Tattoos, Bart und Übergewicht: 5 Mythen zum Aussehen im Job

Urlaubsanspruch, Verschwiegenheitserklärung und Dienstvorschrift: Arbeitsrecht kann manchmal ganz schön verwirrend sein, besonders wenn es zu dem Thema Aussehen kommt. Muss ich meine Tattoos verdecken? Darf ich das anziehen? Den Bart abrasieren? Die Piercings entfernen? Antworten auf diese Fragen hat unser Kooperationspartner Business Punk, der in einem Interview Heike Brodersen, Fachanwältin für Arbeitsrecht, befragt hat, wie viel Wahrheit wirklich hinter den unterschiedlichsten Mythen zum Thema Aussehen im Job steckt.

Ungekämmte Haare und verschlissene Jeans – dürfen Arbeitgeber das überhaupt kritisieren?

Eigentlich nicht. Denn das Persönlichkeitsrecht besagt, dass jede und jeder erst mal selbst über das eigene Aussehen entscheiden kann und damit selbst bestimmt, wie er oder sie sich kleidet. Gleichwohl können sich Bekleidungsvorschriften aus der geschuldeten Tätigkeit ergeben. In einer Bank am Schalter werden kaputte Jeans und fettige Haare nicht gern gesehen, denn dort wird von Kunden erwarten, dass man gepflegt zur Arbeit erscheint. Hier kann der Arbeitgeber eine branchenübliche Kleidung verlangen. Was branchenüblich ist, kann sich aber verändern. So muss ein Bankangestellter nicht mehr automatisch zur Krawatte verpflichtet werden, nur weil das mal zum Berufsbild gehört hat.

Muss der Bart ab oder das Tattoo weg, wenn der Arbeitgeber das aufträgt?

Solche Vorgaben schränken die private Lebenssphäre noch stärker ein. Arbeitgeber müssen daher beweisen, dass Kundinnen wegbleiben und sich dadurch für ihr Unternehmen ein ökonomischer Nachteil ergibt. Die Befürchtung, dass Kunden wegbleiben, reicht im Normalfall nicht, zumal heutzutage Tattoos und Bärte als gesellschaftlich „normales“ Aussehen gesehen wird.

Muss die Dienstkleidung im Arbeitsvertrag festgeschrieben sein, damit sie gültig ist?

Nein, auch wenn eine Regelung im Arbeitsvertrag fehlt, gehört dies zu den sogenannten arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Der Arbeitgeber kann in Ausübung seines Weisungsrechts eine branchenübliche Kleidung verlangen. Gibt es einen Betriebsrat, dann kann dieser die Ausgestaltung der Kleiderordnung mitbestimmen. Außerdem müssen gesetzliche Arbeitsschutzvorschriften beachtet werden. Arbeite ich zum Beispiel in einem Restaurant, müssen Hygienevorschriften eingehalten werden, denn sonst könnte anderen Menschen Schaden zugefügt werden. In solchen Fällen dürfen Arbeitgeber Dienstkleidung vorschreiben. Ausnahmefälle gibt es beispielsweise bei Hitze: Wenn es im Sommer im Büro warm wird, darf man in der Regel Dienstkleidung wie ein Sakko ablegen, wenn man sonst gesundheitliche Probleme bekommt. Feuerwehrleute müssen hingegen derzeit trotz der sommerlichen Hitze ihre Schutzkleidung anbehalten.

Ist es okay, geschlechtsspezifische Dienstkleidung zu erwarten?

Grundsätzlich gilt: Aufgrund des Geschlechts dürfen Arbeitnehmer nicht diskriminiert werden. Vor Kurzem hat ein Pilot geklagt, weil er eine Cockpit-Mütze tragen musste, seine Kolleginnen aber nicht. Er hat gewonnen. Denn tatsächlich gab es keinen sachlichen Grund, warum die Geschlechter unterschiedlich behandelt wurden. Als geschlechtsdiskriminierend ist entgegen einer Entscheidung des LAG Kölns die Vorgabe in einer Betriebsvereinbarung zu sehen, mit welcher nur die weiblichen Fluggastkontrolleure ihre Fingernägel auf eine bestimmte Länge kürzen mussten, ihre Kollegen hingegen nicht. Es mag zwar zweckmäßig sein, dass bei Kunden keine Kratzspuren hinterlassen werden sollen – dies muss aber für beide Geschlechter gleichermaßen gelten.

Darf ich aufgrund von Übergewicht beim Vorstellungsgespräch abgelehnt werden?

Die Frage, die man hier stellen muss, ist: Wieso sollte ein übergewichtiger Bewerber seine Arbeitsleistung schlechter erfüllen als jemand anders? In vielen Fällen macht das keinen Sinn. Ausnahmen kann es nur geben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Gewichts aus arbeitstechnischen oder medizinischen Erwägungen nicht die geforderte Tätigkeit ausüben kann, also beispielsweise nicht am OP-Tisch stehen kann. Ansonsten gibt es keinen Grund, jemanden abzuweisen. Bei einer Adipositas drohen dem Arbeitgeber im Falle einer unberechtigten Ablehnung sogar gegebenenfalls Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche. Das besagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.