
Ausbildungszeugnis erklärt: Noten & Formulierungen
Deine Ausbildung ist vorbei. Jetzt solltest du dir unbedingt ein Ausbildungszeugnis ausstellen lassen. Wieso das so wichtig ist, wie du die Formulierungen im Zeugnis richtig entschlüsselst und was du tun kannst, wenn du damit unzufrieden bist? Wir von kununu erklären es dir.
Was ist ein Ausbildungszeugnis?
Das Ausbildungszeugnis erhältst du nach Abschluss deiner Lehre in Schriftform von deinem Ausbildungsbetrieb. Das Zeugnis bestätigt einerseits, dass du deine Ausbildung erfolgreich absolviert hast, beschreibt aber zusätzlich die Ausbildungsart und meist auch deine erworbenen Fähigkeiten, dein Verhalten und deine erbrachten Leistungen.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Ausbildungszeugnissen:
- Das qualifizierte Ausbildungszeugnis
- Das einfache Ausbildungszeugnis
Als Azubi hast du gemäß § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG) immer den Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dieses enthält Informationen zu deinen beruflichen Fertigkeiten, Soft Skills und Kenntnissen sowie eine Beurteilung deiner Leistung und deines Verhaltens.
Wenn du aus unterschiedlichen Gründen – zum Beispiel aus Unzufriedenheit mit dem Ausbildungsunternehmen – stattdessen aktiv ein einfaches Ausbildungszeugnis einforderst, findest du in diesem ausschließlich formale Angaben. Dazu gehören Eckdaten zum Unternehmen, zu deiner Person und die Bezeichnung, das Ziel und die Art der Lehre. Je nachdem, wie du dich persönlich entscheidest, muss dir dein Arbeitgeber entweder die einfache oder die qualifizierte Variante verpflichtend ausstellen.
Unterschiede zum klassischen Arbeitszeugnis
Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse sind zwei wichtige Dokumente, die du jedoch zu unterschiedlichen Zeiten in deiner beruflichen Laufbahn benötigst. Ersteres bekommst du nach deiner abgeschlossenen Ausbildung, zweiteres in der Regel nach deiner Kündigung in einem Job.
Ein klassisches Arbeitszeugnis dient üblicherweise vor allem als Arbeitszeitbescheinigung. Zusätzlich findest du darin oftmals die genaue Tätigkeitsbeschreibung einer Person.
Das (qualifizierte) Ausbildungszeugnis geht hier einen Schritt weiter. Es beschreibt klar, welches allgemeine Ziel deine Ausbildung hatte und welche Fähigkeiten du dir in deiner Lehrzeit angeeignet hast. Zur Tätigkeitsbeschreibung kommt außerdem eine ausführliche Beurteilung deines Verhaltens und deiner Leistung hinzu.

Ausbildungszeugnis entschlüsseln: Formulierungen, Codes und ihre Bedeutungen
Ein Ausbildungszeugnis enthält viele Details. Das wiederum bietet natürlich hinsichtlich der Formulierungen viel Interpretationsspielraum. Für dich als Azubi ist es wichtig, einen Überblick zu den wichtigsten Codes in deinem Zeugnis und deren Aufschlüsselung zu erhalten. Denn ein kleiner Satz, der auf den ersten Blick positiv klingt, könnte in der Realität zum beruflichen Nachteil werden.
Wir zeigen dir nun einige typische Beispiele, bei denen man oberflächlich gesehen Wohlwollen vermuten könnte – auch, wenn es eigentlich gar nicht so gemeint sein könnte.
„Sie arbeitete stets mit äußerster Genauigkeit und nahm sich ausreichend Zeit für ihre Aufgaben.“
Dies kann bedeuten, dass die Arbeitnehmerin eher langsam arbeitete und sich oft in Details verlor.
„Er bewies eine gute Kommunikationsfähigkeit mit den Kolleginnen und Kollegen.“
Das kann heißen, dass der Azubi viel redete, aber wenig produktiv war.
„Er zeigte sich dem Team gegenüber stets kompromissbereit.“
Möglicherweise zeigte der Auszubildende wenig Eigeninitiative.
„Sie verfügte über eine solide Grundkenntnis in ihren Fachgebiet.“
Die Auszubildende könnte zu wenig wichtige Fachkenntnisse besitzen.
„Seine Belastbarkeit war dem Ausbildungsberuf angemessen.“
Diese Formulierung deutet darauf hin, dass der Azubi schnell überfordert oder gestresst war.
