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LGBTIQ am Arbeitsplatz – Toleranz ist nicht gleich Wertschätzung

Die sexuelle Identität ist Privatsache und gehört nicht an den Arbeitsplatz. Hört man jedenfalls häufig. Heterosexuelle Menschen leben ihre Orientierung aber ganz selbstverständlich aus. Ein Familienfoto am Schreibtisch, der Ehering prominent am Finger oder der Mann mit auf der Firmenparty. Lesben, Schwule, Trans- oder Intersexuelle können nicht so frei über ihre Partner und Einstellung sprechen. Aber warum denn? Die sollen sich doch nicht so anstellen! Oder?! Wir sagen dir hier, warum LGBTIQ-Menschen auch heute noch im Berufsleben zu kämpfen haben.

Anderssein ist menschlich

Die Debatte rund um die Ehe für alle wurde vor einigen Monaten wahrscheinlich tausendfach von den Medien aufgegriffen. „Mehr und mehr Leute wissen, dass es uns gibt“, sagt Stuart B. Cameron, CEO und Gründer der Uhlala GmbH und der Panda GmbH. Man könnte fast sagen, dass das Anderssein in letzter Zeit weniger anders geworden ist. „Wir sind keine Roboter. Und das kommt langsam in der Gesellschaft an.“ Im Berufsleben tauschen sich die Kollegen beim gemeinsamen Mittagessen über private Dinge aus – wieso auch nicht? Cameron sagt, dass beispielsweise in der arabischen Welt vor dem knallharten Business überhaupt zuerst von der Familie gesprochen wird.

Klingt doch gar nicht so schlecht. „Trotzdem zeigen Studien, dass über 50 Prozent der LGBTIQ versteckt leben“, weiß Stuart B. Cameron. Gerade Trans- oder Intersexuelle haben es noch besonders schwer. Warum ist das so? Cameron: „Die Leute wissen nicht, was das ist und es macht ihnen Angst. Das fängt schon dabei an, dass der Unterschied zwischen einer Drag Queen und einer Person mit Transidentität den meisten nicht bekannt ist.“

Out of the closet oder lieber nicht?

„Wie und ob man sich im Job outet, ist Privatsache“, sagt Cameron. Das Unternehmen müsse vielmehr ein sicheres Umfeld dafür schaffen. Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V. hat STICKS & STONES deshalb ihr PRIDE 500 Siegel geschaffen. „Das hilft Menschen, die LGBTIQ sind, bei der Arbeitgeberwahl“, meint der Wahlberliner.

„Unternehmen sollten sich nicht für Toleranz einsetzen, sondern für Wertschätzung. Ganz einfach“, fasst Cameron die Situation zusammen. Eine offene Unternehmenskultur schaffen. Es geht nicht nur darum, dass Unternehmen sagen „Uns ist egal, wer ihr seid“. Das gelte auch nicht nur für LGBTIQ. Alle Menschen müssen wertgeschätzt werden. Und das gelingt am besten, wenn man eine offene Unternehmenskultur auch nach außen hin klar kommuniziert. Interessierte Arbeitnehmern wissen dann sofort – hier möchte ich arbeiten. Oder: Hier möchte ich nicht arbeiten. „Eigentlich möchte doch jeder da arbeiten, wo man sein kann, wie man eben ist“, glaubt Stuart B. Cameron. Wir wollten es wissen: Wer macht es denn wirklich gut? Welche Unternehmen sind seit Jahren Vorbilder im Bereich Diversity Management? „SAP SE und Vodafone setzen sich schon lange für LGBTIQ im Arbeitsleben ein. Beratungsunternehmen wie BCG und McKinsey hat ein großes LGBTIQ-Mitarbeiternetzwerk initiiert. Bei ThyssenKrupp wollen sie jeden wertschätzen, so wie er oder sie ist. Aber auch bei Bayer, einem der größten pharmazeutischen und chemischen Konzerne weltweit, setzt man sich für das Thema LGBTIQ nachhaltig ein.“

Gegen Diskriminierung vorgehen

Im September 2012 gab das EU-Parlament eine Richtlinie heraus, die Menschen mit ihrer sexuellen Orientierung und Identität sowie ihres Geschlechtsausdrucks – also zum Beispiel, wenn ein Mann im Job als weiblich konnotierte pinke Kleider trägt – vor offenen Diskriminierungen schützt. Offene Diskriminierungen sind – wie der Name schon sagt – offen. Die Homo- oder Transphobiker sind heutzutage diskreter geworden. Leider fällt nämlich nicht darunter, ob hinter dem Rücken einer Person gelästert wird, man nicht zu einer Mitarbeiterfeier eingeladen wird oder die Chancen bei einer Gehaltsverhandlung oder für eine Beförderung aus den genannten Gründen geringer sind als bei heterosexuellen Männern. Richtig gelesen, Männer. Stuart B. Cameron erklärt: „Häufig besteht die erste und zweite Führungsebene in den Firmen immer noch aus weißen, heterosexuellen Männern.“

Wer das Gefühl hat, wegen seiner oder ihrer sexuellen Identität gegenüber anderen Kollegen benachteiligt zu werden, sollte zunächst den Weg zum Ombudsmann oder Gleichstellungsbeauftragten des Unternehmens suchen. Dort kann man direkt schildern, welche Probleme man hat und wird bei der Lösungsfindung unterstützt. Nicht jede Firma bietet aber so eine unabhängige Stelle, an die man sich wenden kann. In Deutschland kann die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes helfen, in Österreich hat jedes Bundesland eine eigene Anti-Diskriminierungsstelle. In der Schweiz gibt es noch keine allgemeine Instanz dafür.