchziehen kannst.
  • Du konntest die Zeit zur Selbstreflexion nutzen und weißt, wo du beruflich hin möchtest.

Diese Karrieremöglichkeiten stehen dir mit langem Studium offen

Als Langzeitstudent:in hast du prinzipiell dieselben Karrieremöglichkeiten wie deine Studienkolleg:innen, die ihren Abschluss in kürzerer Zeit erlangt haben. Deine Bewerbungschancen könnten nur etwas schlechter stehen, sodass manche Unternehmen deine Unterlagen schon vor einem Vorstellungsgespräch nicht mehr berücksichtigen wollen.

Es hängt also ganz stark davon ab, wo du im Job hin möchtest. Siehst du dich tatsächlich in dem Fachbereich deines Studiums oder hast du den Abschluss hinausgezögert, weil dir dieser eben keinen Spaß macht? Daran solltest du deine beruflichen Ambitionen unbedingt anpassen, um deine Arbeitszufriedenheit langfristig zu erhöhen.

Mögliche Fachbereiche für Langzeitstudierende

  • Gesundheit und Soziales
  • Verwaltung und Öffentlicher Dienst
  • IT und Technologie
  • Kunst und Kultur
  • Ingenieurswissenschaften
  • Bildung
  • Recht und Rechtsberatung
  • u.v.m.

Klingt ja alles schön und gut, aber du hast lange studiert, weil du dich an der Uni so wohlfühlst? Dann kommt für dich vielleicht die Fortsetzung deiner akademischen Laufbahn infrage. Nach deinem Master kannst du noch ein Doktorat anhängen oder dich nach dem Abschluss des Medizinstudiums für eine Karriere in der wissenschaftlichen Forschung an der Uni entscheiden. Nicht-akademische Weiterbildungen oder Praktika könnten für dich ebenso eine Option sein, bevor du so richtig ins Berufsleben startest. Diese können dir hinsichtlich deiner Karriere nochmals Türen öffnen.

Bewerbungstipps für Langzeitstudierende: So bekommst du den Job trotzdem

Mittlerweile weißt du: Langzeitstudentinnen und -studenten können im Beruf genauso erfolgreich werden wie alle anderen. Aber was, wenn du dich konkret für eine Stelle in einem beliebten Unternehmen interessierst und den Job unbedingt haben willst? Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn deine Konkurrenz groß ist und diese sehr hohe Qualifikationen vorweisen kann.

Anschreiben und Lebenslauf

In diesem Fall muss deine Bewerbung punkten - und sollte unter Umständen eine erste Erklärung für deine lange Studienzeit beinhalten. Was gehört unbedingt in dein Anschreiben und deinen Lebenslauf?

Lebenslauf: Tipps für Langzeitstudierende

  1. Führe deine berufliche Erfahrung an und erkläre deine wichtigsten Aufgaben und Kompetenzen pro Station in ein bis zwei Sätzen. Das verdeutlicht deine praktischen Kenntnisse und hebt dich im Vergleich zur Konkurrenz ab.
  2. Erwähne deine Zusatzqualifikationen und passenden Fähigkeiten früh, um diese hervorzuheben.
  3. Außerdem kannst du dein Fachwissen aus dem Studium in wenigen Schlagworten zusammenfassen.
  4. Verschweige oder leugne deine lange Studiendauer im Lebenslauf keinesfalls. Das kann - wenn diese irgendwann doch herauskommt - zum Nachteil werden.

Im Anschreiben hast du die Möglichkeit, dich ausführlicher zu erklären und dein berufliches Gesamtprofil klarer zu skizzieren. Deshalb ist es für Langzeitstudierende empfehlenswert, nicht einfach nur einen Lebenslauf an ein Unternehmen zu schicken. Aber was gehört nun in dein überzeugendes Anschreiben?

Anschreiben: Wie du überzeugst

  1. Hebe deine berufliche Erfahrung und Kompetenz weiter hervor. Mach deutlich, warum genau du mit deinem fachlichen Hintergrund passend für das Unternehmen bist.
  2. Erkläre deinem potenziellen Arbeitgeber, wo deine Stärken liegen und wo du dich im Job künftig siehst.
  3. Gehe optional kurz auf deine lange Studiendauer ein, erwähne die Gründe dafür oder zeige auf, welche Qualifikationen du in dieser Zeit abseits deines Studiums erworben hast.

Vorstellungsgespräch

Juhu, du hast den ersten Schritt geschafft und eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch erhalten. Jetzt heißt es: Gut vorbereiten! Schließlich kann es sein, dass die Personaler:innen dich nach den Ursachen fragen, warum du die Regelstudienzeit so stark überschritten hast. Das sind mögliche Fragen, auf die du eine passende Antwort parat haben solltest - auch, wenn du das Thema nicht selbst aktiv ansprechen möchtest:

  • Warum hat dein Studium so viel Zeit in Anspruch genommen? Was waren deine größten Herausforderungen? Was hätte dir geholfen, schneller abzuschließen?
  • Würdest du dasselbe Fach nochmal studieren? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso nicht?
  • Wo möchtest du beruflich hin? Was sind deine Prioritäten?

Entscheidest du dich stattdessen selbst dafür, deine Studienzeit anzusprechen, bist du bei der Nennung der Ursachen etwas freier. Du musst nicht darauf warten, was du dazu gefragt wirst, sondern kannst Akzente setzen, gewisse Dinge hervorheben und dich ins rechte Licht rücken.

Übrigens: Du musst natürlich nicht auf private Gründe eingehen, die dein Studium verlängert haben. Sofern dein:e Gesprächspartner:in vertrauenswürdig ist, kannst du diese jedoch ohne die Nennung tatsächlicher Details anreißen. Immerhin seid ihr beide nur Menschen und dein Gegenüber hatte früher vielleicht mit den selben Problemen zu kämpfen. Das schafft Verbundenheit und kann das ausschlaggebende Quäntchen sein, das du für eine Zusage benötigst.

Letztes Update: 12. Februar 2024