Überstunden - was musst du wissen?

Jede:r kennt sie, kaum eine:r mag sie: Überstunden. Wahrscheinlich gibt es keinen Job, in dem es nicht hin und wieder stressige Phasen gibt und Mehrarbeit nötig ist. Wie ist die rechtliche Situation? Wie viele Überstunden kann dein Arbeitgeber verlangen? Was sind deine Rechte bezüglich des Ausgleichs von Mehrarbeit? Wir haben alle wichtigen Informationen zusammengetragen.  

Maximale Arbeitszeit & Überstunden – was sagen die Arbeitsgesetze in den deutschsprachigen Ländern?

Deutschland

In Deutschland sind die Arbeitszeiten im Arbeitsgesetz (ArbZG) geregelt. Acht Stunden pro Tag sind in Deutschland der Richtwert für Mitarbeiter:innen, maximal dürfen an einem Arbeitstag zehn Stunden gearbeitet werden. Die maximale Arbeitszeit pro Woche darf 48 Stunden inklusive Überstunden nicht überschreiten. Das Arbeitszeitgesetz erlaubt allerdings Abweichungen durch einen Tarifvertrag bzw. eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung. Dazu sind Ausnahmen für bestimmte Branchen möglich. Gibt es in deinem Unternehmen einen Betriebsrat, hat dieser ein Mitbestimmungsrecht bei der Überstundenregelung von Mitarbeiter:innen.

Dein Recht: Erholung am Feierabend

Auch in Zeiten von Überstunden steht dir rechtlich ausreichend Zeit zur Regeneration zu. So muss dir nach Feierabend eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden möglich sein. Lässt dich dein Arbeitgeber erst um 21 Uhr Feierabend machen und verlangt dann, dass du am nächsten Tag pünktlich um sieben Uhr zur Arbeit kommst, ist das ein Verstoß gegen das ArbZG.

Eine Verkürzung auf zehn Stunden Ruhezeit ist nur in bestimmten Branchen wie im Krankenpflegebereich oder in der Gastronomie erlaubt. Dafür sorgt § 5 Abs. 2 ArbZG. Innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen steht dir ein Ausgleich durch die Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden zu.

Bist du leitende:r Angestellte:r? Achtung, Ausnahme!

Für leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gelten die Regeln des Arbeitszeitgesetzes allerdings nicht. Grund dafür ist ihre verantwortungsvolle Position im Unternehmen. Ein:e leitende:r Angestellte:r bist du, wenn du laut Arbeitsvertrag oder deiner Position im Unternehmen die Berechtigung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmer:innen oder eine Generalvollmacht oder Prokura hast.

Das bedeutet jedoch nicht, dass du rund um die Uhr zur Verfügung stehen musst. Auch von leitenden Angestellten darf der Arbeitgeber kein Stundenpensum verlangen, das gesundheitsschädlich ist.

"Überstunden sind selbstverständlich."

Österreich

Auch in Österreich gilt laut Arbeitszeitgesetz (AZG) der Richtwert von acht Arbeitsstunden pro Tag. Bei erhöhtem Arbeitsbedarf sind allerdings bis zu 20 Überstunden wöchentlich zulässig. Dabei darf die tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden nicht überschritten werden. Zudem kann das Höchstmaß an Mehrarbeit nicht dauerhaft ausgereizt werden: Im Durchschnitt von 17 Wochen dürfen Arbeitnehmer:innen die Marke von 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten.

Schweiz

In der Schweiz definiert das Arbeitszeitgesetz (AZG) keinen konkreten Richtwert für eine Arbeitszeit pro Tag. Hinsichtlich der wöchentlichen Höchstarbeitszeit wird nach Branchen unterschieden: 45 Stunden pro Woche inklusive Mehrarbeit sind maximal zulässig für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie Verkaufspersonal. Für alle anderen Arbeitnehmer:innen sind bis zu 50 Stunden pro Woche rechtlich möglich. Die wöchentliche Maximalarbeitszeit kann für einen begrenzten Zeitraum um maximal vier Stunden erhöht werden.

Wie ist die Unternehmenskultur bei deinem Arbeitgeber? Folge dem Link, um die Unternehmenskultur zu bewerten!

Müssen Überstunden immer bezahlt oder ausgeglichen werden?

So viel also zu den arbeitsrechtlichen Vorgaben bezüglich der Maximalarbeitszeiten in den deutschsprachigen Ländern. Aber was passiert mit den Überstunden, die man über die Zeit ansammelt? Hast du als Arbeitnehmer:in das Recht auf Bezahlung der Überstunden? Oder zumindest die arbeitsrechtlich fundierte Option, deine Überstunden abzubauen? Was hat es mit der Überstundenpauschale auf sich?

