kununu Kulturkompass: Erläuterung der methodischen Grundlagen
kununu stellt Arbeitnehmern und Bewerbern seit Jahren nutzergenerierte Unternehmensbewertungen zur Verfügung, um einen authentischen Einblick in Arbeitgeber zu geben. Seit Juli 2019 hat kununu mehr als 40.000 Datenpunkte zur Unternehmenskultur gesammelt und wird diese im Oktober 2019 auf den Unternehmensprofilen darstellen.
Der kununu Kulturkompass verwendet den NEO Wertedialog, den Prof. Dr. Timo Meynhardt von der Handelshochschule Leipzig (Arend Oetker Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie und Management) und Timm Richter, Diplom-Mathematiker und MBA, mit ihrer Firma NEO Culture GmbH entwickelt haben.
Eine noch umfassendere Einordnung und die Herleitung der Methode findet sich hier im Whitepaper.
Blitzlicht: Die Methode in aller Kürze
Der kununu Kulturkompass ist eine Online-Befragung zur Unternehmenskultur. Er funktioniert wie eine Kamera, die einen sprachlichen Schnappschuss einer Unternehmenskultur macht. Anstatt von Pixeln in Digitalkameras gibt es in Summe 160 Wertbegriffe, die wie Sensoren genutzt werden. So kann man über alle Befragungsteilnehmer auszählen, welche Wertbegriffe die jeweilige Unternehmenskultur aus Sicht der Mitarbeiter am stärksten ausmachen. Die Sensoren decken dabei vier Themenbereiche ab: Work – Life, Umgang miteinander, Führung und strategische Richtung. Und für jeden dieser Themenbereiche wird dargestellt, ob die Wertbegriffe eher einem „klassischen Arbeiten“ (traditionell) oder einem „neuen Arbeiten“ (modern) entsprechen.
In der Organisationsforschung gibt es einige verbreitete Verfahren, die je unterschiedliche Aspekte von Organisationskultur mithilfe von Fragebögen beleuchten. Viele der Verfahren und Erkenntnisse sind schon Jahre oder sogar Jahrzehnte alt. Sie werden vor allem für interne Zwecke verwendet.
Eine Kulturbefragung für kununu dagegen soll ganz neuen Anforderungen gerecht werden, die bisherige Methoden nicht optimal erfüllen. Denn kununu möchte seinen Nutzern Einblicke in die Unternehmenskultur von Arbeitgebern ermöglichen. Und das auf Basis der Erkenntnisse derjenigen, die es am besten wissen: die aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter.
Konkret erfüllt der kununu Kulturkompass folgende Anforderungen:
#Wissenschaftliche Fundierung
Der kununu Kulturkompass nutzt die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte und kombiniert bewährte Konzepte in neuartiger Weise. Es wurde darauf geachtet, die soziologische Theorie praxistauglich zu machen.
#Kulturbeschreibung, die Arbeitnehmern hilft
Viele Kulturanalysen interessieren sich aus einem Management-Blickwinkel für die Leistungsoptimierung von Unternehmen und Soll-Anforderungen an die Kultur. In anderen Fällen werden unter der Überschrift „Passung zur Kultur“ eher Bewerber durchleuchtet. Der kununu Kulturkompass hingegen ist als Werkzeug für Arbeitnehmer konzipiert. Er konzentriert sich auf die Kulturelemente, die ein Unternehmen für Arbeitnehmer gut beschreiben. Und mit dem Fokus auf die Ist-Kultur der Unternehmen werden Arbeitgeber – im Gegensatz zu Kandidaten – transparent gemacht.
#Schnelle, kurzweilige Befragung
Das Ausfüllen bei kununu dauert im Schnitt nur acht Minuten. Zu vier Themenbereichen wählt man aus vorgeschlagenen Begriffen diejenigen aus, die die Unternehmenskultur am besten beschreiben.
#Leicht verständliche Ergebnisdarstellung mit Substanz und Strukturierung
Die Ergebnisdarstellung wurde so entwickelt, dass sie für Nutzer ohne umfassende Erläuterungen zugänglich ist. Zum einen wird gezeigt, mit welchen Begriffen die meisten Teilnehmer die Kultur beschreiben. Diese Darstellung bietet substanzielle Detailtiefe und bei einer Basis von 160 Wertbegriffe auch eine hohe Differenzierungsmöglichkeit zwischen Unternehmen. Zum anderen wird eine strukturierende Einordnung vorgenommen, inwieweit in der Kultur eher klassisch-traditionelle bzw. modern-neue Elemente des Arbeitens vorherrschen und wie diese beiden Pole in den vier relevanten Themenbereichen jeweils ausgeprägt sind. Dadurch ist ein erstes, schnelles Erfassen und Vergleichen von Unternehmenskulturen möglich.
