Alles rund um den Mindestlohn 2023/24: Höhe, Vor- & Nachteile

Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn wurde in Deutschland bereits im Jahr 2015 eingeführt, um Arbeitnehmer:innen vor Lohndumping und Ausbeutung zu schützen. Nun legte die Mindestlohnkommission in Berlin vor einen neuen Vorschlag vor: Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll zum 1. Januar 2024 von 12,00 auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro angehoben werden. Zuvor beschloss der deutsche Bundestag im Zuge der steigenden Inflationsrate im Sommer 2022 die bis dato stärkste Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, um Arbeitnehmende zu entlasten. Zum ersten Oktober wurde der Mindestlohn (bis 2024 gültig) auf 12 Euro brutto pro Stunde angehoben.

Für welche Branchen gibt es einen spezifischen Mindestlohn? Was kannst du tun, wenn deine Bezahlung unter dem Mindestlohn liegt? Und wie sieht es mit Mindestlohn in Österreich oder in der Schweiz aus? Wir haben in diesem Artikel alle relevanten und aktuellen Informationen rund um das Thema Mindestlohn für dich zusammengefasst.

Erneute Anhebung des Mindestlohns für 2024

Die letzte Anhebung des Mindestlohns im vergangenen Herbst wurde ausnahmsweise von der Ampel per Gesetz von 10,45 Euro auf 12 Euro angehoben. Ansonsten ist die Mindestlohnkommission zuständig. Darin beraten jeweils drei hochrangige Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter:innen, zwei Wissenschaftler:innen und ein oder eine Vorsitzende alle zwei Jahre über eine Erhöhung der Lohnuntergrenze. Berücksichtigt wird dabei die Tarifentwicklung im Land. Die Kommission legt dann einen Vorschlag vor, der von der Bundesregierung per Verordnung verbindlich gemacht werden muss. Normalerweise ist das aber Formsache. 

Der aktuelle Vorschlag für eine Lohnerhöhung auf 12,41 Euro wurde innerhalb der Kommission nicht einstimmig beschlossen. Die Gewerkschaftsvertreter:innen sind gegen diese in ihren Augen zu geringe Anhebung und wurden nach eigenen Angaben in der Kommission überstimmt. "Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen.", kritisierte Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Mit dem Beschluss erlitten die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen enormen Reallohnverlust. "Um einen Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zu gewährleisten, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen".

Was ist der Mindestlohn?

Der gesetzlich vorgeschriebene bundesweite Mindestlohn wurde in Deutschland 2015 eingeführt und basiert auf dem Mindestlohngesetz (MiLoG). Bei seiner Einführung betrug der Mindestlohn 8,50 Euro. Bei einer 38-Stunden-Woche kamen Arbeitnehmer:innen so auf ein Monatsgehalt von 1.550 Euro (brutto). Seit der Einführung des Mindestgehalts ist es gesetzeswidrig, Beschäftigten einen geringeren Stundenlohn zu zahlen. Diese Regelung trifft auf alle Personen zu, die in Deutschland in einem Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen stehen, egal um welche Tätigkeit es sich handelt.

Wie hoch ist der Mindestlohn 2023?

Bei der Einführung im Jahr 2015 betrug der Mindestlohn noch 8,50 Euro brutto pro Stunde. In Folge der steigenden Inflation und der Ukraine-Krise im Jahr 2022 wurde er mehrfach angepasst. Der aktuelle branchenunabhängige Mindestlohn beträgt brutto 12 Euro, diese Anpassung ist zum 1. Oktober 2022 in Kraft getreten.

Zugleich wird die Grenze der Geringfügigkeitsgrenze angehoben. Arbeitnehmer:innen können mit Mini-Jobs nun bis zu 520 Euro im Monat verdienen, ohne dass darauf Beiträge zur Sozialversicherung anfallen. Dieser Mindestlohn gilt für Beschäftigte in allen Branchen – es sei denn, es greift ein branchenspezifischer Mindestlohn. Dies ist etwa in der Gebäudereinigung, in der Pflegebranche, im Elektrohandwerk, in der Abfallwirtschaft sowie bei Zeitarbeitsverträgen der Fall. In diesen Branchen ist der spezifische Mindestlohn, der über dem generellen Mindestlohn liegt, bindend.

