
Fake it till you make it: Funktioniert das im Job?
„Fake it till you make it“ – auf diesen Spruch stößt man im Berufsleben immer wieder. Er suggeriert, dass man sich im Job selbstbewusst und kompetent geben sollte. Auch dann, wenn man eigentlich unsicher ist. Bringt dich diese Strategie tatsächlich zum Erfolg oder handelt es sich hierbei um eine gefährliche Illusion?
Wir werfen mit dir einen kritischen Blick auf die Psychologie hinter „Fake it till you make it“ und beleuchten die Vor- und Nachteile des vermeintlichen Karriere-Boosters.
Die Psychologie dahinter: Worauf „Fake it till you make it“ basiert
„Fake it till you make it“ fußt auf der Idee, dass unser Verhalten unser Denken beeinflussen kann. Diese Theorie wird durch verschiedene psychologische Modelle gestützt. Ein zentrales Konzept ist die Selbstwahrnehmungstheorie von Daryl Bem, die besagt, dass Menschen sich durch ihr Verhalten selbst besser kennenlernen. Wenn du also so tust, als wärst du selbstbewusst, dann wirst du mit der Zeit auch in deinen eigenen Augen selbstbewusster wirken. Der Glaube an eine positive Veränderung kann dann im Laufe der Zeit aufgrund eines psychologischen Placebo-Effekts dazu führen, dass sich dein Zustand tatsächlich verändert. Wenn du glaubst, dass du selbstbewusster und kompetenter bist, wirst du mit größerer Wahrscheinlichkeit tatsächlich so handeln und von anderen auch so wahrgenommen werden.
Daraus entsteht eine Wechselwirkung. Du bist so überzeugt, selbstbewusst zu sein, dass du es sogar anderen glaubhaft machen kannst. So gewinnst du soziales Kapital und sicherst dir berufliche Vorteile wie eine Beförderung oder das Vertrauen deiner Vorgesetzten in wichtigen Projekten. Das Problem dabei? Das soziale Kapital existiert eigentlich gar nicht – ein fragiles Kartenhaus, das jederzeit in sich zusammenbrechen kann.
Selbstvertrauen durch Verhalten: Wie unser (körperliches) Auftreten unser Denken beeinflusst
Es ist und bleibt paradox: Nicht nur das Denken beeinflusst das Verhalten, sondern auch das Verhalten beeinflusst unser Denken. Eine Theorie aus der Verhaltenspsychologie besagt beispielsweise, dass durch bestimmte Verhaltensweisen – etwa eine aufrechte Körperhaltung, ein fester Händedruck oder intensiver Augenkontakt – das eigene Selbstbewusstsein gestärkt werden kann.
Wenn du dich selbstbewusst verhältst, steigert sich auch dein tatsächliches Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dies kann insbesondere in Situationen helfen, in denen du dich noch nicht sicher fühlst. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse wollte man sich Anfang der 2010er Jahre im Vertrieb zunutze machen. Damals stellte eine Gruppe an Forscher:innen rund um Amy Cuddy, Psychologin an der Harvard Business School, die Theorie eines positiven Effekts der Power Pose auf die Sales-Aktivitäten von Arbeitnehmer:innen im Vertrieb fest. Bei der Power Pose stellen sich Menschen breitbeinig und mit Händen in der Hüfte hin und wollen so besonders selbstsicher wirken.
Die Erkenntnisse der damaligen Studie konnten in keiner weiteren Studie repliziert werden. Mittlerweile geht man also nicht mehr davon aus, dass die Power Pose einen positiven Effekt auf den beruflichen Erfolg hat. Gleichzeitig stellte in der Zwischenzeit jedoch die Universität Witten/Herdecke fest, dass sich zusammengekrümmte Körperhaltungen im schlimmsten Fall negativ auf die Karriere einer Person auswirken können.
Neuroplastizität: Kann sich unser Gehirn an falsches Selbstbewusstsein gewöhnen?
Wer die Strategie „Fake it till you make it“ verfolgt, riskiert jederzeit aufzufliegen. Daran könntest du sogar selbst schuld sein. Denn ständige Selbsttäuschung könnte zu einer inneren Kluft zwischen deinem tatsächlichen Selbstbild und dem, was du nach außen hin präsentierst, führen. Dies wiederum könnte in dir ein Gefühl der Selbstentfremdung, Überforderung oder Unsicherheit auslösen und sich sogar in einer ernsthaften psychischen Erkrankung – wie dem Impostor-Syndrom oder sogar Depressionen – äußern.
Noch unsicherer durch das Vortäuschen von Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften? Durchaus möglich.
