Sicherheit am Arbeitsplatz: Das sind deine Rechte

Von 100.000 Arbeitnehmer:innen in Deutschland hatten im Jahr 2021 durchschnittlich 1,6 Prozent einen nicht-tödlichen Arbeitsunfall. Die Zahl der Arbeitsunfälle sinkt dabei kontinuierlich - auch, weil Arbeitssicherheit längst fest im Gesetz verankert ist. Ein Arbeitsplatz muss sicher sein. So viel steht schon einmal fest. Aber was bedeutet das überhaupt? Um ständige Arbeitssicherheit zu gewährleisten, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen einige Aspekte beachten.

Definition: Was ist Arbeitssicherheit und was gehört dazu?

Im Jahr 1884 - also in der Hochzeit der Industrialisierung - führte Deutschland zur Unfallvermeidung in Fabriken ein Gesetz betreffend der Unfallverhütung in Fabriken und Werkstätten ein. Das Gesetz gilt in Deutschland als das erste, das sich konkret mit drohenden Gefahren am Arbeitsplatz und mit der Arbeitssicherheit auseinandersetzt und sicherte Arbeiter:innen ein Jahr nach der ersten gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung weitere Rechte.

Heute zählen zur Arbeitssicherheit alle Maßnahmen, die deine physische und psychische Gesundheit als Arbeitnehmer:in schützen sollen. Die Richtlinien und notwendigen Vorkehrungen hierzu werden vom Gesetzgeber vorgeschrieben und von den Betrieben in der Praxis umgesetzt. Offensichtliche Gefahrenquellen werden beseitigt, Arbeitskleidung dient dem körperlichen Schutz und ergonomische Möbel tragen zur Rückengesundheit bei - das ist nur ein kleiner Teil der Arbeitssicherheitsmaßnahmen. Außerdem erhalten Mitarbeiter:innen für ihre individuellen Arbeitsplätze Einschulungen, sodass sie zum Arbeitsbeginn alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für ein sicheres Arbeiten haben.

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Psychische Gesundheit

Nicht nur die physische Gesundheit muss geschützt werden. Mehr und mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeiter:innen zusätzlich beispielsweise Workshops zur besseren Stressbewältigung und zur Erhöhung der Work-Life-Balance oder tragen mit vergünstigten Yoga-Kursen zu deren psychischer Erholung bei.

Das macht einen sicheren Arbeitsplatz aus

Nun weißt du, dass Arbeitssicherheit auf den Erhalt der psychischen und physischen Gesundheit von Arbeitnehmer:innen abzielt. Was aber macht einen sicheren Arbeitsplatz im Detail aus? Es gibt einige Fragen und Anhaltspunkte, die dir bei der individuellen Beurteilung helfen:

Arbeitsumgebung: Ist deine Arbeitsumgebung so gestaltet, dass deine Gesundheit gewährleistet ist? Gibt es Gefahren?

Notfallmanagement: Weißt du, wie du in einem Notfall im Job handeln musst? Wie wird das Gebäude evakuiert? Wurdest du über die Sammelpunkte informiert?

Ergonomischer Arbeitsplatz: Ist dein Arbeitsplatz ergonomisch gestaltet? Trägt er zu deiner physischen Gesundheit bei?

Persönliche Schutzausrüstung (PSA): Benötigst du eine PSA? Wird dir diese bereitgestellt?

Einschulung und Kommunikation: Wurdest du im Umgang mit deinen Arbeitsmitteln (Maschinen o.ä.) eingeschult? Werden Änderungen hinsichtlich der korrekten Benutzung kommuniziert?

Gesundheitsfördernde Maßnahmen: Stellt dein Arbeitgeber dir kostenlose oder kostenreduzierte Kurse rund um Themen wie Burn-Out-Prävention oder Stressvermeidung zur Verfügung? Gibt es Betriebsärzt:innen?

Einhaltung geltender Gesetze: Berücksichtigt dein Arbeitgeber alle für deinen Job und das Unternehmen relevanten Regelungen zur Arbeitssicherheit?

Was bei Arbeitssicherheit in Deutschland, Österreich und der Schweiz gilt

Jedes Land ist für die Gesetze rund um Arbeitsschutz und -sicherheit selbst verantwortlich. Natürlich herrscht bei einigen Themen übergreifender Konsens. Niemand darf zum Beispiel ohne Handschuhe einfach so mit ätzenden Chemikalien arbeiten - klar! Unterschiede und verschiedene Interpretationsansätze gibt es trotzdem. Welche wichtigen Regeln in Deutschland, Österreich und der Schweiz festgelegt wurden und auf welche Gesetze du dich bei der Sicherheit deines Arbeitsplatzes berufen kannst:

Das gilt in Deutschland

Als Arbeitnehmer:in in Deutschland wird durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) deine Gesundheit geschützt. Darin wird nicht nur geregelt, dass du Unterweisungen für deine Arbeitsmittel erhalten musst. Es enthält auch ganz klare Vorgaben zur Dokumentation von Arbeitsunfällen, Bereitstellung von Evakuierungsplänen oder der regelmäßigen Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes.