Üblicherweise regelt dein Arbeitsvertrag, dein Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung, wie mit Überstunden in deinem Unternehmen verfahren wird. Grundsätzlich gilt: Jedes Unternehmen muss angeordnete bzw. gebilligte Überstunden entweder bezahlen oder einen entsprechenden Freizeitausgleich gewähren. Als Arbeitnehmer:in hast du keinen Rechtsanspruch darauf, dass Überstunden als zusätzliches Gehalt ausgezahlt werden, wenn das Unternehmen Überstunden per Freizeitausgleich regelt.

"Keine Überstunden. Wirklich! Und das in der Branche."

Auszahlung von Überstunden

Es gibt keine gesetzliche Regelung, die besagt, wie viel Geld dir konkret zusteht pro geleistete Überstunde. Wenn du laut Arbeitsvertrag in jedem Monat das gleiche Gehalt für die gleiche Menge an Arbeitsstunden erhältst, kannst du den entsprechenden Stundensatz als Faustregel zugrunde legen.

Tipp: Wenn dir deine Überstunden ausgezahlt werden, steigt dein Jahresverdienst. Das kann eventuell bedeuten, dass du mehr Steuern zahlen musst!

Überstundenpauschale

Die Überstundenpauschale oder Pauschalabgeltung ist ein Relikt aus der Vergangenheit und sollte dir nicht mehr begegnen. Gemeint ist, dass Unternehmen mit dem monatlichen Gehalt alle eventuellen Überstunden abgelten. Ein entsprechender Passus im Vertrag war bis vor ca. 15 Jahren nicht unüblich. Im Jahr 2009 gab es ein richtungsweisendes Urteil, das festgelegt hat, dass entsprechende Klauseln im Arbeitsvertrag nicht rechtens sind, u. a. weil für die unterzeichnenden Arbeitnehmer:innen nicht klar ist, wie hoch die Wochenarbeitszeit tatsächlich ausfällt.

Tipp: Passe auf, wenn du einen Passus in deinem Arbeitsvertrag hast, der sich in etwa so liest: „Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38 Stunden pro Woche. Mit dem Gehalt sind alle Überstunden abgegolten“. Das ist die typische Formulierung für eine unzulässige Überstundenpauschale. Du hast das Recht, von deinem Unternehmen eine klarere Formulierung zur Behandlung von Mehrarbeit einzufordern.

Überstundenzuschlag

Wenn dein:e Arbeitgeber:in Überstunden mit einem höheren Betrag bezahlt als reguläre Wochenarbeitsstunden, arbeitet es mit einem Überstundenzuschlag. Es gibt jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, dass Überstunden höher vergütet werden als die reguläre Arbeitszeit. Überstundenzuschläge werden meist in Tarifverträgen branchenweit festgelegt.

Überstundenabbau – wann?

Wenn das Unternehmen, für das du arbeitest, Überstunden nicht vergütet, hast du das Recht auf einen Freizeitausgleich. Leider ist das Arbeitsrecht in den deutschsprachigen Ländern recht vage hinsichtlich des Vorgehens, wann und wie Überstunden abgebaut werden. Grundsätzlich kannst du nicht selbst entscheiden, wann und wie du deine Mehrarbeit abbaust, die Planung muss in Abstimmung mit deinem:deiner Vorgesetzten erfolgen. Dein Arbeitgeber kann einen Überstundenabbau auch anordnen, zum Beispiel in Zeiten, in denen wenig zu tun ist.

Überstunden während Kurzarbeit

In Zeiten von Kurzarbeit dürfen Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen keine Überstunden abverlangen, schließlich ist die Überkapazität wegen fehlender Aufträge eine Voraussetzung dafür, dass Unternehmen Kurzarbeit beantragen können. Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Mitglied bei anwalt.de sagt dazu:

"Arbeitnehmer berichten mir oft, dass sie und ihre Kollegen im Betrieb trotz Kurzarbeit Überstunden leisten müssen. Solche und andere Beispiele sprechen meiner Meinung nach dafür, dass die Voraussetzungen der Kurzarbeit entgegen den Angaben in den Anträgen vielerorts nicht erfüllt waren."

Rechtsanwalt Alexander Bredereck

Durch Überstunden während Kurzarbeit können empfindliche Strafen für Unternehmen entstehen. Ausnahmen für Mehrarbeit bei Kurzarbeit können nur im Notfall gemacht werden, zum Beispiel wenn die Reparatur einer Maschine nicht warten kann, weil ansonsten der Betrieb des Unternehmens stillsteht.