Dieses sehr einfache, aber wirkungsvolle Vorgehen profitiert von den Erkenntnissen aus jahrzehntelanger Organisationsforschung. Im Einzelnen hat der kununu Kulturkompass die folgende wissenschaftliche Basis:
Kulturdefinition von Edgar Schein sowie Wertwissen-Ansatz von Timo Meynhardt
Am Anfang steht die Frage: Was versteht man überhaupt unter einer Unternehmenskultur? Edgar Schein (Schein, 1990) hat in den Achtziger- und Neunzigerjahren eine Definition geprägt, die sich weithin als Standard etabliert hat. Demnach manifestiert sich die Unternehmenskultur in den wiederkehrenden Mustern im Fühlen, Denken und Handeln, die eine Organisation erfolgreich gemacht haben und die dadurch selbstverständlich geworden sind. Kultur zeigt sich also in den Handlungsweisen, die automatisch und ohne weiteres Hinterfragen wiederholt werden.
Timo Meynhardt hat in seiner Dissertation (Meynhardt, 2004) diesen Ansatz weiter ausgebaut. Er bezeichnet solche Muster als Wertwissen und unterscheidet sie vom Sachwissen. Sachwissen umfasst die Erkenntnisse, die Menschen unabhängig voneinander und übereinstimmend über ihre Umwelt gewinnen (z.B. Eigenschaften von Gegenständen, Naturgesetze, physikalische Messergebnisse etc.). Doch in einer komplexen Welt müssen Organisationen unter Unsicherheit und mit unvollständigem Wissen agieren. Um handlungsfähig zu bleiben, entwickeln Organisationen Wertwissen, d. h. Heuristiken, vereinfachende Verhaltensregeln, leitende Werte, die ihnen das Entscheiden unter Unsicherheit ermöglichen (z. B. Bewährtes wiederholen, Mitarbeitern Freiräume geben, persönlich und warmherzig sein, man selbst sein können etc.). Ebendiese verstetigten Wertungen oder Werte machen die Kultur aus.
Dementsprechend fragt der kununu Kulturkompass die Teilnehmer, welche wertbasierten Verhaltensweisen und Einstellungen sie in ihrem Unternehmen besonders wahrnehmen.
Blitzlicht: Vorgehen bei der Datenerhebung
Teilnehmer werden in vier Schritten zu vier Themenbereichen befragt, nämlich Work-Life, Umgang miteinander, Führung und strategische Richtung des Unternehmens. Zu jedem dieser Themen werden insgesamt 40 Wertbegriffe präsentiert, und die Teilnehmer geben an, welche fünf bis zehn Wertbegriffe sie in ihrem Unternehmen am stärksten wahrnehmen.
Die Anzahl der Nennungen von ausgewählten Wertbegriffen bildet die Grundlage für die Ergebnisdarstellung.
Abdeckung kultureller Phänomene in etablierten Verfahren und Theorien
Weiter oben wurde beschrieben, dass man sich den kununu Kulturkompass als Kamera vorstellen kann, die einen Schnappschuss von der Unternehmenskultur macht. Die verwendeten Wertbegriffe sind dabei die Sensoren. Ihre Auswahl entscheidet darüber, welche Phänomene in den Blick genommen werden.
Die Auswahl der Wertbegriffe nutzt die Erkenntnisse der bisherigen Forschung. Neben relevanten Aspekten aus der allgemeinen Organisationskulturtheorie wurden insbesondere neun Verfahren und Theorien detaillierter betrachtet. Darunter sind so wichtige Ansätze wie die Universal Basic Values von Shalom Schwartz (Schwartz, 2012), die Kulturdimensionen von Geert Hofstede (Hofstede, 2011) oder die Begrifflichkeiten von Clare Graves (Graves, 2011), die dem Spiral Dynamics Ansatz zugrunde liegen. Wie nicht weiter verwunderlich, gibt es bei allen Unterschieden im Detail große thematische Überlappungen zwischen diesen Verfahren. Sie alle arbeiten mit Werten, Normen und Regeln.
Aus diesen unterschiedlichen Ansätzen wurde ein Meta-Set an 160 unterschiedlichen Wertbegriffen abgeleitet, welches die kulturellen Themen dieser Verfahren abdeckt. Dadurch ist der Aufnahmebereich der „Kulturkamera“ sehr groß. Diese hohe Anzahl ist möglich, da im Gegensatz zu anderen Methoden, die sich im Vorgehen häufig an die Ansätze der Psychometrie anlehnen, keine Mehrfachcodierung von ein und demselben Konstrukt abgefragt wird. Das gibt mehr Zeit für die Abfrage von unterschiedlichen Wertbegriffen. Außerdem werden die 160 Wertbegriffe nicht anhand von Skalen abgefragt, wie es häufig üblich ist, sondern die Teilnehmer wählen insgesamt viermal aus je 40 Wertbegriffen diejenigen aus, die sie am stärksten wahrnehmen. Das hat den Vorteil, dass man erkennt, welche Themen oft genannt werden und dementsprechend im jeweiligen Unternehmen wichtig sind – und welche eben nicht.
