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Frauen und Macht: Warum und wie du deine Einstellung ändern solltest

Viele Frauen schrecken vor dem Begriff „Macht“ zurück – weil sie gelernt haben, dass Macht oft mit Egoismus und Härte gleichgesetzt wird. Die Kommunikationstrainerin Gabriele Strodl-Sollak erklärt im Interview, warum gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, größer zu denken und Einfluss aktiv zu gestalten. Sie zeigt auf, wie tief verwurzelte Glaubenssätze Frauen ausbremsen – und wie wir sie durchbrechen können. Denn wer Gestaltungsspielräume nutzen will, darf nicht auf Einladung warten.

Was steckt eigentlich hinter der „Angst vor der Macht“? 

Strodl-Sollak: Viele assoziieren Macht mit Machtmissbrauch. Mit Menschen, die Macht für ihre egoistischen Ziele ausnutzen. Damit wollen wir nichts zu tun haben. Außerdem gehört es nicht gerade zum weibliche Rollenbild zu sagen: „Ich will Macht haben!“ Das wird sozial abgestraft. Dafür verwenden Frauen in der Regel lieber weichere Formulierungen wie: Ich will mehr Verantwortung übernehmen, ich will gestalten, ich will wirksam sein! 

Frauen und Macht: Wieso fürchten sich viele Frauen davor, Verantwortung zu übernehmen oder „groß“ zu denken? 

Strodl-Sollak: Um mehr Verantwortung zu übernehmen, brauchen wir Selbstvertrauen. Es geht darum, die Komfortzone zu verlassen – und das gelingt leichter, wenn wir durch frühere Erfahrungen sicher sind, dass wir das schon irgendwie schaffen werden. Dann können wir vertrauen, dass der nächste Schritt auch diesmal klappen wird. 

In der weiblichen Sozialisation bezieht sich das Feedback weniger oft auf Leistung, sondern aufs gute Aussehen und sozial gefälliges Verhalten: „Es ist so lieb, wie du dich um deine Schwester kümmerst.“ Und später: „Du bringst gutes Stimmung ins Team.“ 

In den Kennenlern-Gesprächen von neuen Coachees verwenden Frauen oft Metaphern wie: „Ich brauche einen kleinen Schups, und dann traue ich mich zu springen.“ Damit organisisieren sie sich die Aufforderung von außen selbst. Und sind tatsächlich bereit, gut begleitet den nächsten Schritt zu gehen, der immer gelingt. 

In vielen Berufsbiografien wird das Narrativ erzählt: „Ich bin gefragt worden, und dann habe ich diese neue Position übernommen.“ Also auch eine Aufforderung von außen, meist von einem internen Mentor ausgesprochen. 

Ist das ein persönliches Thema – oder eher ein gesellschaftlich vermitteltes? 

Strodl-Sollak: Ich denke, es ist primär ein gesellschaftliches – wobei wir ja selbst die Gesellschaft sind. Und damit den Unterschied machen können. 

Woher kommt die weitverbreitete Sorge: „Wenn ich zu selbstbewusst auftrete, wirke ich arrogant oder unsympathisch“? 

Strodl-Sollak: Manche Frauen verwenden viel Mühe darauf, ihre Erfolge zu verschweigen. Sie haben einen guten Grund dafür, der im Heidi-Howard-Experiment verdeutlicht wurde. 

In einem Text wurde die erfolgreiche Risikokapitalgeberin Heidi Roizen beschrieben. Ihr Aufstieg zur machtvollen Macherin und Co-Unternehmensgründerin in der Welt des Silicon Valleys mit Funktionen als Executive bei Apple, Freundschaften mit Bill Gates und Steve Jobs und einem riesigen privaten un beruflichen Netzwerks. Die Versuchsanordnung: Die Hälfte der Probant:innen las diesen Text, die andere Hälfte denselben Text mit einer Änderung: Statt Heidi war Howard der Protagonist. Danach wurden die Probanten nach ihren Eindrücken befragt.  