Im Sommer 2022 hat das Bundeskabinett die vierte Mindestlohnanpassung verabschiedet. Auf dieser Basis wird der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben.

Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 - 2022

Studie: erhebliche Gehaltsanpassungen nötig

Eine Analyse von über 25.000 Gehaltsdaten auf kununu ergab, dass mit Erhöhung des Mindestlohns am 1. Oktober 2022 in vielen Branchen und Berufe erhebliche Gehaltsanpassungen nötig sind. Denn bei einem Großteil der Beschäftigten in einigen Berufen wurde das ab Oktober gesetzlich vorgeschriebene Lohnniveau unterschritten – in einzelnen Berufen mussten fast 70 Prozent der Gehälter für Beschäftigte angepasst werden. Besonders betroffen sind beispielsweise Verkäufer:innen in Bäckerein/Konditoreien: Hier lagen 69,0 Prozent der auf kununu angegebenen Gehaltsdaten unterhalb des neuen Mindestlohns. Auch bei Raumpfleger:innen war mit 46,2 Prozent eine Lohnanhebung bei fast der Hälfte der Beschäftigten nötig.

Ebenfalls hoch war der Anteil unter den meist im Einzelhandel beschäftigten Kassierer:innen mit 41,6 Prozent, bei Ausliefer:innen (40,9 Prozent) und Fahrer:innen (37,1 Prozent). Für die Mindestlohn-Gehaltsanalyse wurden 24.826 Gehaltsdatensätze untersucht, die bis Juni 2022 im kununu Gehaltcheck abgegeben wurden.

Branchenspezifische Mindestlöhne

Neben dem gesetzlichen Mindestlohn, der grundsätzlich für alle Branchen und Regionen gilt, existieren auch branchenspezifische Mindestlöhne. Diese liegen generell über dem Mindestlohn. Ein Branchenmindestlohn ist eine verbindliche unterste Lohngrenze für bestimmte Branchen. Er wird in Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt und anschließend für allgemeinverbindlich erklärt. Das heißt, er wird von allen Unternehmen einer Branche umgesetzt. Branchenmindestlöhne gelten dann für alle Beschäftigten in der entsprechenden Branche – unabhängig davon, ob ihr Arbeitgeber einen Tarifvertrag abgeschlossen hat und tarifgebunden ist oder nicht. Teilweise weichen die Mindestlöhne in den neuen Bundesländern etwas von denen in den alten Bundesländern ab.

In Deutschland gibt es für folgende Branchen spezifische Mindestlöhne:

  • Abfallwirtschaft
  • Arbeitnehmerüberlassung/Zeitarbeit
  • Berufliche Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen
  • Dachdeckerhandwerk
  • Elektrohandwerk
  • Fleischwirtschaft
  • Gebäudereinigung
  • Gerüstbauerhandwerk
  • Pflegebranche
  • Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk
  • Schornsteinfegerhandwerk

Wir haben dir hier eine Übersicht über die aktuellen und zukünftigen Mindestlöhne in diesen Branchen zusammengestellt:

BrancheGültigkeitszeitraumBetrag (Euro pro Stunde brutto)
Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit)01.04.22 bis 31.12.2210,88
Berufliche Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen01.01.22 bis 31.12.2217,18 - 17,70²
Dachdeckerhandwerk01.01.22 bis 31.12.22
01.01.23 bis 31.12.23
13,00 - 14,50³
13,30 - 14,80³
Elektrohandwerk01.01.22 bis 31.12.22
01.01.23 bis 31.12.23
01.01.24 bis 31.12.24