Strukturierung der Wertbegriffe mit Wertequadraten nach Schulz von Thun
Bei der Festlegung der 160 Wertbegriffe wurde außerdem die Theorie der Wertequadrate verwendet, die auf Nicolai Hartmann und Paul Helwig zurückgeht und von Friedemann Schulz von Thun (Schulz von Thun, 2015) weiterentwickelt und populär gemacht wurde.
Die Wertbegriffe, die eine Unternehmenskultur beschreiben, sind eben nicht per se gut oder schlecht. Bei Wertbegriffen geht es immer um die Balance von zwei wünschenswerten Polen, die jedoch ins Negative umschlagen, wenn man – nach Prof. Schulz von Thun – des Guten zu viel will. So werden beispielsweise viele zustimmen, dass man sowohl Bewährtes wiederholen als auch Neues ausprobieren sollte. Wenn man es mit je einer Seite übertreibt, dann macht man immer nur das Gleiche oder erfindet das Rad ständig neu. Es kommt in jedem Unternehmen darauf an, eine stimmige Balance zu finden, die es in seinem spezifischen Marktumfeld erfolgreich handeln lässt.
Die 160 Wertbegriffe des kununu Kulturkompasses umfassen also 40 solcher Wertequadrate mit je zwei positiven Wertbegriffen und zwei negativen Übertreibungen. Wir haben durch eine Panelbefragung sichergestellt, dass unsere Zuordnung einer positiven bzw. negativen Bewertung dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht.
Die Logik der Wertequadrate ermöglicht es vor allem in der Strukturierung der Themenbereiche, die jeweils im Grundsatz positiven Pole in den Blick zu nehmen und zu schauen, wie sich die Balance zwischen ihnen in einem Unternehmen darstellt. Dies lässt den Nutzern die Freiheit, sich ein eigenes Urteil darüber zu bilden, wie attraktiv eine jeweilige Unternehmenskultur für sie persönlich ist.
Thematische Gruppierung der Wertbegriffe mithilfe von Organisationstheorie
Um den Nutzern den Zugang zu den Ergebnissen des kununu Kulturkompasses zu erleichtern und eine erste Orientierung zu geben, haben wir die 40 Wertequadrate thematisch gruppiert und ausgerichtet.
Übersicht Themenbereiche und Aspekte
Bereits Geert Hofstede (Hofstede, 2011) hat festgestellt, dass das Hauptkriterium bei der Beurteilung von Landeskulturen der Grad an Tradition bzw. Modernität ist. Ähnlich verhält es sich mit Unternehmenskulturen. In vielen Theorien zu Unternehmenskulturen wird betrachtet, in welchem Verhältnis stabile Leistung und innovative Veränderung stehen. Dies spiegelt sich in der heutigen öffentlichen Diskussion in der Frage, inwieweit Unternehmenskulturen dem tayloristischen Maschinenmodell oder einem beziehungsorientierten Netzwerkmodell folgen.
Gegenüberstellung „klassisches Arbeiten“ und „neues Arbeiten“
Diese Hauptunterscheidung, die im kununu Kulturkompass mit traditionell und modern überschrieben ist, liegt den 40 Wertequadraten zugrunde. Durch eine Panelbefragung wurde überprüft, dass die Zuordnung der positiven Wertbegriffe zu diesen beiden Kategorien dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht.
Jeweils zehn Wertequadrate sind zu einem von vier Themenbereichen gruppiert.
Diese vier Themenbereiche sind in der Tabelle 1 dargestellt und geben Antwort auf folgende Fragen:
#Work-Life: Was bedeutet die Zugehörigkeit zu diesem Unternehmen? Wie werden also Rollenanforderungen und ganzheitliche persönliche Bedürfnisse in Einklang gebracht?
#Umgang miteinander: Wie werden die horizontalen Beziehungen zwischen Kollegen gestaltet? Liegt der Schwerpunkt auf dem Sachfokus, durchaus auch auf individuellen Leistungen und der produktiven Nutzung von Konflikten? Oder stehen Beziehungen, die Gemeinschaft und gegenseitiger Respekt im Vordergrund?
#Führung: Wie werden vertikale Beziehungen gestaltet? Gibt eine Person klar die Richtung und Spielräume vor und fordert die Mitarbeiter? Oder werden die Mitarbeiter stärker eingebunden und haben erweiterte Freiräume?
#Strategische Richtung: Liegt der Schwerpunkt des unternehmerischen Handelns auf Skalierung oder Neues entdecken? Hat man also klare Regeln und legt Wert auf Sicherheit und Tradition? Oder geht es eher darum, visionär zu sein und die Chancen zu nutzen, die man in einer Außenorientierung findet?
Diese vier Themenbereiche werden auch in der Wissenschaft betrachtet. Es sind im Übrigen genau die Themenbereiche, die kununu-Nutzer in einer Befragung überwiegend für relevant erachteten.
Eine noch umfassendere Einordnung und die Herleitung der Methode findet sich im Downloadbereich.