Gehaltstransparenz: Darf ich über Gehalt sprechen?

In Norwegen oder Schweden ist Gehaltstransparenz längst gängig, in den USA brüsten sich manche sogar damit, doch im deutschsprachigen Raum wird es noch immer gerne als Tabuthema bezeichnet. Die Rede ist vom Gehalt. Lange Zeit galt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Aber was denken Arbeitnehmer:innen wirklich von einer Gehaltstransparenz bei ihrem Arbeitgeber?

Kununu ist dieser Frage nachgegangen und befragte in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut bilendi über 1000 Arbeitnehmer:innen zu ihrer Einstellung bezüglich Gehaltstransparenz. Die Ergebnisse der Studie erfährst du in diesem Artikel. Darüber hinaus fassen wir für dich die Vor- und Nachteile von Gehaltstransparenz zusammen und welche Rechte du als Arbeitnehmer:in hast.

Gehaltstransparenz, was ist das?

In den vergangenen Jahren hat das Thema Gehaltstransparenz in der öffentlichen Diskussion an Bedeutung gewonnen, auch im deutschsprachigen Raum. Hintergrund ist unter anderem der sogenannte Gender-Pay-Gap, also die Tatsache, dass Frauen nach wie vor durchschnittlich weniger verdienen als Männer. Die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern sind in den vergangenen Jahren gesunken, aber auch im Jahr 2020 betrug der Gender-Pay-Gap in Deutschland noch 18 Prozent. Hinter der Diskussion um die Offenlegung von Gehältern steht also auch die Forderung nach mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Bezahlung von Leistung.

Gehaltstransparenz oder Open Salaries bezeichnet die Praxis von Unternehmen, die Gehälter von Mitarbeitenden anhand definierter Regeln zu bestimmen, anstatt sie individuell zwischen dem Unternehmen und dem Mitarbeitenden zu verhandeln. Üblicherweise wird dazu eine vom Unternehmen definierte Gehaltsformel zugrunde gelegt. Die Offenlegung der Gehälter bedeutet nicht unbedingt, dass jede:r, die:der im Unternehmen den gleichen Job ausübt, exakt das gleiche Gehalt oder den gleichen Lohn bekommt. Es bedeutet auch nicht unbedingt, dass jedes individuelle Gehalt veröffentlicht wird. Anhand der Gehaltsformel, die jedes Unternehmen individuell für sich erstellt, lassen sich bestimmte Bandbreiten für unterschiedliche Jobgruppen ablesen. Wenn du dich bei einem Unternehmen bewirbst, das die Gehälter seiner Mitarbeitenden offenlegt, kannst du von Beginn an zumindest grob einschätzen, welches Gehalt du erwarten kannst. Und wenn du in einem Unternehmen arbeitest, das Gehaltstransparenz lebt, kannst du feststellen, wie hoch dein Gehalt ist im Vergleich zu Kolleg:innen, die in deinem Unternehmen eine ähnliche Tätigkeit ausüben wie du. Mit Kolleg:innen über Gehalt zu reden, ist dann kein Tabu mehr.

In deinem Unternehmen wird nicht über Gehalt gesprochen? Du möchtest aber dennoch wissen, ob du fair bezahlt wirst? Auf kununu.com wird über Gehalt geredet! Mit dem kununu Gehaltscheck kannst du nun tagesaktuelle Durchschnittsgehälter zu deinem Beruf entdecken!

Studie: Mitarbeiter:innen wollen Gehaltstabu beenden

Die Gehaltshöhe kann unter Kolleg:innen ein sensibles Gesprächsthema darstellen und wird nicht selten gemieden. Ein Großteil der Arbeitnehmer:innen will das ändern: Die Mehrheit der Beschäftigten befürworten eine Gehaltstransparenz und die Offenlegung von Gehaltsdaten durch ihre Arbeitgeber. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Studie von 2022, für die die Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu 1.016 Arbeitnehmer:innen zum Thema Gehaltstransparenz befragte. 