12,90
13,40
13,95
Fleischwirtschaft01.01.22 bis 30.11.22
01.12.22 bis 30.11.23
01.12.23 bis 30.11.24
11,00
11,50
12,30
Gebäudereinigung01.01.22 bis 31.12.21
01.01.23 bis 31.12.22
11,55 - 14,81⁴
12,00 - 15,20⁴
Gerüstbauerhandwerk01.10.21 bis 30.09.22
01.10.22 bis 30.09.23
12,55
12,85
Pflegebranche01.05.22 bis 31.08.22
01.09.22 bis 30.04.23
01.05.23 bis 30.11.23
01.12.23 bis 31.01.24
12,55 - 15,40⁵
13,70 - 17,10⁵
13,90 - 17,65⁵
14,15 - 18,25⁵
Steinmetz- und Steinbildehauerhandwerk01.11.21 bis 31.07.22
01.08.22 bis 30.09.23
12,85
13,35
Schornsteinfegerhandwerkab 01.01.202113,80

Quelle: Statistisches Bundesamt

¹ Spanne ergibt sich durch unterschiedliche Bezahlung für einfache Arbeiten und Facharbeiten
² Spanne ergibt sich durch unterschiedliche Bezahlung je nach zusätzlichen Qualifikationen
³ Spanne ergibt sich durch unterschiedliche Bezahlung für ungelernte und gelernte Kräfte/Gesell:innen
⁴ Spanne ergibt sich durch unterschiedliche Tätigkeiten (Glas- und Fassadenreinigungsarbeiten erzielen einen hören Stundenlohn als Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten)
⁵ Spanne ergibt sich durch unterschiedliche Bezahlung für ungelernte und gelernte Kräfte, zusätzliche Qualifikationen
⁶ Spanne ergibt sich durch unterschiedliche Tätigkeiten, zusätzlich variiert die Bezahlung je nach Bundesland

Mindestlohn in Österreich & der Schweiz

Im deutschsprachigen Raum ist Deutschland das einzige Land, das bisher ein umfassendes Mindestlohngesetz umgesetzt hat. Aber auch in Österreich und in der Schweiz gibt es bindende Maßnahmen, die eine gerechtere Bezahlung fördern.

Mindestlohnregelungen in Österreich

In Österreich setzt man auf Branchenregelungen. Nicht jede:r Arbeitnehmer:in hat automatisch Anspruch auf ein bestimmtes minimales Gehalt pro Arbeitsstunde, da gesetzlich keine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze definiert wird. Für die meisten Branchen gibt es jedoch Kollektivverträge (KV), die ein Minimum für die jeweilige Branche definieren. Die branchenspezifischen Kollektivverträge verhandelt die Wirtschaftskammer mit den jeweiligen Fachorganisationen und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Basierend auf einer Einigung zwischen Wirtschaftskammer und ÖGB liegt aktuell kein Mindestlohn in einem Kollektivvertrag (KV) unter 1.500 Euro pro Monat. Da praktisch alle KV 14 Löhne pro Jahr vorsehen, beträgt der Mindestlohn eigentlich 1.750 Euro pro Monat. Aufgrund der gesetzlichen Mitgliedschaft im ÖGB gelten für ca. 98% der Arbeitnehmer:innen in Österreich eine Mindestbezahlung.

Mindestlohnregelungen in der Schweiz

Auch in der Schweiz gibt es keinen landesweit gesetzlich geregelten Mindestlohn. In einer Volksabstimmung im Jahr 2014 hat die Mehrheit der Schweizer:innen gegen eine entsprechende Regelung gestimmt. Auf Druck der Gewerkschaften konnten in den Folgejahren jedoch in einigen Kantonen verbindliche Lohnuntergrenzen etabliert werden. Dazu zählen die Kantone Neuenburg, Jura, Genf, Basel-Stadt und Tessin. Die Lohnuntergrenzen sind in den einzelnen Kantonen unterschiedlich, sie reichen von 19 Franken (entspricht 17,15 Euro) im Tessin bis zu 23 Franken (entspricht 21,18 Euro) in Genf.

