Akzeptanz und Aktionismus: Wie wir in der Selbstisolation mental gesund bleiben

Die Corona-Krise stellt jede und jeden von uns täglich vor Herausforderungen, denn unser Leben wurde von einem auf den anderen Tag völlig auf den Kopf gestellt. In den letzten Wochen haben wir uns an neue Umstände gewöhnen müssen, sei es im beruflichen Kontext oder im Privaten. Mentale Gesundheit ist in Zeiten wie diesen ein Thema, das wohl jeden betrifft. Durch die derzeitige Situation müssen wir noch mehr als sonst auf uns und unser Wohlbefinden achten. Wie wir es schaffen, in der Selbstisolation mental gesund zu bleiben und welche Tipps hier besonders hilfreich sind, erklärt Gina Schöler, XING Insiderin, Speakerin, Trainerin und Autorin am Ministerium für Glück und Wohlbefinden.

Das persönliche Glück bewahren

Als Glücksministerin stehe ich selbstverständlich für solche Themen wie Zufriedenheit, Wohlbefinden und seelische Gesundheit. Aber ich gestehe: Auch ich habe schlechte Laune, graue Tage und trübe Gedanken. Und das ist gut so. Denn das Leben ist eine Achterbahnfahrt, mal geht es runter, dann wieder steil nach oben und ab und zu auch ganz schön durcheinander. So auch gerade jetzt in dieser Zeit.

Vielleicht kennt ihr das auch: Erst war da diese Ungläubigkeit, Trotz, Trauer um all die abgesagten Termine und Chancen, diese seltsame Stimmung draußen, Unsicherheit, fragende Blicke – und auf der anderen Seite erlebe ich soviel Wärme und berührende Solidarität, tiefere Augenblicke, herzliche Hilfsangebote, Kontakt zu lieben Menschen auf anderen Wegen, viel Kreativität und das Ausprobieren neuer Ideen und Möglichkeiten. Und irgendwie ist auch eine Art „Erleichterung“ zu spüren. Dieses Gefühl in den Tag hineinzuleben und nur kurzfristig planen zu können, die gezwungene Spontanität, das tut uns allen auch mal gut und ich merke, wie sich eine Art Entspannung breit macht.

Diese Art zu leben und zu denken sollten wir uns beibehalten – mehr Gelassenheit und Gemeinschaftlichkeit. Das führt automatisch auch zu mehr Glück.

Glück? Jetzt erst recht!

Aktuell befinden wir uns in einer kollektiven Krise, durch die wir in eine Zwangspause geschickt wurden. Waren wir davor oft mit Vollgas und auf der Überholspur unterwegs, haben wir uns plötzlich von heute auf morgen im Leerlaufmodus wiedergefunden. Wir sind mehr oder weniger zum Stillstand und damit zum Nichtstun gezwungen. Diese im wahrsten Sinne lange Weile kennen wir gar nicht mehr – sie lässt uns etwas unsicher und hilflos fühlen. Unsicherheiten erfahren wir auch im Bezug auf die Zukunft, auf unsere Gesundheit und das gesamte Wirtschaftssystem.



Was können wir tun, wenn die äußeren Umstände uns massiv einschränken und wir nicht wirklich von glücklichen Zeiten sprechen können? Über das Glück sprechen! Auch wenn es auf den ersten Blick etwas verrückt erscheint, so brauchen wir das Glück gerade in diesen Phasen mehr denn je. Vor allem ist es wichtig, dieses mit Leben zu füllen und auch andere daran teilhaben zu lassen. Lebensfreude trotz oder gerade wegen den Tiefen in unserem Leben zu behalten ist sicherlich nicht immer einfach, aber es lohnt sich! Und ein paar Glückstipps können dabei helfen, den Blick zu schärfen und das Positive zu sehen. Viel Freude beim Anwenden, Ausprobieren und Experimentieren!

Alles ist im Fluss: Akzeptanz

Häufig denken wir, dass wir unser Leben kontrollieren können, denn immerhin planen wir unseren Alltag haargenau und das wiegt uns in Sicherheit. Das Leben an sich lässt sich allerdings nicht planen: Es passieren immer wieder unvorhergesehene Dinge, es kommt oft anders als wir denken und alles ist sowieso immer im Wandel. Genau dies gilt es zu akzeptieren. Insbesondere wenn wir in schwierigen Situationen stecken, die sich nicht ändern lassen, tun wir gut darin, diese erst einmal anzunehmen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Hierbei spricht man auch von „radikaler Akzeptanz“. Das bedeutet, dass wir uns nicht gegen ungewollte Ereignisse auflehnen und sie nicht zwanghaft versuchen zu verändern. Erst wenn wir loslassen und uns nach dem Fluss des Lebens richten, statt gegen ihn anzuschwimmen, können wir uns entspannen und Raum für Neues schaffen. Ganz im Sinne des Wu Wei, was soviel bedeutet wie “Handeln durch Nichthandeln”, gilt es Krisen zu realisieren, in ihnen ankommen und sie annehmen, ohne gegen sie anzukämpfen.



