Streik für mehr Gehalt: So viel verdienen die streikenden Berufsgruppen

Mehr Gehalt für Beschäftigte im öffentlichen Dienst - das ist die Forderung der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, die gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zu einem bundesweiten Streik aufrief. Rund 350.000 Beschäftige beteiligten sich am 27. März in verschiedenen Sektoren an dem 24-stündigen Warnstreik. In ganz Deutschland standen Züge, Busse und Flugzeuge still. Über einen Monat später rief die EVG zu einem 50-Stunden-Bahnstreik auf, dieser wurde jedoch kurzfristig abgesagt und die nächste Verhandlungsrunde für den 23. Mai in Fulda angesetzt.

kununu hat sich die Gehälter der streikenden Berufsgruppen genauer angeschaut. Hier erfährst du, wie hoch die durchschnittlichen Gehälter in einigen der streikenden Berufsgruppen sind und wie (un)zufrieden Arbeitnehmende der betroffenen Sektoren mit ihrem Gehalt sind.

Tarif-Konflikt: 10,5 Prozent mehr Gehalt für die Streikenden

Grund für die flächendeckenden Warnstreiks seit Ende März ist der Tarifkonflikt zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgebern im öffentlichen Dienst. Die EVG befindet sich nach zwei Streiks nach wie vor in Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Unternehmen. Insgesamt verhandeln sie für 230.000 Beschäftigte. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von insgesamt zwölf Prozent bei einer Laufzeit von einem Jahr.

Ver.di verhandelt bereits seit Mitte April 2023 für rund 2,5 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen und fordert eine Gehaltserhöhung von 10,5 Prozent sowie eine monatliche Mindestgehaltserhöhung von 500 Euro.

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Tarifverträge

Die Bezahlung nach Tarif im öffentlichen Dienst in Deutschland basiert auf einem Tarifvertrag, der zwischen den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und den Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes, wie z. B. Bund, Ländern und Kommunen, abgeschlossen wird.

Der aktuelle Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gliedert sich in verschiedene Entgeltgruppen, die sich nach der Tätigkeit, der Qualifikation und der Berufserfahrung des:der Beschäftigten richten. Es gibt insgesamt 15 Entgeltgruppen, die von E1 bis E15 reichen.

Alle bisherigen Angebote der Arbeitgeber wurden von den Gewerkschaften abgelehnt. So wurde z. B. die dritte Gesprächsrunde zwischen dem EVG und der Deutschen Bahn erneut ohne Ergebnis beendet, nachdem die Gewerkschaft das Angebot der Bahn von 10 Prozent Lohnerhöhung abgelehnt hatte. Die Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften sind in einer Sackgasse und es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Parteien in Zukunft annähern werden. Der 50-stündige Warnstreik soll nun Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben und dazu beitragen, dass die Forderungen ernst genommen werden.

So viel verdienen die streikenden Berufsgruppen

Auf Grundlage der von kununu Nutzer:innen auf kununu geteilten Gehaltsdaten geben wir dir Aufschluss über die durchschnittlichen Gehälter der seit März immer wieder streikenden Berufsgruppen. Wenig überraschend: Die Gehälter der Beschäftigten im Verkehrssektor sind vergleichsweise niedrig. Insbesondere Flughafenmitarbeiter:innen, Zugbegleiter:innen sowie Busfahrer:innen liegen laut den kununu Daten weit unter dem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt von 48.538 Euro in Deutschland.

Gehaltszufriedenheit der streikenden Berufsgruppen

Die Systemrelevanz und anhaltend hohe Arbeitsbelastung der streikenden Berufsgruppen spiegelt sich bislang nur wenig in den Gehältern wider. Die letzten Verhandlungen der Gewerkschaft mit den Arbeitgebern fanden zu Hochzeiten der Corona-Pandemie 2021 statt. Der Verkehrssektor geriet damals nahezu zum Stillstand, folglich orientierten sich die Tarifverträge unter anderem an den fehlenden Einnahmen. Kaum verwunderlich, dass betroffene Arbeitnehmende nun bei voller Wiederaufnahme der Dienstleistungen unzufrieden mit ihrem Gehalt sind. Denn die Gehaltszufriedenheit basiert nicht nur auf der Gehaltshöhe, sondern bemisst sich auch anhand der Arbeitsbedingungen.