Überstunden – was passiert bei einer Kündigung

Bei einer Kündigung, egal ob sie von dir oder deinem Arbeitgeber ausgeht, greift die Regelung, die diesbezüglich in deinem Arbeitsvertrag festgelegt ist: Deine Überstunden werden entweder ausgezahlt oder du erhältst zusätzliche Urlaubstage. Ist der Umgang mit Überstunden bei Kündigung nicht im Arbeitsvertrag geregelt, muss eine einvernehmliche Lösung zwischen beiden Parteien geben.

Ausnahme ist die fristlose Kündigung: In einem solchen Fall verlieren Arbeitnehmer:innen sämtliche Überstundenansprüche.

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Die Erfassung von Überstunden: Pflicht des Arbeitgebers

Voraussetzung dafür, dass deine Überstunden ausgeglichen beziehungsweise ausbezahlt werden können ist, dass sie dokumentiert sind – ansonsten können Arbeitnehmer:innen ihre Mehrarbeit schlicht nicht nachweisen. Bereits 2019 hat das EUGH mit einer Entscheidung die Grundlage für eine entsprechende Gesetzgebung in den europäischen Ländern geschaffen. Im Jahr 2020 hat das Arbeitsgericht Emden eine unmittelbare Verpflichtung für in Deutschland ansässige Unternehmen aus dem EUGH-Urteil abgeleitet.

"Legt der:die Arbeitnehmer:in eine eigene Aufzeichnung vor, können entsprechende Ansprüche auf Überstundenvergütung kaum noch erfolgreich abgewehrt werden, wenn das Unternehmen kein eigenes Erfassungssystem installiert hat. Das Zeiterfassungssystem muss zudem objektiv verlässlich und zugänglich sein. Versteckte Listen auf dem PC des Chefs oder der Chefin dürften diesen Kriterien nicht genügen. Wenn dein Unternehmen eine ordentliche Zeiterfassung durchführt, wirst du wahrscheinlich auch deine Zeiten vollständig vergütet bekommen. Du musst hier nur auf etwaige tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen achten und gegebenenfalls rechtzeitig die Ansprüche geltend machen."

Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Mitglied bei anwalt.de

Gibt es keine Zeiterfassung, solltest du eine eigene Aufstellung der Arbeitszeiten anfertigen.

"Hierfür musst du den täglichen Beginn deiner Arbeitszeit, den Beginn und das Ende der Pausen, das Ende der täglichen regulären Arbeitszeit und das Ende der tatsächlichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) festhalten. Dazu kannst du einen Kalender nutzen und dir idealerweise diese Zeiten auch noch von einem Kollegen per Unterschrift täglich bestätigen lassen. Mittlerweile gibt es auch technische Hilfsmittel, wie Apps um die Arbeitszeit selbst zu messen und zu dokumentieren.“

Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Mitglied bei anwalt.de

Achtung: Überstunden müssen ehrlich & transparent festgehalten werden

Abschließend hat Alexander Bredereck einen wichtigen Hinweis, den du als Mitarbeiter:in unbedingt beachten solltest:

"Die neuen arbeitnehmerfreundlichen Entscheidungen werden dazu führen, dass die Unternehmen viel mehr Überstunden vergüten (müssen) als in der Vergangenheit. Möglicherweise werden Arbeitgeber:innen ihre Aufmerksamkeit vermehrt darauf richten, ob sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen während der Arbeitszeit auch tatsächlich auf die beruflichen Tätigkeiten fokussieren. Aus diesem Grund sollten Arbeitnehmer:innen besonders darauf achten, welche persönlichen Angelegenheiten sie während der Arbeitszeit erledigen. Private Aktivitäten sind nämlich während der Dienstzeit untersagt und im Ernstfall kann es hier auch zu rechtlichen Konsequenzen kommen."

Erfassung von Überstunden in der Schweiz & in Österreich

In Österreich und in der Schweiz gelten teilweise andere Regelungen bezüglich der Erfassung von Überstunden. Informationen findest du auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Österreich), auf den Seiten der Ämter für Wirtschaft und Arbeit (Schweiz) sowie in den jeweiligen staatlichen Gesetzen.

Zu viele Überstunden - was kann ich tun?

Du must dir also in Sachen Überstunden nicht alles gefallen lassen. Was du tun kannst, wenn dein Arbeitgeber immer wieder Überstunden von dir verlangt, erfährst du in unserem Praxis-Artikel zum diesem Thema.

letztes Update: 22. November 2021