Des Weiteren ist es wichtig, uns unsere Gefühle anzuschauen und sie zu akzeptieren. Gerade in herausfordernden Zeiten durchleben wir alle möglichen Gefühle, von Trotz über Wut bis hin zu Trauer. Wir besitzen eine große bunte Palette an Emotionen und wir dürfen alle zulassen, denn sie alle haben ihre Daseinsberechtigung und sind wichtig für uns und unsere Entwicklung. Lasst uns also durch diese Zeiten gehen mit allem, was dazu gehört: Mit all unseren Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen. Das bedeutet nicht, dass wir uns lethargisch und erduldend allem hingeben, mit den Schultern zucken und uns alles egal ist, aber eine gewisse Form von Geduld und Gelassenheit tut uns allen gut.

Glück für uns und andere: Aktionismus

Mindestens genauso wichtig wie Herausforderungen zu realisieren und sie anzunehmen ist es auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie man aktiv etwas für das Gute tun kann. Hier geht es nicht darum, dass jeder von uns große Heldentaten vollbringen muss, sondern jeder darf im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zum persönlichen Wohlbefinden und dem der anderen beisteuern.

Zunächst ist es wichtig, dass wir gut für uns selbst sorgen, um Energie zu tanken, die uns für stürmische Zeiten wappnet. Das tun wir, indem wir genau in uns hineinhören, liebevoll mit uns umgehen, unsere eigene Gesellschaft genießen und uns bewusst etwas Gutes tun: Das kann sein, indem wir unser Lieblingsessen kochen, ein warmes Bad nehmen, einen langen Spaziergang in der Natur machen oder die Musik laut aufdrehen und dazu tanzen. Wenn wir uns gut um uns selbst kümmern, können wir auch gut für andere sorgen und ihnen helfen. Sich selbstlos um andere zu kümmern, steigert auch die eigene Zufriedenheit – nicht umsonst heißt es: Glück verdoppelt sich, wenn man es teilt.



Schaut euch einfach in eurem Umfeld um und fragt euch, wie ihr euch um andere kümmern könnt: Dem Kollegen bei der Arbeit helfen? Den Eltern beim Einkauf unterstützen? Der Nachbarin eine liebe Nachricht hinterlassen oder dem Verkäufer ein Lächeln schenken (auch mit Gesichtsmaske gut möglich, lasst eure Augen leuchten)? Unsere Mitmenschen steigern nicht nur unser Wohlbefinden, indem wir uns um sie kümmern, sondern sie können uns auch dabei helfen, unsere Energiereserven aufzutanken. Dafür müssen wir uns einfach gezielt mit eben den Menschen umgeben, die uns Energie schenken. Fragt euch hierbei: Welche Personen tun mir gut? Bei wem kann ich ganz ich sein? Und bei wem fühle ich mich richtig wohl? Umgebt euch gerade in Krisen genau mit diesen Menschen, tauscht euch mit ihnen aus und unterstützt euch gegenseitig.

Mit den Lieblingsmenschen kann man offen reden, gemeinsam schweigen und natürlich auch lachen. Und gerade Humor ist wichtig im Umgang mit widrigen Umständen: Wir dürfen auch oder gerade dann albern sein und das Leben nicht so ernst nehmen. Da hilft mir gerade mein einjähriger Sohn sehr. Sein Lieblingsspielzeug ist zur Zeit eine rote Clownsnase. Die darf ich zu jeder Tageszeit aufziehen. Da kann die Weltlage, der Haussegen oder meine Stimmung noch so schief hängen, mit einer roten Nase im Gesicht ist alles halb so schlimm. Probiert es aus!

Balance von Akzeptanz und Aktionismus

Auch oder gerade in Krisenzeiten geht es also um das Glück. Wir können dieses auf der einen Seite aktiv selbst gestalten und andere damit anstecken; dürfen andererseits aber auch einmal nur sein, nicht handeln, nicht funktionieren müssen und die Leerlaufphase genießen. Das Leben annehmen, wie es kommt, alle Gefühle willkommen heißen, Selbstfürsorge betreiben, Glück an andere weitergeben, uns mit Lieblingsmenschen umgeben und bei allem den Humor nicht verlieren – all das hilft uns dabei mit den Herausforderungen, die das Leben bereit hält, umzugehen. Die Möglichkeiten das Glück in stürmischen Zeiten zu finden und weiterzugeben sind so vielseitig und individuell wie wir selbst. Unsere Bedürfnisse ähneln sich wie zum Beispiel Wertschätzung, Anerkennung, Liebe, Sicherheit oder Ruhe – aber unsere Strategien, diese zu erfüllen, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Seid also neugierig, experimentiertfreudig und kreativ, wie ihr das Wohl von euch und euren Mitmenschen steigern könnt! Letztlich geht es um eine gesunde Balance zwischen Akzeptanz und Aktionismus, das bewahrt unsere Lebensfreude auch in den Phasen, in denen das Leben mal wieder einen Looping macht, alles Kopf steht, wir nicht wissen, wo Oben und Unten ist und uns etwas schwindelig ist.

Gina Schöler

Gina ruft als Glücksministerin mit Aktionen und Angeboten dazu auf, das Bruttonationalglück zu steigern. Als Trainerin und Speakerin macht sie auf fröhliche und unkonventionelle Weise Werbung für Werte und begeistert für wichtige Themen wie Zufriedenheit, Positive Psychologie und Lebensgestaltung.