Fazit: Alle anerkannten die Erfolge in gleicher Weise und hatten Respekt vor Heidi und Howard. Jedoch: Howard war eindeutig beliebter und wurde als angenehmer Zeitgnosse wahrgenommen. Jemand für den man gerne arbeitet, während Heidi häufig die Zuschreibung ‚egoistisch‘ bekam und keinen emotionalen Bonus. Auch andere Experimente belegen: Erfolg und Beliebtheit korrelieren bei Männern positiv. Und bei Frauen in der Regel negativ. Um diesem Dilemma zu entkommen, können wir gut verstehen, weshalb Frauen nicht so locker über ihre Erfolge sprechen und manchmal weniger selbstbewusst auftreten. 

Viele Frauen glauben, sie müssten sich entscheiden: entweder sympathisch oder durchsetzungsfähig. Warum ist dieses entweder-oder so hartnäckig? 

Strodl-Sollak: Dieses dichotome Denken wird sich auflösen. Es gibt so viele durchsetzungsfähige UND sympathische Frauen in der Öffentlichkeit. Beides geht sich also gut aus. Und je mehr wir davon in unseren Umfeldern und auch öffentlich sehen, desto schneller wird diese Entwicklung vorangehen. Ich nenne ein paar sehr sichtbare Frauen quer durch alle Branchen und Generationen: Fränzi Kühne (Unternehmerin, Aufsichtsrätin), Sabine Herlitschka (CEO Infineon), Brigitte Bierlein (ehem. Bundeskanzlerin), Alma Zadić (Justizministerin aD), Doris Schmidauer (First Lady), Verena Pausder (Digitalexpertin und Unternehmerin),  Katharina Schneider (CEO von Mediashop), Dunja Hayali (ZDF Moderatorin), Diana zur Löwen (Investorin, Influencerin), Mirjam Weichselbraun (TV-Moderatorin), Maria Angelini-Santner (Jurymitglied bei Dancing Stars), Fussball-Coach Bibiane Steinhaus-Webb (ehem. Schiedsrichterin in der Männer-Bundesliga), Sanna Marin (ehem. Finnische Ministerpräsidentin), Jarcinda Adern (ehemalige Ministerpräsidetin in Neuseeland) …  

Welche Denkfehler oder inneren Blockaden hindern Frauen am meisten daran, sich zu zeigen? 

Strodl-Sollak: Zwei Gedanken dazu: Die Kalenderweisheiten längst vergangener Tage wirken mit ihrer Botschaft immer noch nach – wenn auch „verdünnt“: Lieber das bescheidene Veilchen als die stolze Rose zu sein. Oft ist auch die Erkenntnis da: „Ich sollte sichtbarer sein.“ Aber einerseits fehlt das Knowhow darüber: Wie mache ich das ohne peinlich zu wirken? Andererseits der liebevolle Blick auf sich selbst – der erste Auftritt wird vielleicht nicht perfekt sein, aber es braucht den ersten, zweiten, dritten …. Bis es zum neuen Verhaltensrepertoire geworden ist, sich selbst zu zeigen. Über die Routine und wohlwollende Selbstreflexion werden wir besser und selbstsicherer. 

Ein anderer Gedanke: Es fehlt an Know-How, wie wichtig es für hierarchisch orientierten Menschen ist, sich territorial zu zeigen. Also Raum einzunehmen. Sich in Besprechungen zu Wort melden, auch wenn Vieles bereits gesagt wurde. Denn die verkürzte Interpretation ist: Wer sich nicht zu Wort meldet, hat auch nichts zu sagen. 

Welche typischen Gedankensätze („Ich bin nicht gut genug“, „Ich muss perfekt sein“ etc.) begegnen Ihnen regelmäßig in Coachings? 

Strodl-Sollak: Limitierende Glaubenssätze sind oft kulturell geprägt – und im deutschsprachigen Raum steht Perfektionismus ganz oben auf der Liste. „Ich bin nicht genug“ – dieser Gedanke wird im Coaching manchmal geäußert, aber häufig fehlinterpretiert. In vielen Fällen richtet sich die Ablehnung gar nicht gegen die Person selbst, sondern gegen eine Rolle oder Funktion, die sie (unfreiwillig) repräsentiert. 

