Arbeitnehmerüberlassung: Die wichtigsten Infos für Arbeitnehmer:innen
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Die Arbeitnehmerüberlassung ist für viele Unternehmen spannend, die kurzfristig mehr Mitarbeiter:innen brauchen, aber diese nicht direkt fest anstellen wollen. Nun ja - das klingt erstmal so, als gäbe es für dich als Arbeitnehmer:in hier so gar keine Vorteile. Doch die Arbeitnehmerüberlassung kann ganz im Gegensatz zum ersten Eindruck sogar zum Karrieresprungbrett werden.
Welche Vorteile - aber auch Nachteile - mit dieser Anstellungsart für dich entstehen, welche Rechte und Pflichten du dabei hast und worauf du bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag unbedingt achten solltest: Das alles schauen wir uns jetzt mit dir gemeinsam etwas näher an.
Definition: Was ist eine Arbeitnehmerüberlassung?
Bei einer Arbeitnehmerüberlassung (kurz: ANÜ oder AÜ) werden Arbeitnehmer:innen über eine Personalagentur oder Leiharbeitsfirma eingestellt und an deren Kundenunternehmen auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt ausgeliehen. Deshalb spricht man bei der Arbeitnehmerüberlassung auch gern von Leih- oder Zeitarbeit
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag: Das gilt es zu beachten
Du bist als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer in einer ANÜ nicht direkt beim Kundenunternehmen angestellt. Stattdessen hast du einen Vertrag bei einer zwischengeschalteten Firma - meist eine Personalagentur oder ein Leiharbeitsunternehmen. Diese muss eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besitzen und agiert formal als dein Arbeitgeber. Im eigentlichen Sinne bist du jedoch für den Kunden oder die Kundin tätig, die deine Arbeitskraft entleihen.
Diese Situation führt zu einem sogenannten Dreiecksverhältnis aus Arbeitnehmer:in, Verleihunternehmen (Personaldienstleister) und Entleihunternehmen (Kund:in). Du hast einen Arbeitsvertrag mit dem Personaldienstleister, dieser hat wiederum einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem Kunden oder der Kundin. Beide beinhalten für dich relevante Informationen.
Was bedeutet das nun für deinen Arbeitsvertrag mit dem Verleihunternehmen bzw. den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Verleiher:in und Entleiher:in? Du solltest hierzu zumindest ein paar Dinge vorab beachten. Das sollte im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Entleiher:in und Verleiher:in und in deinem Arbeitsvertrag für dich transparent nachvollziehbar geregelt sein:
- Für welche:n Kund:in wirst du eingesetzt? Bist du auf eine:n beschränkt oder arbeitest du für mehrere Kund:innen?
- Wer ist für deine Arbeitssicherheit verantwortlich? Wie und von wem werden etwaige Schutzmaßnahmen umgesetzt?
- Was beinhaltet deine Tätigkeitsbeschreibung? Wofür bist du verantwortlich?
- Wie hoch ist dein Gehalt und welche Teile davon übernimmt der oder die Verleiher:in, welche der oder die Entleiher:in?
- Welche Arbeitszeiten hast du?
- Auf welche Dauer begrenzt wird deine Arbeitskraft ausgeliehen?
- Ist dein Arbeitsvertrag beim Verleiher unbefristet oder befristet?
Natürlich sollten individuell getroffene Vereinbarungen - zum Beispiel eine Übernahmeoption - ebenfalls schriftlich in deinem Arbeitsvertrag mit der Personalagentur festgehalten werden. Nur so kannst du dich im Streitfall darauf berufen.
Rechtliche Grundlagen: Das sagt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
Welche rechtlichen Grundlagen hinsichtlich einer Arbeitnehmerüberlassung herrschen, ist im DACH-Raum von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Deutschland hat im Jahr 1972 das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) eingeführt, um die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu stärken.
