Gehaltserhöhung wegen Inflation: Was du als Arbeitnehmer:in wissen solltest

Mittlerweile ist es allgegenwärtig, dass die Inflationsrate im deutschsprachigen Raum und vor allem in Deutschland und Österreich, seit einiger Zeit stark ansteigt. In Deutschland stieg die Inflationsrate im November 2023 (im Vergleich zum Vorjahresmonat) um satte +3.2 Prozent, in Österreich stieg sie mit +5,4 Prozent sogar noch mehr an. Diese hohen Inflationsraten bedeuten, dass Verbraucher:innen deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen, um die Dinge des täglichen Lebens zu finanzieren. Oder anders ausgedrückt: Arbeitnehmer:innen müssten rund 10 Prozent mehr verdienen, um sich die gleichen Dinge kaufen zu können wie noch vor kurzer Zeit. Die Kosten steigen, aber die Gehälter nicht, das erscheint zunächst einmal ungerecht.

Was sind die Gründe für die hohe Inflation? Wie lange müssen wir mit solch hohen Inflationsraten rechnen? Haben Arbeitnehmer:innen Anspruch auf einen Inflationsausgleich und ist die hohe Inflation ein Argument für eine Gehaltserhöhung? Erfahre alles Wissenswerte in diesem Artikel.

Was sind die Gründe für die hohe Inflation?

Eine hohe Inflation kann unterschiedliche Ursachen haben. Der Grund für die aktuellen extrem hohen Inflationsraten ist eine Kombination aus einer erhöhten Nachfrage auf Verbraucher:innenseite nach dem Wegfall der Corona-Restriktionen. Zusätzlich steigen weltweit die Produktions- und Transportkosten, weil die Lieferketten in der Pandemie gestört wurden. Der Krieg in der Ukraine hat zu Rohstoffengpässen geführt, die das Angebot verknappen – vor allem bei Energie und Getreide. Diese Gemengelage führt zu Inflationsraten, wie sie es in Deutschland zum letzten Mal vor 50 Jahren gegeben hat.

Im Rahmen einer Umfrage des ifo Instituts teilten führende Volkswirt:innen ihre Einschätzung für die weitere Entwicklung. Auch für die kommenden Jahre erwarten die teilnehmenden Expert:innen hohe Inflationsraten in der Eurozone, für 2023 durchschnittlich 6,2 Prozent und für 2026 durchschnittlich 4,5 Prozent. Höhere Kosten für Privatausgaben beziehungsweise gefühlt niedrigere Gehälter werden die Arbeitnehmer:innen also noch eine ganze Zeit lang verfolgen.

Wie wird die Inflationsrate gemessen?

In Deutschland wird die Inflationsrate vom Statistischen Bundesamt gemessen. Dazu wird ein fiktiver Warenkorb herangezogen, der aus den Preisen von 650 unterschiedlichen Gütern des täglichen Lebens von Verbraucher:innen besteht. In Österreich ermittelt die Bundesanstalt Statistik nach einem ähnlichen Vorgehen die Inflation.

Warum ist die Inflationsrate in der Schweiz niedriger als in Deutschland und Österreich

Auch in der Schweiz ist 2022 die Inflationsrate zunächst gestiegen, wenn auch deutlich geringer. Im September ist sie sogar gesunken, auf 3,3 Prozent von 3,5 Prozent im August. Die im Vergleich zu Deutschland und Österreich deutlich geringere Inflationsrate hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist wohl, dass der Franken im Vergleich zum Euro sehr stark ist. Importierte Produkte, vor allem aus der Eurozone, sind daher besonders günstig. Außerdem kann die kleine Schweiz ihren Energiebedarf zu einem großen Teil selbst stillen und ist daher wenig abhängig von teuren Energieimporten.

Haben Arbeitnehmer:innen einen Anspruch auf eine jährliche Gehaltserhöhung zum Ausgleich der Inflation?