Besonders spannend ist für viele Personaler:innen, die dein Zeugnis lesen könnten, was in der Schlussformel steht. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, bedanken sich Arbeitgeber darin gern für die erfolgreiche Zusammenarbeit oder wünschen dir für deine berufliche Zukunft weiterhin das Beste. Das wiederum entschlüsseln die HR-Verantwortlichen als echte Dankbarkeit für deine Leistung.
Fehlen in der Schlussformel der Dank oder die guten Wünsche? Das könnte wiederum ein gut versteckter Code dafür sein, dass du und dein Ausbildungsbetrieb euch nicht im Guten trennt. Also besser aufpassen und den Arbeitgeber ggf. um Nachbesserung bitten!

Notensystem im Ausbildungszeugnis: Was bedeutet welche Note?
Schulnoten von 1 bis 6 findest du im Ausbildungszeugnis nicht. Das wäre laut § 109 Abs. 2 der Gewerbeordnung auch gar nicht erlaubt. Trotzdem: Aus den Formulierungen in deinem Zeugnis lassen sich Noten ableiten. Für dich ist das wichtig, um abzuschätzen, ob die Beurteilung deiner Leistung und deines Verhaltens der Realität entsprechen könnte.
Möchte dich dein Arbeitgeber mit Bestnoten auszeichnen, verwendet er in der Regel besonders positive Worte (herausragend, außergewöhnlich, beeindruckend etc.) oder Superlative (höchste, vollste, beste etc.). Ob du die Note 2 erhalten hast, liest du an ganz leicht abgeschwächten, aber immer noch sehr lobenden Worten ab.
Dein Ausbildungsbetrieb war nicht ganz zufrieden mit deiner Arbeit? Dann wird er wahrscheinlich sehr vage Formulierungen in deinem Zeugnis nutzen. Wir haben für dich ein paar Beispiele zusammengestellt, die dir bei der Entschlüsselung der Noten in deinem Ausbildungszeugnis helfen können:
Note 1
- Sie/Er erfreute uns stets mit ihren/seinen hervorragende Fachkenntnissen.
- Seine/Ihre Leistungen übertrafen unsere Erwartungen in jeglicher Hinsicht.
- Ihre/Seine Lernbereitschaft war jederzeit vorbildlich.
Note 2
- Seine/Ihre Leistungen im Betrieb lagen über unseren Erwartungen.
- Ihr/Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kolleg:innen und Kund:innen war zu unserer vollen Zufriedenheit.
- [Name] hat unsere Erwartungen in hohem Maße erfüllt.
Note 3
- Er/Sie zeigte im betrieblichen Teil der Ausbildung gute Fachkenntnisse.
- Die Arbeitsweise von [Name] war strukturiert und methodisch.
- Sie/Er zeigte Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft.
Note 4
- Ihre/Seine Leistungen entsprachen unseren Anforderungen.
- Er/Sie zeigte Lern- und Leistungsbereitschaft.
- Wir waren mit ihren/seinen Leistungen insgesamt zufrieden.
Note 5
- Die Arbeitsleistung von [Name] entsprachen nicht immer den Anforderungen.
- Sie/Er bemühte sich um Zuverlässigkeit und Genauigkeit.
- Sie/Er war interessiert an ihrer/seiner Tätigkeit.
Note 6
- Sie/Er konnte unsere Erwartungen nicht erfüllen.
- Er/Sie bemühte sich, konnte den Anforderungen jedoch nicht gerecht werden.
Du brauchst noch ein Praxisbeispiel? Kein Problem. Hier gibt’s beispielhafte Formulierungen, die in einem Ausbildungszeugnis mit Note 1 für Friseur:innen genutzt werden könnten.
Beispielhaftes Arbeitszeugnis mit Note 1 nach abgeschlossener Ausbildung zur:zum Friseur:in
[Name], geboren am [Geburtsdatum] in [Geburtsort], absolvierte in unserem Salon [Name des Salons] vom [Beginn der Ausbildung] bis zum [Ende der Ausbildung] erfolgreich eine Ausbildung zur Friseurin/zum Friseur.
Während ihrer/seiner Ausbildungszeit zeigte [Name] stets außergewöhnlich hohe Fachkenntnisse und ein bemerkenswertes handwerkliches Geschick. Ihre/seine Arbeitsergebnisse übertrafen unsere Erwartungen in jeder Hinsicht. Sie/Er beherrschte alle Techniken des Friseurhandwerks auf höchstem Niveau. Zu ihren/seinen besonderen Fähigkeiten zählten:
- Schneiden
- Färben
- Stylen
[Name] zeichnete sich durch eine äußerst präzise und effiziente Arbeitsweise aus. Sie/Er arbeitete stets strukturiert und methodisch, was zu beeindruckenden Ergebnissen führte. Auch unter hohem Arbeitsaufkommen blieb sie immer ruhig und bewältigte jede Herausforderung mit Bravour.