Du fragst dich bestimmt: Was ist daraus für mich relevant? Das sind in erster Linie diese Punkte:
- Equal-Pay und Mindestlohn
- Gleichbehandlung
- Verbotenes Weiterverleihen
- Höchstüberlassungsdauer
Das Equal-Pay-Prinzip besagt, dass dein Gehalt nach neun Monaten in einem ANÜ-Verhältnis an jenes der festangestellten Mitarbeiter:innen angeglichen werden muss. Schon vorher muss dir jedenfalls der aktuell geltende Mindestlohn gezahlt werden.
Gleichbehandlung betrifft nicht nur deinen Verdienst, sondern auch deine Arbeitsbedingungen. Diese müssen zum Beispiel hinsichtlich der Arbeitszeit mit jenen der Festangestellten übereinstimmen - in Deutschland genauso wie in Österreich und der Schweiz. Weiterverleihen darf dich der Entleiher oder die Entleiherin übrigens in Deutschland und der Schweiz per Gesetz nicht. Österreich verbietet die Praxis hingegen nicht.
Die Höchstüberlassungsdauer darf laut AÜG 18 Monate nicht überschreiten. Nach Ablauf dieser Zeit müsstest du theoretisch in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Allerdings gilt das nicht mehr, sobald die AÜ für drei Monate und einen Tag unterbrochen wurde. So schaffen sich manche Unternehmen ein Schlupfloch, das für Arbeitnehmer:innen zum Nachteil wird. Die Schweiz verzichtet auf Bestimmungen zur Höchstüberlassungsdauer gänzlich, Österreich ebenso.
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung - das musst du berücksichtigen
Leider gibt es am Arbeitsmarkt immer wieder schwarze Schafe, die Arbeitnehmer:innen ausnutzen möchten. Im Bereich AÜ passiert das unter anderem, wenn Unternehmen illegal mit verdeckter Arbeitnehmerüberlassung rechtliche Bestimmungen umgehen wollen.
Dabei fehlt ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Personaldienstleister und dem Einsatzunternehmen oder die Agentur besitzt sogar überhaupt keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Du wirst scheinselbstständig über einen Werkvertrag oder freien Dienstvertrag bei der Kundin oder dem Kunden angestellt. Abgerechnet wird aber nicht über den Personaldienstleister, sondern du musst selbst Rechnungen für deine Leistung stellen. Dein Arbeitgeber spart auf diese Art Lohnnebenkosten.
Du verlierst in diesem Fall außerdem jegliche Rechte und Ansprüche wie Urlaub oder Entgeltfortzahlung, die normalerweise in der ANÜ rechtlich geschützt wären. Solltest du in verdeckter Arbeitnehmerüberlassung arbeiten, können auf die oder den Entleiher:in und die oder den Verleiher:in empfindliche Strafen zukommen.
Die für dich vermutlich wichtigste Folge: Der oder die Entleiher:in muss dich bei einer vorherigen illegalen Anstellung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Urlaubsanspruch und Kündigungsschutz übernehmen. Außerdem müssen sowohl das Verleih- als auch das Entleihunternehmen Sozialabgaben nachzahlen, die sie dir möglicherweise vorenthalten haben. Dafür musst du deine Situation bei Strafverfolgungsbehörden wie der Polizei oder bei der Agentur für Arbeit melden.
Das sind die Vorteile einer Arbeitnehmerüberlassung
Ob die Arbeitnehmerüberlassung für dich eine geeignete Anstellungsoption ist, hängt von deinen individuellen Wünschen an einen Job ab. Grundsätzlich bietet AÜ aber einige Vorteile, die du vielleicht nicht direkt auf dem Schirm hattest:
- Flexibilität: Personaldienstleister betreuen mehrere Unternehmen, manchmal sogar branchenübergreifend. Das bedeutet, dass du bei guter Zusammenarbeit flexibel in unterschiedlichen Bereichen tätig werden kannst.
- Karrieresprungbrett: Du hast die Chance auf eine Anstellung in einem namhaften Unternehmen, obwohl dieses vielleicht gerade keine unbefristeten Stellen ausgeschrieben hat. Das kann bei zukünftigen Bewerbungsprozessen von Vorteil sein.
- Kurzer Einstellungsprozess: Das Verleihunternehmen möchte so schnell wie möglich Geld mit dir verdienen. Deshalb ist seine Priorität eine schnelle Einstellung. Du findest so in kurzer Zeit einen neuen Job und bekommst dein Gehalt.