Bei der adäquaten Gestaltung der Arbeitsplätze muss sich dein Arbeitgeber zudem am der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) orientieren. Diese schützt unter anderem Nichtraucher:innen im Job vor Tabakgeruch.

Das gilt in Österreich

Österreich führte 1995 das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) ein. Dort findest du neben klassischen Vorschriften als länderspezifische Besonderheit die Pflicht, Arbeitnehmer:innen in gewissen Fällen eine:n Betriebsärzt:in zur Verfügung zu stellen. Fühlst du dich an deinem Arbeitsplatz unwohl und gefährdet? Die Arbeitgeber werden in § 13 ASchG sogar gesetzlich dazu aufgefordert, ihre Angestellten bei Sicherheitsbedenken anzuhören.

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Interessanter Fakt

Als Angestellte:r geistlicher oder religiöser Einrichtungen unterliegst du dem ASchG nicht. Die Kirchen oder Religionsgemeinschaften entscheiden selbst, welche Arbeitsschutzmaßnahmen sie umsetzen wollen.

Das gilt in der Schweiz

Die Schweiz geht mit Vorgaben an Arbeitgeber auch beim Arbeitsschutz locker um. Das Land baut auf deren Selbstverantwortung. Die Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV) sowie das Arbeitsgesetz (ArG) bieten dir grundlegende Schutzmaßnahmen. So müssen Beschäftigte regelmäßig auf Wunsch arbeitsmedizinisch untersucht werden. Als Schweizer Arbeitnehmer:in bist du allerdings obligatorisch unfallversichert. Passiert ein Arbeitsunfall, erhältst du vorübergehende oder langfristige Leistungen von der Versicherung.

Spezialfall Schutzkleidung: Muss dein Arbeitgeber diese stellen?

"Arbeitgeber gibt sich Mühe und hat Schutzkleidung organisiert."

Eine 4.8

Persönliche Schutzausrüstung (PSA) sieht vielleicht nicht immer schick aus, erhöht aber deine Sicherheit am Arbeitsplatz und ist deshalb in vielen Jobs unerlässlich. Die "Richtlinie 89/656/EWG über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstung durch Arbeitnehmer bei der Arbeit" macht deutlich: Dein Arbeitgeber muss dir die PSA für die Dauer deiner Anstellung kostenlos zur Verfügung stellen, wenn damit Gefahren oder Risiken für deine Gesundheit vermieden werden können.

Aber nicht nur das! Die Schutzkleidung muss nach dieser Richtlinie sogar vom Unternehmen repariert, gelagert, gewartet und bei Schäden ersetzt werden. Sofern nötig, muss dich dein Arbeitgeber auch in deren korrekte Benutzung einweisen.

Unterschiedliche Anforderungen: Regeln rund um Sicherheit in Büro, Produktion & Co.

Welche Anforderungen an den Arbeitsschutz gestellt werden, variiert von Land zu Land. Und: Von Job zu Job. Für jede Arbeitsumgebung gelten individuelle Regeln. In Bürojobs, in Produktionsberufen oder bei Außenarbeit stimmen diese zwar in ihrer Basis überein, werden aber zum Anwendungsfall passend schnell sehr spezifisch. Am besten sehen wir uns die Besonderheiten der drei Beispiele genauer an und gehen auf einige mögliche Berufsbilder näher ein!

Büro

Aua, mein Rücken! Büroarbeitsplätze in Branchen wie Marketing oder IT müssen ergonomisch gestaltet sein, um deinen Muskeln und deinem Skelett durch das lange Sitzen nicht zu schaden. Zudem müssen die Regeln zu Bildschirmarbeitsplätzen eingehalten werden. Dein Bildschirm muss beispielsweise groß genug für deine Arbeitsaufgaben sein und du hast regelmäßigen Anspruch auf eine Augenuntersuchung.

