"Wer gut führt, der inspiriert." – Dr. Dr. Gattus Hösl im Interview

Alle paar Jahre gibt es einen neuen Führungsstil, der en vogue ist: vom Laissez-faire bis zum Autoritären Führungsstil, alles schon mal gehört. Doch was zeichnet gute Führung wirklich aus? Experte und Autor Dr.Dr. Gattus Hösl vertritt die Meinung, dass gute Führung inspiriert. Was Mediatives Handeln damit zu tun hat, lest selbst.

kununu: Sie sind nicht nur Gründer und Leiter des Instituts für Transformative Mediation, sondern auch praktizierender Mediator. Was genau bedeutet Mediatives Handeln in der Arbeitswelt?

Mediatives Handeln bedeutet, entsprechend den Inhalten der Transformativen Mediation in einer empathischen, authentischen und wertschätzenden Grundhaltung praxisbewährte Kommunikationstechniken anzuwenden. Wer mediativ handelt, erfährt eine eigene Klarheit und Stärke. Und wer mediativ handelt, kann Konflikte deeskalieren und trägt dazu bei, dass Konflikte erst gar nicht entstehen. Er eröffnet Gestaltungsräume hin zu einem humaneren Miteinander in der Berufs-und Arbeitswelt.

kununu: „Wer gut führt, der inspiriert.“ – Können Sie uns erklären, was genau Sie damit meinen?

Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens stehen immer auch in Zusammenhang mit den Führungsstilen von Unternehmern und leitenden Angestellten. Führe ich dirigistisch, motivierend oder inspirierend, Schnittmengen nicht ausgeschlossen.

kununu: Was macht den Unterschied?

Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren – diese drei Worte zeichnen den dirigistischen Führungsstil aus. Beim motivierenden Führungsstil geht es um Fordern, Fördern, Feedback geben; im inspirierenden hingegen um Wege, Werte, Wirkung. Inspirieren kommt vom Lateinischen spiritus: Geist, Atem und meint eine Kraft, mit der wir den Anderen begeistern und sozusagen neu beleben können. Genau das ist aus meiner Sicht die Aufgabe einer Führungsperson. Der Weg geht über die Transformative Mediation und das aus ihr resultierende Mediative Handeln.

Wenn ein Unternehmen ohne Werte wie Verantwortung, Solidarität, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, sich der Qualität verpflichtet fühlen, Leistungswillen, gerechte Entlohnung, etc. wirtschaftet, werden auch die Werte und die Würde der Menschen, die in ihnen arbeiten, in Mitleidenschaft gezogen. Und was Sie als Führender sagen, tun oder unterlassen und wie Sie das vermitteln, bewirkt etwas im Anderen.

kununu: Welche Eigenschaften brauchen Führungskräfte?

Damit die volle Wirkung des inspirierenden Führens erreicht werden kann, sind folgende Eigenschaften des Führenden maßgebend:

  • Der Führende muss sich selbst steuern können. Das bedeutet, seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu sehen. Selbstempathie und daraus wachsend Empathie, Authentizität und Wertschätzung führen zu diesem Ziel.
  • Der Führende strahlt Autorität aus.  Wie es eine Autorität gibt, die auf einem Machthaben beruht, so gibt es eine Autorität, die auf seiner Persönlichkeit beruht ohne drohen, befehlen oder bestechen zu müssen. Er ist, wie Erich Fromm sagt, ein hochentwickeltes Individuum, das durch das, was er ist – und nicht nur durch das, was er sagt oder tut, demonstriert, was der Mensch sein kann.
  • Der Führende dient. Jedes Amt, jede Funktion ist ein Dien-Amt. Ein solcher Dienst geschieht nicht in einem Monolog, der fordert. Es bedarf eines Dialogs, der beide Seiten zu mehr Klarheit und wechselseitigem Verstehen führt. Lebenspraktisch verlangt das, möglichst genau zu wissen, was die Leute bewegt, was sie innerlich beschäftigt, was sie umtreibt, welche Bedürfnisse sie haben, anstatt schon von vornherein festzulegen, was die Leute bewegen, beschäftigen soll. So können beide Seiten gewinnen. 

Die inspirierende Haltung des Führenden wird sich im Denken und Handeln des Anderen auswirken. Sie aktiviert über eine dirigierende oder motivierende Wegweisung hinaus im Anderen selbst eine Verantwortungsenergie. Wer inspirierend führt, schafft letztlich mehr Ertrag. Mit einer beziehungsorientierten Unternehmenskultur sind wir auf der Erfolgsspur in die Zukunft.

kununu: Was sind die häufigsten Fehler, die Führungskräfte in der Kommunikation mit ihren Mitarbeitern machen?

Die Liste ist lang. Ein gravierender Fehler ist nicht zuzuhören. Oft fehlt es an Wertschätzung, Lob und Zeit für den einzelnen Mitarbeiter. Ein absolutes No-Go: Kritik vor anderen Kollegen. Was dem Miteinander auch im Weg stehen kann, ist ein zu großes Ego, zu viele Machtspiele, ständiges Ausüben von Druck und ein Kontrollwahn. Was hingegen Abhilfe schafft, ist eine offene konstruktive Kommunikation.

kununu: Können Sie anhand eines konkreten Beispiels aufzeigen, wie ein Unternehmen davon profitieren kann, wenn Führungskräfte mediativ handeln und kommunizieren?

Vorteile und Nutzen für ein Unternehmen, nehmen wir z.B. eine Textilservice GmbH mit den Geschäftsfeldern Krankenhauswesen, Senioren- und Pflegeheime, Industrie- und Gewerbe, Restaurant- und Beherbergung, liegen darin, dass bei einem mediativen Handeln der Führenden neben ertragssteigernden „betriebsklimatischen“ Verbesserungen u.a. folgende ertragsmindernde Kostenfaktoren gar nicht oder in nur wesentlich geringerem Umfang entstehen:

  • verminderte Qualität der Entscheidungen und Ergebnisse
  • Verlust von Mitarbeitern
  • Belastende Kommunikationswege und Rückfall in unwirtschaftliche Strukturen
  • Geringe Motivation und Leistungsfähigkeit
  • Verlorene Arbeitszeit
  • Fehlzeiten und Krankenstand
  • Diebstahl, Beschädigung, Sabotage

Mediatives Handeln, das immer auch ein mediatives Kommunizieren beinhaltet, ist branchenunabhängig jedem Führenden auf jeder Ebene möglich.

kununu: Herr Hösl, wir danken Ihnen für das Interview.

Über den Experten Dr. Dr Gattus Hösl

Dr. Dr. Gattus Hösl ist Mediator, lizensierter Ausbilder für Mediation, Lehrbeauftragter für Mediation an Hochschulen und Autor des Bestsellers „Mediation – die erfolgreiche Konfliktlösung. Grundlagen und praktische Anwendung“ und der DVD „Kommunikation – eine Fremdsprache?“ Außerdem ist er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mediation DGM.