- Schnelles Sammeln von Erfahrungen: Da viele Unternehmen kurzfristig und zeitlich begrenzt Personal suchen, kannst du in unterschiedlichen Betrieben Erfahrung sammeln. Das hilft dir später möglicherweise bei anderen Karriereschritten.
- Chance auf Festanstellung: Du machst deine Arbeit gut und konntest die Kundin oder den Kunden von dir überzeugen? Manche Betriebe halten sich eine Übernahmeoption offen und du kommst so leichter an unbefristete Verträge in beliebten Arbeitsbereichen.
Diese Nachteile hast du in der ANÜ
Leih- und Zeitarbeit beinhaltet ein gewisses Maß an Unsicherheit, die man psychisch erst einmal aushalten muss. Daneben hat Arbeitnehmerüberlassung noch einige weitere Nachteile, die du vor einer Vertragsunterzeichnung gegenüber deinen persönlichen Vorteilen abwägen solltest:
- Unregelmäßige Beschäftigung und mangelnde Planbarkeit: Da du nie genau weißt, wie lang dich ein Kunde oder eine Kundin braucht, fehlt dir die langfristige Planung.
- Fehlende Weiterentwicklungsmöglichkeiten: Du machst deinen Job außerordentlich gut - vielleicht sogar besser als deine Kolleg:innen. Dennoch werden nur interne Mitarbeiter:innen befördert. Das kann dir bei einer Arbeitnehmerüberlassung durchaus passieren.
- Finanzielle Nachteile: Wie bereits erwähnt, musst du nach neun Monaten aufgrund der Equal-Pay-Regelungen gleich wie die festangestellten Mitarbeiter:innen des oder der Entleiher:in bezahlt werden. Davor können dir ihnen gegenüber im Vergleich finanzielle Nachteile entstehen, obwohl du dieselbe Tätigkeit erledigst.
- Abhängigkeit: Dein Arbeitgeber (Personaldienstleister) kann dich theoretisch jederzeit von deinem Kund:inneneinsatz abziehen und an ein anderes Unternehmen verleihen.
In diesen Branchen kommt ANÜ besonders häufig zum Einsatz
Eine Erhebung des Statistikunternehmens Statista aus dem Jahr 2021 ergab, dass die Branche mit den meisten Angestellten in einem Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis mit einem Gesamtanteil von 30,7 Prozent die Branche Verkehr und Logistik ist. Darunter fallen beispielsweise auch Mitarbeiter:innen von Zustelldiensten, die in Hochzeiten wie an Weihnachten oder zum Black Friday besonders gebraucht werden.
Auch die Bereiche Gesundheit und Pflege (8,3 Prozent) sowie das Baugewerbe (4,2 Prozent) greifen häufig auf ANÜ aus dem In- und Ausland zurück. In der Fleischindustrie sind Werkverträge und Zeitarbeit im Gegensatz dazu seit 2021 aufgrund von Arbeitnehmer:innenschutz gänzlich verboten.
Besonders spannend ist übrigens, dass der Großteil der Leiharbeiter:innen männlich ist. Ihr Anteil macht 70 Prozent aus.
Sonderfall: Agentur für Arbeit
Die Agentur für Arbeit tritt wie viele Privatunternehmen ebenfalls als Personalvermittler in der ANÜ auf. Sie vermittelt Arbeitssuchende an Unternehmen, die kurzfristig Personal benötigen. Als Arbeitnehmer:in bist du bei der Agentur für Arbeit angestellt, übst deine Tätigkeit aber für ein Fremdunternehmen aus.
Fazit: Die Arbeitnehmerüberlassung
Die Entscheidung für oder gegen die Arbeitnehmerüberlassung ist nicht gerade leicht. Denn schließlich treten Nachteile wie fehlende Planbarkeit gegen Vorteile wie Flexibilität an. Wichtig ist, dich stets über deine aktuellen Rechte informiert zu halten und dir im Notfall Hilfe von Anwält:innen zu suchen. Dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen!
Letztes Update: 3. Oktober 2023