Warum wurde der Mindestlohn eingeführt?

Der Mindestlohn wurde eingeführt, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer:innen, die in einem Vollzeitjob arbeiten, ausreichend verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vor 2015 waren Unternehmen bezüglich der Bezahlung ihrer Mitarbeiter:innen an keine Untergrenze gebunden. Lediglich in einigen Branchen war über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein Mindestbetrag an Bezahlung festgesetzt, zum Beispiel für einige Handwerksberufe wie die Dachdeckerei, das Baugewerbe, Sicherheitsdienstleistungen, die Pflegebranche, die Abfallwirtschaft und die Gebäudereinigung. Diese Praxis der relativ freien Lohn- und Gehaltsgestaltung hat dazu geführt, dass viele Arbeitnehmer:innen trotz Vollzeitjob auf Unterstützung über das Arbeitsamt angewiesen waren, damit sie grundlegende Ausgaben wie Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Strom begleichen konnten.

Auch Studienabsolvent:innen, die im Anschluss an ihre Ausbildung über Praktika Berufserfahrung sammeln wollen oder müssen, waren auf zusätzliche Einkünfte angewiesen, da Praktika vor allem bei angesehenen Unternehmen extrem schlecht bis gar nicht bezahlt wurden. Nicht umsonst hat sich durch diese Praxis der Begriff Generation Praktikum gebildet.

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Welche Effekte hatte die Einführung des Mindestlohns?

Es gibt zahlreiche Argumente, die für einen Mindestlohn sprechen. Aber es gibt auch nach wie vor viele Kritiker:innen einer gesetzlich festgelegten Untergrenze für Gehälter und Löhne. Kaum eine arbeitsmarktpolitische Entscheidung wurde in Deutschland so intensiv diskutiert wie die Einführung des Mindestlohns 2015.

Befürworter:innen erwarteten, dass durch den Mindestlohn weniger Arbeitnehmer:innen ihr Einkommen durch staatliche Unterstützung aufstocken müssen. Neben dem Ziel, gerechtere Entgelte für erbrachte Arbeitsleistung zu garantieren, war ein wichtiges Argument für den Mindestlohn, dass dadurch Schwarzarbeit und die damit verbundene Steuerhinterziehung gesenkt werden würde.

Kritiker:innen des Mindestlohns sahen steigende Arbeitslosenzahlen voraus, da mit einem Mindestlohn höhere Personalausgaben für Unternehmen verbunden sind.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat 2020, also fünf Jahre nach Einführung des Mindestlohns, eine Bilanz gezogen und die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf den Arbeitsmarkt untersucht. Die bpb hat unter anderem folgende Effekte identifiziert:

Steigende Stundenlöhne

Vor allem am unteren Rand der Lohnverteilung hat der Mindestlohn laut bpb zu steigenden Stundenlöhnen geführt. Die bpb hat hierzu die Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamtes ausgewertet, die zwischen 2014 und 2018 einen Zuwachs beim Stundenlohn im unteren Lohnsegment von insgesamt 21,8 Prozent identifiziert hat. Allerdings bedeutet diese Steigerung nicht unbedingt eine Erhöhung der Monatsgehälter. Während laut Untersuchung der bpb die Monatsgehälter sozialversicherungspflichtig Beschäftigter proportional zum Stundenlohn anstieg, war das bei geringfügig Beschäftigten nicht der Fall. Gleichzeitig ging die durchschnittliche Arbeitszeit pro Monat zurück. Die bpb sieht den Grund dafür in der Verdienstgrenze von steuervergünstigten Mini-Jobs bei 450 Euro pro Monat. Mit dem Mindestlohngesetz können Betriebe und Beschäftigte diese Grenze nur durch eine Verkürzung der Arbeitszeit einhalten.

Kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Kritiker:innen des Mindestlohns sahen durch seine Einführung steigende Arbeitslosenzahlen voraus. Die bpb hat im Rahmen ihrer Auswertung zahlreiche unterschiedliche Studien ausgewertet und kommt zu dem Schluss: Die Einführung des Mindestlohns hat keinen signifikanten Einfluss auf die Zahl der Beschäftigten. Anders gesagt: Unternehmen haben auf die durch den Mindestlohn gestiegenen Personalkosten nicht zwingend mit Stellenabbau reagiert, sondern beispielsweise die Preise ihrer Produkte oder Dienstleistungen angepasst.

Auswirkungen auf Betriebsebene

Die Einführung des Mindestlohns hatte vor allem Auswirkungen auf Gastronomie, Einzelhandel sowie den Dienstleistungssektor generell. In diesen Bereichen lag der Stundenlohn vor 2015 teilweise weit unter der Grenze von 8,50 Euro. Die bpb zeigt in ihrer Analyse auf, dass Unternehmen und Betriebe auf unterschiedliche Weise reagierten. Die Analyse bezieht sich auf Daten des Instituts für Arbeitsmarkt und Betriebsforschung (IAB).

Die häufigsten Maßnahmen von Unternehmen, um gestiegene Personalkosten zu kompensieren waren demnach:

  • Preiserhöhungen, die an die Kunden weitergegebene wurden
  • Reduzierung der Arbeitszeiten beziehungsweise eine Verdichtung der Arbeit
  • Zurückhaltung bei Einstellungen und Nachbesetzungen
  • Reduzierung von Investitionen

Erst an fünfter Stelle folgten Entlassungen.

Wer bestimmt den Mindestlohn?

Über die Höhe beziehungsweise mögliche Anpassungen bestimmt in Deutschland die Mindestlohnkommission. Dieses Gremium besteht aus einer:einem Vorsitzenden, drei Arbeitnehmer:innen- und drei Arbeitgebervertreter:innen sowie zwei nicht stimmberechtigten beratenden Mitgliedern aus dem Bereich der Wissenschaft. Die Mitglieder der Kommission arbeiten ehrenamtlich. Die neunköpfige Mindestlohnkommission wird von der Bundesregierung alle fünf Jahre neu berufen. Für die Entscheidung über eine Anpassung des Mindestlohns prüft die Mindestlohnkommission in einer Gesamtabwägung, ob die aktuelle Höhe des Mindestlohn Arbeitnehmer:innen weiterhin ausreichend Schutz bietet. Außerdem bewertet sie, wie sich eine eventuelle Anpassung des Mindestlohns auf die Beschäftigung auswirken würde. Bei ihrer Empfehlung für eine Mindestlohnhöhe orientiert sich die Mindestlohnkommission nachlaufend an der Tarifentwicklung (§ 9 Abs. 2 MiLoG). Die Vorschläge der Mindestlohnkommission werden dem Bundeskabinett zur Entscheidung vorgelegt.

Habe ich Anspruch auf den Mindestlohn?

Grundsätzlich gilt der Mindestlohn für jede:n Arbeitnehmer:in in Deutschland, unabhängig von der Herkunft und vom Wohnsitz. Wer in Deutschland eine offizielle und bezahlte Arbeitstätigkeit ausführt, muss mindestens ein Entgelt von aktuell 12 Euro brutto pro Stunde dafür erhalten.