Als Arbeitnehmer:in hast du keinen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung als Inflationsausgleich durch dein Unternehmen. In Deutschland plant die Bundesregierung aktuell jedoch ein Inflationsausgleichsgesetz, das die Steuerzahler:innen entlasten soll. Das Gesetz soll inflationsbedingte Mehrbelastungen ausgleichen, indem die Steuerlast an die Inflation angepasst wird. Der Entwurf sieht unter anderem vor, den steuerlichen Grundfreibetrag ab 2023 zu erhöhen. Das bedeutet, dass Steuerzahler:innen weniger Lohnsteuer zahlen müssen.

In Österreich wurde schon im September mit der Abschaffung der kalten Progression ein steuerlicher Ausgleich für die hohe Inflation beschlossen.

Ist die hohe Inflationsrate ein Argument in der Gehaltsverhandlung?

Für dich als Arbeitnehmer:in bedeutet die hohe Inflation, dass dein Gehalt weniger wert ist, beziehungsweise, dass du höhere Kosten hast. Da scheint es naheliegend, in der jährlichen Gehaltsverhandlung oder im Bewerbungsprozess einen Ausgleich zu verlangen. Wir raten dir davon jedoch entschieden ab. Warum? Weil alle betroffen sind von der Inflation. Nicht nur du, sondern auch alle Kolleg:innen – und dein Unternehmen! Auch dein Unternehmen hat höhere Kosten für Energie, Transport und Logistik und muss mit höheren Preisen im Einkauf leben.

Der Wunsch nach einer Gehaltserhöhung solltest du immer mit deiner Leistung verargumentieren. Als Vorbereitung für deine nächste Gehaltsverhandlung haben wir hier einige Tipps für dich zusammengestellt.

Warum manche Unternehmen dennoch einen Inflationsausgleich zahlen

Im individuellen Fall solltest du die Inflationsrate nicht aktiv als Argument für mehr Gehalt heranziehen – dennoch rechnen viele Unternehmen auch aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten höhere Gehaltskosten ein. Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Willis Towers Watson zu Folge planen vier von zehn Arbeitgebern, die Gehälter ihrer Mitarbeiter:innen stärker zu erhöhen als ursprünglich geplant. Die Daten des Statistischen Bundesamt zeigen auf, dass der Nominallohnindex im ersten Quartal 2022 um 4,0 Prozent höher ist als im Vorjahresquartal. Aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise sind die Reallöhne jedoch um 1,8 Prozent gesunken.

Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die die Zahlung eines freiwilligen Inflationsausgleichs prüfen oder schon kommuniziert haben. Der Autovermieter Sixt beispielsweise hat als eines der ersten Unternehmen angekündigt, zum Jahresende allen Mitarbeiter:innen einen einmaligen Bonus als Inflationsausgleich in Höhe von 1.700 Eur zu zahlen. Einer Umfrage des Handelsblatts zufolge überlegen weitere DAX-Konzerne, dem Beispiel zu folgen. Die Bundesregierung hat in Aussicht gestellt, dass Inflationsprämien ähnlich wie die Corona-Prämien behandelt werden, also dass sie als Einmalzahlung nicht steuerpflichtig sind.

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Ökonomen warnen vor Lohnerhöhungen: das Phänomen der Lohn-Preis-Spirale

Kleiner VWL-Exkurs gefällig? Eigentlich liegt es auf der Hand, dass Gehaltserhöhungen die Inflation sogar weiter anheizen können: Durch höhere Gehälter steigen die Kosten auf Seiten der Firmen. Was wiederum dazu führt, dass die Firmen die Preise anheben müssen, was wiederum dazu führt, dass die Kosten für die Verbraucher:innen steigen und somit die Inflation. Die Folge wäre eine Stagflation: Eine Situation mit geringem Wirtschaftswachstum, hoher Arbeitslosigkeit und das bei steigenden Preisen.

Letztes Update: 17. Oktober 2022