Das Impostor-Syndrom beschreibt die Angst, von anderen als Betrüger:in entlarvt zu werden, obwohl man objektiv gesehen gute Leistungen erbringt. Wer sich immer wieder selbst als besonders kompetent darstellt, ohne wirklich daran zu glauben, könnte sich noch mehr in diese Falle begeben. Je mehr du vorgibst, etwas zu können, desto stärker könnte das Gefühl werden, dass du in Wahrheit keine Ahnung hast und bald durchschaut wirst.
Betroffene dieses Syndroms fühlen sich unwohl und glauben, ihren Erfolg nicht wirklich verdient zu haben. Wenn sie dann auch noch die ganze Zeit versuchen, ein Bild von Selbstsicherheit und Kompetenz aufrechtzuerhalten, ohne diese wirklich zu fühlen, kann dies das Gefühl der inneren Unzulänglichkeit weiter verstärken.
Stress & psychische Belastung: Kann ständiges „Fake it“ langfristig schaden?
Nicht bei jeder Person müssen die möglichen negativen Folgen von „Fake it till you make it“ zum Tragen kommen. Deine Neuroplastizität – die Fähigkeit des Gehirns, sich an neue Erfahrungen und Verhaltensweisen anzupassen – spielt hier eine Schlüsselrolle.
Wenn du dich über längere Zeit als „bessere“ Version deiner selbst vor Kolleg:innen, Kund:innen oder deiner Führungskraft darstellst, obwohl du dich vielleicht nicht so fühlst, kann dein Gehirn beginnen, dieses Verhalten als normal anzusehen. Im besten Fall passt sich dein Gehirn so an, dass du mit der Zeit wirklich selbstbewusster, mutiger o.Ä. wirst. Was davon wirklich eintritt, kannst du aber kaum mit Sicherheit einschätzen.
Überlege also genau, ob du das Risiko wirklich eingehen willst. Versuchst du ständig, dich anders darzustellen, ohne dich wirklich so zu fühlen, gerätst du womöglich in einen Zustand innerer Zerrissenheit. Dies führt nicht nur zu hohem Stress, sondern kann auch langfristig zu psychischen Problemen wie Angststörungen oder Depressionen führen. Bemerkst du, dass es dir aufgrund des Vorspielens falscher Tatsachen schlechter geht, such dir unbedingt professionelle Hilfe durch eine:n Psycholog:in!
Gefahr der Selbstüberschätzung: Wann fake Verhalten im Job strafrechtlich relevant wird
„Fake it till you make it“ hat nicht nur Auswirkungen auf dich selbst. Das solltest du dir immer wieder vor Augen führen. Überschätzt du im Beruf deine tatsächlichen Fähigkeiten, kann das schnell zur realen Gefahr für dich und weitere Beteiligte werden.
Wer zu lange vorgibt, mehr zu wissen, als er tatsächlich tut, riskiert nicht nur seine eigene Karriere, sondern auch das Vertrauen der Kolleg:innen und Führungskräfte. Nicht nur in Branchen wie der Medizin, im Ingenieurwesen oder der Finanzwelt könnte diese Strategie sehr schnell problematisch werden. Kann dir nachgewiesen werden, dass du am Arbeitsplatz bewusst falsche Tatsachen vorgespielt hast, könnte das sogar strafrechtlich relevant werden und unter Betrug oder Täuschung fallen.
Unser Tipp: Im Job einmal nicht weiter zu wissen, ist keine Schande. Frag deine Vorgesetzte:n oder Kolleg:innen um Rat und/oder bilde dich aktiv in deinen Lernfeldern weiter. So bleibst du stets auf der sicheren Seite und kannst Fehler mit schlimmen Folgen vermeiden.
Ein echter Balanceakt zwischen Selbstbewusstsein und Authentizität
Ja, definitiv: „Fake it till you make it“ kann in gewissen Momenten durchaus hilfreich sein. Immerhin hast du damit die Chance, mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und berufliche Hürden zu überwinden. Manchmal reicht es auch schon als kleiner Zeitvorteil, um dir in der Zwischenzeit die notwendigen Fähigkeiten aktiv anzueignen.
Achte immer darauf, die nötige Balance zu wahren. Gibst du zu oft vor etwas zu sein, das du nicht bist, riskierst du deine psychische Gesundheit. Bleib also lieber authentisch und arbeite – womöglich mit professioneller Hilfe – an deinen Schwächen.
Dein Weg zum beruflichen Erfolg führt nicht über eine Fassade, sondern über echte Kompetenz und kontinuierliche Weiterentwicklung.