BerufsgruppeØ Jahresgehalt in Euro (brutto)Zufrieden mit ihrem Gehalt
Verkehrsplaner:in50.23336,7 %
Flugzeugtechniker:in48.81841,7 %
Lokomotivführer:in40.45933,3 %
Straßenbauer:in39.20038,5 %
Busfahrer:in32.14423,8 %
Zugbegleiter:in31.07613,4 %
Airport Services Officer (Flughafenmitarbeiter:innen) 30.52816,1 %

Klar, mehr geht immer. Jedoch sind Arbeitnehmende im Verkehrssektor deutlich seltener mit ihrem Gehalt zufrieden, als in anderen Branchen. Im Durchschnitt bezeichnen 35,7 Prozent der Arbeitnehmer:innen auf kununu ihr Gehalt als gut oder sehr gut. Betrachtet man jedoch die streikenden Berufsgruppen, dann fällt dieser Wert deutlich niedriger aus: Beispielsweise empfinden laut kununu Daten nur 23,8 Prozent der Busfahrer:innen ihr Gehalt als gut oder sehr gut. Auch Zugbegleiter:innen und Flughafenmitarbeiter:innen zeigen sich nur selten mit ihrem Gehalt zufrieden. Hier geben lediglich 16,1 Prozent und 13,4 Prozent an, sie seien mit ihrem Gehalt zufrieden oder sehr zufrieden.

Der durchschnittliche Score der Gehaltszufriedenheit der streikenden Berufsgruppen liegt übrigens bei 67,2 Prozent. Auf der Skala von 1 (sehr schlecht) und 5 (sehr gut) bedeutet das einen durchschnittlichen Wert von 3,36.

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Wie berechnen wir unsere Gehaltsdaten?

Die Analyse basiert auf  Bewertungen und Gehaltsabgaben von Arbeitnehmer:innen auf kununu.com. Hier können Mitarbeiter:innen anonym ihr Gehalt teilen und bewerten, ob sie zufrieden mit ihrem Verdienst sind und ob das Gehalt der Verantwortung und den Arbeitsbedingungen entspricht. Die Skala reicht dabei von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut). Mehr zu unserer Datenanalyse findest du hier.

Übrigens: In unserem kununu Gehaltscheck 2023 findest du eine umfassende Analyse der Gehälter in Deutschland auf Basis von über 500.000 Gehaltsangaben.

Sind die Streiks überhaupt erlaubt?

Da es kein gesetzliches Regelwerk für Arbeitskämpfe gibt, ist es nicht offensichtlich verboten, zu streiken. Theoretisch gibt es jedoch eine Begrenzung für Warnstreiks aus der Rechtsprechung, das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip: Vor einem Warnstreik müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um den Tarifkonflikt friedlich zu lösen. Das heißt, es sollte nicht nach der ersten Verhandlungsrunde gleich zum Streik kommen. Letztendlich liegt es jedoch in den Händen der beiden Tarifparteien, zu entscheiden, ob die friedliche Verhandlungen bereits ausgeschöpft sind. Darüber hinaus muss eine Gewerkschaft nicht zwangsläufig das Scheitern der Verhandlungen erklären, um einen Warnstreik durchzuführen.

Verspätungen wegen Streik: Bin ich rechtlich abgesichert?

Das sogenannte Wegerisiko liegt auf Seiten der Arbeitnehmer:innen, was bedeutet, dass dieser verantwortlich dafür ist, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Sollte der Arbeitgeber nicht von sich aus Kulanz zeigen, müssen Arbeitnehmer:innen zumindest nachweisen, dass sie mit angemessenem Aufwand versucht haben, zur Arbeit zu kommen. Wenn es jedoch tatsächlich auf keinem sinnvollen Weg möglich war, den Arbeitsplatz zu erreichen, wird der Arbeitgeber wegen der Fehlzeit keine Abmahnung oder gar Kündigung durchsetzen können. Auf der anderen Seite muss er jedoch auch keinen Lohn für die ausgefallene Zeit zahlen. Der Arbeitgeber ist nur verpflichtet, tatsächlich geleistete Arbeitszeiten zu vergüten, auch wenn beide Seiten nichts für den Ausfall können.

Lohn-Preis-Spirale wegen Gehaltserhöhungen?

Kritiker:innen der derzeitigen Streiks vertreten häufig die Meinung, die Lohnerhöhungen könnten die Inflation weiter entfachen und für eine Lohn-Preis-Spirale sorgen. Der Ökonom Marcel Fratzscher sieht die Gewerkschafts-Lohnforderungen jedoch als nicht schädlich für die Wirtschaft. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin betont, dass Lohnerhöhungen in der aktuellen Situation dazu beitragen können, die Nachfrage zu stabilisieren und zu stärken. Der Beitrag von Lohnerhöhungen zur Inflation fiele eher gering aus und die treibende Kraft hinter der Inflation seien nach wie vor die explodierenden Energiekosten.

letztes Update: 16. Mai 2023