Ein Beispiel: Eine sehr kompetente IT-Expertin kam verzweifelt ins Coaching. Sie war neu in einem Unternehmen und fühlte sich von ihrer übergeordneten Chefin systematisch ignoriert. Ihre erste Deutung: „Ich bin offenbar nicht gut genug.“ 

Als wir die Situation analysierten, zeigte sich ein ganz anderes Bild: Die Coachee war von ihrem direkten Vorgesetzten eingestellt worden – der jedoch kurz nach ihrem Start von eben jener Chefin entlassen wurde. In deren Augen war die neue Mitarbeiterin somit vor allem eins: eine Erinnerung an den ungeliebten Vorgänger. Die Ablehnung galt also nicht der Person und Kompetenz, sondern ihrer Zugehörigkeit.  

Die gefühlte persönliche Abwertung war tatsächlich ein Ausdruck von interner Dynamik. Sie bewegt sich aktuell in einem machtpolitisch ungünstigem Umfeld. Genau hier setzen wir im Coaching an – um solche systemischen Muster zu erkennen und das Selbstbild wieder ins Gleichgewicht zu bringen. 

Wie können Frauen lernen, diese inneren Macht-Barrieren zu erkennen – und aufzulösen? 

Strodl-Sollak: Die beste Idee ist, mit einem großen Ziel zu starten. Wo will ich denn hin? Was will ich denn erreichen? Hier dürfen wir groß denken. 

Dann geht es an die liebevolle Selbstbeobachtung, um die innere Barrieren zu identifizieren. Indizien sind: Aufschieben, ein Gefühl von „Ich-bin-noch-nicht-bereit“. Mit folgender Frage kann man weitermachen: Was glaube ich denn, das notwendig ist, bevor ich den nächsten Schritt gehe? Ist das tatsächlich notwendig – oder ein inneres Gewohnheitsprogramm? 

Hat man den limitierenden Glaubenssatz gefunden, z.B. „Ich darf nicht anecken“ kann man sich weiter fragen: „Was wäre alles möglich, wenn ich diesen doofen Gedanken selbst nicht glauben würde? Und dann sind wir schon bei den vielen kleinen Schritten, um den Glaubenssatz eines auszuwischen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren. 

Viele Frauen denken Macht im Kleinen, weil sie gelernt haben, sich nicht zu viel zuzumuten. Warum ist genau jetzt die Zeit, größer zu denken – und was ändert sich, wenn wir es endlich tun? 

Strodl-Sollak: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind offen für uns. Wir selbst sind gut ausgebildet. Unsere Männer sind unsere Partner, nicht mehr Haushaltsvorstände. Wir haben die Statistiken, dass gemischte Teams wirtschaftlich erfolgreicher sind und so viele Netzwerke, in denen Sisterhood groß geschrieben wird. Alles spricht dafür, größer zu denken. 

Was sind typische Reaktionen von außen, wenn Frauen beginnen, sich in ihrer Macht zu zeigen – und wie können sie damit umgehen? 

Strodl-Sollak: Ich nehme wahr, dass Frauen als Chefinnen viel Anerkennung aus ihren Teams und Abteilungen bekommen. Oft nutzen sie das Machtinstrument, Allianzen zu bilden, Verbündete zu suchen, sich gegenseitig zu supporten. Das ist eine Strategie, die für Frauen besonders gut funktioniert.  

Parallel ist es empfehlenswert, sich außerhalb der Arbeit einen Lebensinhalt zu bewahren: Familie, Partner:innen, Freund:innen, Hobbys sind ein guter Ausgleich und wichtiger Balancepunkt, sollte beruflich der Wind um die Ohren pfeifen.  

Die Außenperspektive durch Coaches ist hilfreich, um Reibungspunkte einzuordnen: Was ist systemisch oder was betrifft mich als Person? Dementsprechend muss ich unterschiedlich reagieren. Und hier neigen Frauen dazu, die Schuld bei sich als Person zu suchen, was meinst einfach falsch ist. 

Gibt es eine Art von weiblicher Macht, die authentisch ist und nicht den traditionellen Machtbegriff nachahmt? 

Strodl-Sollak: Hannah Arendt hat ein Konzept vorgestellt, das wir so verstehen können. Sie unterscheidet zwischen Gewalt und Macht. Sie versteht Macht als die Fähigkeit zur kollektiven Handlung und wie wir das Gemeinwesen gestalten. Das gelingt durch Zustimmung und Kooperation von Menschen, die frei sind. Hier können Chef:innen für Ziele werben, hinführen, begleiten, ins Boot holen. Das Gegenbeispiel wäre, Gewalt unabhängig von Zustimmung oder Legitimität einzusetzen.