Allerdings gibt es Ausnahmen:

  • Minderjährige: Der Mindestlohn gilt nur für erwachsene Arbeitnehmer:innen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Menschen unter 18 Jahren ihre Berufsausbildung häufig noch nicht komplett abgeschlossen haben. Jugendlichen soll der Anreiz genommen werden, sich für einen besser bezahlten Job zu entscheiden, bevor sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben.
  • Auszubildende und Pflichtpraktikant:innen: Der Mindestlohn greift nicht bei Berufsausbildungen und Praktika, die begleitend zur Schule, zu einer Ausbildung oder zu einem Studium verpflichtend durchgeführt werden, da es sich um Ausbildungs- oder Lehrverhältnisse handelt. Dies gilt auch für Auszubildende über 18 Jahren. Anders ist die Situation bei freiwilligen Praktika, die nicht Teil der Ausbildung oder des Studiums sind. Hier gilt grundsätzlich der Mindestlohn.
  • Ehrenamtlich Tätige: Tätigkeiten, die im Rahmen eines Ehrenamtes erbracht werden, sind ausgenommen von der Mindestlohnregelung.
  • Langzeitarbeitslose: Als langzeitarbeitslos gilt, wer länger als ein Jahr bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet ist. In diesem Fall soll der Fokus darauf gerichtet sein, dass Betroffene möglichst schnell eine Beschäftigung finden, deswegen ist ihre Bezahlung für sechs Monate nach Beginn des Arbeitsvertrags vom Mindestlohn ausgenommen, danach greift er. Kritiker:innen sehen darin ein Schlupfloch für Unternehmen, sie können theoretisch alle sechs Monate eine:n neuen Langzeitsarbeitslose:n einstellen.
  • Strafgefangene: Menschen, die im Rahmen einer Freiheitsstrafe eine berufliche Tätigkeit verrichten, können sich nicht auf den Mindestlohn berufen.
  • Voll erwerbsgeminderte Menschen: Für Personen, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung in einem Betrieb oder einer Werkstatt für körperlich und/oder geistig behinderte Menschen arbeiten, haben keinen Anspruch auf den Mindestlohn.
  • Selbständige: Wer selbständig ist, ist von der Regelung zum Mindestlohn ausgenommen.

Wer kontrolliert den Mindestlohn?

Seit Einführung 2015 ist die beim Zoll angesiedelte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zuständig für die Kontrolle der Einhaltung des neuen Gesetzes. Die FKS darf unangekündigt in Betrieben kontrollieren, ob Mindestlohnbestimmungen, sozialversicherungspflichtige Meldepflichten und das Abführen von Beiträgen zur Sozialversicherung berücksichtigt werden.

In Unternehmen, die über einen Betriebsrat verfügen, hat auch dieser allgemeine Überwachungsrechte, was Entgeltregelungen und Arbeitszeitkonten betrifft.

Und schließlich trägt auch jede:r informierte Arbeitnehmer:in zur Kontrolle bei. Arbeitnehmer:innen, auf die die Mindestlohnregelung zutrifft, sollten einen neuen Arbeitsvertrag, bei dem die Bezahlung unter dem aktuellen Mindestlohn liegt, nicht unterschreiben. Unternehmen haben bezüglich des Mindestlohngesetzes eine Umsetzungspflicht, das heißt, sie müssen sich entsprechend informieren und Anpassungen des Mindestlohns (wie die Anhebung im Oktober 2022) zügig umsetzen.

Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber den Mindestlohn nicht zahlt?

Wenn du in deinem Job derzeit weniger als 12 Euro brutto pro Stunde verdienst, solltest du zunächst prüfen, ob die Mindestlohnregelung auf dich zutrifft oder ob für dich eine Ausnahmeregelung gilt. Für Beratung und Auskunft kannst du dich an das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) wenden. Falls du Mitglied in einer Gewerkschaft bist, wird dir auch dort weitergeholfen. Im äußersten Fall kommt es zu einer Anklage gegen deinen Arbeitgeber. Unternehmen, die sich nicht an das Mindestlohngesetz halten, erwarten drastische Sanktionen und Nachforderungen. Ihnen drohen:

  • Geldbußen bis zu 500.000 Euro
  • Befristeter Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge
  • Nachzahlungen für betroffene Arbeitnehmer:innen
  • Nachforderungsansprüche der Versicherungsträger:innen

letztes Update: 26. Juni 2023