Ihre/Seine Lern- und Leistungsbereitschaft war außerordentlich. [Name] zeigte stets eine äußerst hohe Motivation und nutzte jede Gelegenheit, um sich weiterzubilden und neue Trends und Techniken zu erlernen. Ihre/Seine schnelle Auffassungsgabe und ihr/sein unermüdlicher Einsatz führten zu einem kontinuierlichen und beeindruckenden Lernfortschritt.
Das Verhalten von [Name] gegenüber Vorgesetzten, Kolleg:innen und Kund:innen war jederzeit vorbildlich. Sie/Er trat stets höflich, freundlich und respektvoll auf und trug so maßgeblich zu einem angenehmen Betriebsklima bei. Durch ihre/seine empathische Art und ihr/sein Gespür für die Wünsche unserer Kund:innen konnte sie/er viele Stammkunden gewinnen.
Wir waren mit den Leistungen von [Name] stets außerordentlich zufrieden. Sie/Er hat unsere Erwartungen in jeder Hinsicht übertroffen. Wir danken ihr/ihm für die stets hervorragende Mitarbeit und wünschen ihr/ihm für die Zukunft weiterhin viel Erfolg und alles Gute.
Was tun, wenn du mit dem Ausbildungszeugnis unzufrieden bist?
Dein Arbeitgeber muss dein Ausbildungszeugnis wahrheitsgemäß und wohlwollend formulieren. Das gibt § 109 der Gewerbeordnung so vor. Hegst du Zweifel daran, ob dein Zeugnis im besten Sinne für dich formuliert wurde? Bist du unzufrieden damit und fühlst dich zu schlecht bewertet? Fehlen wichtige Angaben oder hast du das Dokument nur per Messenger bekommen?
Ist letzterer Punkt der Fall, kannst du das Unternehmen um eine (schriftliche) Neuausstellung des Zeugnisses bitten. So schaffst du das Problem nach einem Gespräch hoffentlich schnell aus der Welt. Denn der Betrieb ist dazu verpflichtet, alle formalen Anforderungen an ein qualifiziertes Ausbildungszeugnis zu erfüllen.
Etwas schwieriger ist es, wenn du dich trotz vager Sprache im Ausbildungszeugnis falsch beurteilt fühlst. Bei unterschiedlichen Auffassungen zu den zwei Bestnoten 1 und 2 liegt die Beweislast bei dir. Du musst deinem Arbeitgeber – im äußersten Fall vor Gericht – zeigen, dass du die bessere Bewertung verdient hast. Der Bundesgerichtshof hat bei Noten, die schlechter als 3 ausfallen, im Gegensatz dazu entschieden, dass der Arbeitgeber die Beweise erbringen muss.
Prinzipiell hast du Anspruch auf ein Zeugnis mit der schlechtesten Note 3, wobei darunter die Wahrheit nicht leiden darf. Heißt: Kann dein Arbeitgeber darlegen, warum er dich schlechter bewertet als einem „Befriedigend“ entsprechend, muss er das klar begründen können.
Gut zu wissen: Du kannst dein Ausbildungszeugnis auch anfechten bzw. eine neue Version verlangen, sofern folgende Angaben darin verbotenerweise enthalten sind.
Diese Angaben sind im Ausbildungszeugnis verboten
- Gehalt und Benefits
- Erkrankungen bzw. Krankheitszeiten
- Etwaige Abmahnungen
- Etwaige Kündigungsgründe
- Etwaige Elternzeit
- Informationen zur sexuellen Orientierung oder Religions- und Parteizugehörigkeit
- Etwaige Behinderungen
- Mitgliedschaften im Betriebsrat oder der Gewerkschaft
Aber wie kannst du nun bestenfalls vorgehen, um schnell an ein deiner Leistung und deinem Verhalten entsprechenden Zeugnis mit allen wichtigen Informationen zu kommen? Wir empfehlen dir die folgende Vorgehensweise:
- Suche zunächst das Gespräch mit deinem Ausbildungsbetrieb. Ziehe ggf. Personen hinzu, die deine Argumentation bestätigen können.
- Lass dich von einer Anwältin oder einem Anwalt beraten. Reiche schriftlichen Widerspruch gegen dein Zeugnis ein und gib eine Frist für die geforderten Änderungen vor.
- Reiche mit deiner Anwältin oder deinem Anwalt eine Zeugnisberichtigungsklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht ein.
Wir hoffen, dass du so an ein faires Ausbildungszeugnis kommst und mit Erfolg in deine berufliche Zukunft starten kannst!
Letztes Update: 20. Juni 2024