Ihre Botschaft an Frauen, die aus Angst vor Ablehnung oder Antipathie lieber still bleiben – obwohl sie eigentlich führen könnten? 

Strodl-Sollak: Die Angst vor Ablehnung und Ausschluss aus der Gruppe ist von der Soziolinguistin Deborah Tannen gut erforscht worden. In die Führung zu gehen bedeutet tatsächlich, nicht mehr der Peergroup anzugehören.  Das ist in der Regel aber nicht ablehnend, sondern eine neue Rolle. Deshalb gibt es auch so viele Kursangebote mit dem Titel „Von der Kollegin zur Führungskraft“. Viele Unternehmen finanzieren auch eine Begleitung für ihre „First-Time Leaders“. Mit dem Wechsel der Management-Ebene gehört man einer neuen kollegialen Gruppe an und es gilt dieses neue Netzwerk zu pflegen und dort Beziehungen aufzubauen.   

Was sind die fünf wichtigsten Schritte, um sich als Frau von Macht-Scheu zu lösen?

Strodl-Sollak:

  1. Denke positiv über Macht: Macht ist per se nichts Schlechtes, nur weil die Skrupellosen Macht missbrauchen. Erst Macht ermöglicht, dass wir tatsächlich wirksam sind, gestalten können. Denn wenn die Wohlgesinnten sich von der Macht verabschieden, überlassen sie das Feld den Skrupellosen. 
  1. Die eigenen Lieblingstechniken wahrnehmen: Wir sind bei Weitem nicht ohnmächtig und können uns deshalb fragen: Wo nehme ich denn bereits Einfluss? Und wie mache ich das genau? Techniken, die dazu zählen sind: Lob, Flurfunk, Bluffen, sich ahnungslos geben, Vertrauen aufbauen, Macht von Vorgesetzten belehnen, Mitstreiter:innen empowern, Dritte für Anliegen gewinnen. Erkenne, was du bereits kannst und benenne es bewusst als machtvolles Handeln. 
  1. Machtspiele anderer entzaubern: Lasse dich nicht beeindrucken, wenn jemand zum Beispiel einen kontrollierten Wutausbruch inszeniert. Es geht nicht um dich – sondern darum andere zu verunsichern und zu kontrollieren. Reagiere strategisch und entwickle Routinen, wie du gelassen bleibst und deine Position hältst.  
  1. Mit positiven Machttechniken experimentieren: Erweitere dein Repertoire. Suche aktiv Verbündete, bilde strategische Allianzen – zum Beispiel durch gegenseitige Sichtbarkeit: Ich spreche vor Dritten gut über dich – und du über mich. 
  1. Strategisches Kommunikationswissen investieren: Machtkompetenz ist lernbar. Wer wirksam sein will, braucht nicht nur Fachexpertise, sondern auch ein feines Gespür für Dynamiken, Timing und Einfluss.  Allein schon, dass du bis hierher gelesen hast, zeigt dein Interesse. Da gibt es noch viel mehr zu entdecken. 

Gabriele Strodl-Sollak, MA 
unterstützt Frauen in Führungsrollen wie Projektleiterinnen, Führungskräfte und Geschäftsführerinnen, die fachlich exzellent sind, aber feststellen, dass Expertise allein nicht reicht, um Einfluss zu gewinnen, Projekte am voranzutreiben und sich am betriebspolitischen Parkett sicher zu bewegen. 

Als Kommunikationstrainerin, Amazon-Bestseller-Autorin von „Boost your career, Sister!“ und ausgezeichneter Leadership Coach  in 2024 befähigt sie in Einzelcoachings, Workshops und im Female Leadership-Programm „Boost-Club“ selbst bescheidene, harmonieorientierte Frauen, ihre Position souverän zu behaupten und klug zu agieren. 

Kostenlose Masterclass

Am 22. September 2025 um 17:00 Uhr bietet das Wirtschaftsmagazin sheconomy eine kostenlose Masterclass  an. Der Titel lautet: ‚Freundlich durchsetzen statt genervt aushalten‘ und basiert auf dem Konzept von Deborah Tannen.