Produktion

Berufe in der Produktion und Fertigung verlangen es häufig, dass du mit bestimmten Maschinen umgehen kannst. Du musst dafür ausreichend eingeschult werden und sie müssen selbst wiederum den Sicherheitsstandards entsprechen. Im Gegensatz zu Bürojobs kann es sein, dass du als Produktionsmitarbeiter:in verpflichtend Schutzkleidung wie Overalls, Schutzbrillen oder Handschuhe tragen musst. Verzichtest du bewusst darauf und widersetzt dich der Weisung deines Arbeitgebers, bist du bei einem Arbeitsunfall möglicherweise nicht versichert.

Outdoor-Arbeit

Sobald es im Job nach draußen geht, bist du Wind und Wetter ausgesetzt. Vor extremen Wettereinflüssen - unter anderem Sturm, Gewitter oder Hitze - muss dein Arbeitgeber dich ausreichend schützen. Bei Baustellen kann das zum Beispiel durch die Bereitstellung von Getränken, Kappen oder Schirmen geschehen. Bist du dagegen Waldarbeiter:in, muss dich dein Arbeitgeber über von Tieren ausgehende Gefahren informieren und dir gegebenenfalls Abwehrmittel zur Verfügung stellen.

Homeoffice: Warum auch hier Sicherheit eine Rolle spielt

Im Homeoffice kann Arbeitssicherheit ja kaum relevant sein, oder? Eben doch! Auch Remote Work unterliegt den geltenden Bestimmungen zum Arbeitsschutz. Damit du auch im Homeoffice gesund bleibst und ergonomisch arbeiten kannst, muss dir dein Arbeitgeber die notwendigen Arbeitsmittel dafür zur Verfügung stellen.

Das betrifft neben der IT-Hardware (z.B. Bildschirm, Kopfhörer, Tastatur, Laptop) unter Umständen auch Büromöbel, Schallisolierung, die Verlegung eines leistungsfähigeren Internetanschlusses oder ähnliches. Unter Umständen bedeutet, dass nur Arbeitnehmer:innen in vollständigen Telearbeitsplätze ohne eine Arbeitsmöglichkeit vor Ort finanziellen Anspruch auf über die IT hinausgehende Büroausstattung haben. Du kannst etwaige Anschaffungen aber in der Regel steuerlich absetzen.

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Gut zu wissen: Wie wird die Einhaltung der Arbeitssicherheit im Homeoffice kontrolliert?

Gemäß § 3 Abs. 3 ArbStättV darf bei Telearbeitsplätzen eine Erstbeurteilung hinsichtlich der Gefährdungspotenziale im Homeoffice vorgenommen werden. Das gilt ausschließlich für vollständige Telearbeitsplätze, nicht für Jobs mit regelmäßigem Anspruch auf Remote Work.

Dort darf der Arbeitgeber die Sicherheit im Homeoffice nur mit explizitem Einverständnis des oder der Arbeitnehmer:in beurteilen. Dein Arbeitgeber kann also nicht einfach so vor der Tür stehen und um Einlass bitten. Das kannst du mit Berufung auf Art. 13 Abs. 1 GG (Grundgesetz) ablehnen.

Was du tun kannst, wenn dein Arbeitgeber Sicherheitsstandards nicht einhält

Denkst du, dass dein Arbeitgeber die geltenden Standards zur Arbeitssicherheit nicht umsetzt oder sogar gegen bestimmte Gesetze verstößt? Nachdem das mitunter schwere Anschuldigungen sind, solltest du die Verstöße oder fehlenden Richtlinien schriftlich dokumentieren. Mit diesen Argumenten im Gepäck kannst du zu deiner Führungskraft gehen oder direkt die Personalebene konsultieren.

Sofern es nach dem Gespräch nicht zu den von dir gewünschten Änderungen kommt, kannst du dir externe Hilfe holen. Sollte unmittelbar Gefahr in Verzug sein, kann unter manchen Umständen die Polizei die passende Ansprechpartnerin sein. Ansonsten kannst du in Deutschland in jedem Bundesland die zuständige Arbeitsschutzbehörde oder für deine Berufsgruppe zuständige Gewerkschaften kontaktieren. In Österreich hilft Arbeitnehmer:innen neben dem Arbeitsinspektorat auch die Arbeiterkammer. Und in der Schweiz? Hier berät dich unter anderem die SUVA (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt) zum Thema Arbeitsplatzsicherheit und ordnet die aktuelle Situation für dich ein.

Gemeinsam könnt ihr erneut das Gespräch mit deinem Arbeitgeber suchen oder bei schweren Fällen eine behördliche Meldung des Unternehmens vornehmen und zu klagen. Spätestens dann ist es sinnvoll, eine:n auf Arbeitsrecht spezialisierte:n Rechtsanwält:in hinzuzuziehen.

Letztes Update: 23. Januar 2024