Ist es klug, mit seinen Mitarbeitern befreundet zu sein?

Du bist gerade neu in deiner Führungsposition oder leitest ein neues Team? Du möchtest gute Stimmung schaffen oder verstehst dich einfach blendend mit allen und würdest das gerne ausbauen? Schon stellt sich die Frage: Ist es sinnvoll, als Chef mit den Mitarbeitern befreundet zu sein oder sein zu wollen?

In den meisten Fällen ist die Frage, ob und wie privat man mit seinem Team werden will, eine Frage der Grenzen. Welche Art von Führungskraft möchtest du sein? In welcher Branche arbeitest du und wie ist die Firmenpolitik? Spricht man sich per Du an oder wird generell gesiezt? Gerade in traditionelleren Unternehmen ist schon der Wechsel zum persönlichen Du häufig ein Sprung ins Unbehagen und mit der Sorge verbunden, Autorität einzubüßen. Wer seine Grenzen beharrlich wahrt, stark rationalisiert und rein neutral sachlich mit Mitarbeitern umgeht, läuft Gefahr, dass sich der Mitarbeiter eher als Sache, anstatt als Mensch wahrgenommen fühlt. Als guter Vorgesetzter kennst du deine Mitarbeiter, ihre Stärken und Schwächen und private Sorgen. Schließlich hat all das Einfluss auf ihre Arbeitsleistung. Aber wie involviert solltest du persönlich sein?

Was kann passieren, wenn du mit deinen Mitarbeitern privat befreundet bist?

Der Dynamik im Team schadet es ganz sicher nicht, wenn ihr Gemeinsamkeiten feststellt und die Sympathie füreinander größer wird. Ebenso wenig, wenn du Emotionalität zeigst und gezielt Privates von dir preisgibst. Dein Team soll dich ja auch als Mensch kennen und schätzen lernen. Allerdings ist für dich als Vorgesetzter entscheidend, ob du die Barriere der freundschaftlichen Ebene überschreiten möchtest. Na klar, wenn eine natürliche Freundschaft entsteht, bringt es nichts, aktiv dagegen zu arbeiten. Über die möglichen Konsequenzen und den Einfluss auf dein Team solltest du dir trotzdem bewusst sein.

Was es zu bedenken gilt:

1.Eine Ungleichverteilung von Aufmerksamkeit kann Neid und Eifersucht im Team verursachen

Verstehst du dich als Chef mit einem Teammitglied besonders gut, kann das zu Neid und Eifersucht bei den restlichen Mitarbeitern führen. Für sie ist nämlich nicht ersichtlich, welche Informationen ihr miteinander teilt. So schwebt automatisch die Sorge über Bevorzugung und Benachteiligung im Raum. Dabei hilft deutliche Grenzen zu ziehen und deine professionelle Rolle von deiner privaten Beziehung zu trennen. Interna und Informationen über andere Teammitglieder haben in Gesprächen mit deiner Bezugsperson aus dem Team nichts zu suchen. Frontenbildung solltest du so gut es geht vermeiden. Das Rest-Team stellt schlussendlich deine Entscheidungen und Autorität infrage. Offener Austausch wird nicht mehr möglich und es kann sein, dass die Teamdynamik kippt. Im besten Fall bist du völlig transparent über deine engere Verbindung und legst offen, dass du dir um die Gratwanderung bewusst bist und gerne mit allen im offenen Austausch bleiben möchtest.



2. Du musst auch Konflikte lösen und negative Nachrichten überbringen

Solange alles gut läuft, überwiegen die Vorteile einer engen Freundschaft am Arbeitsplatz. Allerdings hast du als Vorgesetzter auch die Aufgabe, gegebenenfalls schlechte Nachrichten zu überbringen. Schwierig vor allem dann, wenn die Stelle deines Freundes wegrationalisiert wird oder die Arbeitsleistung zu wünschen übrig lässt. Schwierig wird es auch dann, wenn Beförderungen anstehen und du einen Interessenskonflikt vermeiden willst. In den meisten Fällen hilft es hier, eine klare Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen.

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3. Die Machtpositionen verändern sich, wenn du mit deinen Mitarbeitern befreundet bist

Eine aktuelle Studie der Washington University hat herausgefunden, dass Mitarbeiter weniger effizient arbeiten, wenn sie mit dem Chef eng verbunden sind. Chefs hingegen neigen dazu, weniger schnell auf berufliche Anliegen zu reagieren.[1]  Das könnte unter anderem daran liegen, dass das Bedürfnis vor dem Vorgesetzten gut dazustehen und gemocht zu werden, niedriger ist, wenn man bereits mit ihm befreundet ist. Womöglich liegt es auch daran, Autorität und Dringlichkeit bei der Verteilung von Aufgaben anders einzuschätzen, wenn man die Person privat kennt. Hier kann es helfen, die Position aus der du aktuell zu deinem Freund sprichst, zu benennen: „Ich spreche jetzt rein als Vorgesetzter zu dir…“ um den Rahmen der Situation deutlich zu machen.



4. Es gibt das Hilfs-Sheriff-Syndrom

Wer besonders eng mit dir als Vorgesetztem umgeht und auch privat Dinge über dich weiß, nimmt automatisch eine andere Position im Team ein und sieht sich häufig als Vermittler zwischen dir und dem Rest. In unbewussten Momenten avancieren solche Mitarbeiter gerne zu Hilfs-Sheriffs und versuchen deine Entscheidungen vor dem Team zu rechtfertigen oder zu erklären. In den meisten Fällen, führt auch das zu einer Frontenbildung und stört die Teamdynamik. Du selbst gerätst damit unweigerlich in eine unschöne Position, schließlich willst du weder deinen Freund zurechtweisen noch wie jemand dastehen, der einen Hilfs-Sheriff braucht. Idealerweise schaffst du es vorab, keine Bevorzugung entstehen zu lassen, aus der heraus sich jemand ermächtigt fühlt, die Rolle des Zwischenchefs zu übernehmen.

Entscheidend ist also das richtige Verhältnis zwischen Einfühlungsvermögen und notwendiger Autorität. Als guter Chef schaffst du es, ausgewogen, fair, gerecht und kompetent zu handeln und aus deiner Beobachterposition heraus das Team zu führen. Stärken und Schwächen deiner Mitarbeiter werden so verteilt, dass die Produktivität des Teams steigt und die Gesprächskultur offen und aufgeschlossen ist. Wenn dir der Switch zwischen Arbeits- und Privatleben leicht fällt und du die Grenzen wahren kannst, spricht nichts dagegen, Freundschaften aus zu leben. Es gibt jedoch zahlreiche Stolperfallen und der große Einfluss kleiner Entscheidungen auf die Gruppendynamik muss dir bewusst sein.

Wie eng du schlussendlich mit deinen Mitarbeitern umgehen möchtest und kannst und ob du als Chef mit deinen Mitarbeitern befreundet sein willst, musst du am Ende für dich selbst beantworten.

Quelle:

[1]  Journal of Applied Psychology, 104(1), 34–51.