Demnach würden mit 67 Prozent über ein Drittel der Befragten gerne wissen, was ihre Kolleg:innen verdienen. 56% der Befragten würden zudem befürworten, wenn ihr aktueller Arbeitgeber zumindest den Gehaltsrahmen ihrer Mitarbeiter:innen offenlegt. Fast ein Drittel (31 Prozent) wären sogar damit einverstanden, wenn die genauen Gehaltszahlen veröffentlicht werden. Die Gründe für diese neue Offenheit in Gehaltsfragen liegen nach Meinung der Mitarbeiter:innen auf der Hand: Zwei Drittel der Befragten sind überzeugt, dass dadurch das Gefühl für Fairness und Gleichbehandlung in der Belegschaft steigt und somit auch die Motivation der Mitarbeiter:innen steigt.

Ebenfalls als Wünschenswert betrachten die Befragten eine Gehaltstransparenz in Stellenzeigen. Mehr als drei Viertel wären damit einverstanden, wenn in dieser zumindest der Gehaltsrahmen der ausgeschriebenen Stelle publiziert wird. Ein Grund dafür ist, dass diese Gehaltsinformationen als bewerbungsrelevant eingeschätzt werden: 78 Prozent der Befragten empfinden konkrete Gehaltsdaten als ausschlaggebend bei der Jobwahl.

Woran scheitert die Gehaltstransparenz?

Arbeitnehmer:innen sind den Ergebnissen zu Folge gewillt mit dem Tabu "Gehaltstransparenz" zu brechen. 62% der Befragten vermuten jedoch, dass in den Chefetagen kein Ende des Gehaltstabus gewünscht ist. Weitere 61% befürchten einen ansteigenden Neidfaktor im Unternehmen – vor allem dann, wenn die Offenlegung der Daten zeigt, dass es unterschiedliche Gehälter bei vergleichbaren Tätigkeiten gibt.

Über die Studie 

Für die Gehaltsstudie befragte das Marktforschungsinstitut bilendi im Auftrag von kununu 1.016 Beschäftigte aus ganz Deutschland zu deren Einstellung in Sachen Gehaltstransparenz. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer:innen betrug zum Zeitpunkt der Befragung im August 2022 39,4 Jahre. 52% waren weiblich, 48% männlich. 98% der Befragten waren voll berufstätig, 2% in Teilzeit unterwegs.

Interesse geweckt? Mehr spannende Fakten rund um Gehalt & Gehaltszufriedenheit findest du in unserer kununu Gehaltsstudie 2022.

Hier kommst du zur kununu Gehaltsstudie

Über das Gehalt sprechen? Pro & Contra

Sprichst du mit Kolleg:innen, in der Familie oder im Freundeskreis über dein Gehalt oder ist die Frage, was wer verdient, für dich eher ein Tabuthema?

Ja natürlich spreche ich über Gehalt!

Natürlich wäre es ein klarer Vorteil in deinem nächsten Gehaltsgespräch, wenn du genau wüsstest, was Kolleg:innen in gleicher Position verdienen. Wenn Gehälter offen zugänglich wären, könntest du ganz anders verhandeln. Gehaltstransparenz kann so zu mehr Lohngerechtigkeit führen. Rechtlich kann dir übrigens niemand verbieten, über dein Gehalt zu sprechen. In den meisten Fällen sind entsprechende Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen unwirksam. Daten deines individuellen Arbeitsvertrags, insbesondere dein Gehalt, fallen nicht unter die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht. Weiter unten in diesem Beitrag liest du, ob du in deinem Land sogar ein Recht auf Gehaltstransparenz hast.

Nein, ich spreche nicht über mein Gehalt!

Kritiker halten Gehaltstransparenz oft den Einwand entgegen, es würde den Betriebsfrieden stören, wenn jede:r wüsste, was Kolleg:innen und Vorgesetzte verdienen. Zoe Cullen, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Harvard-Universität, kommt auf Basis ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, dass höhere Gehaltstransparenz gar zu niedrigeren Gehältern führen kann. In ihrem Aufsatz Equilibrium Effects of Pay Transparency stellen sie fest, dass Gehaltstransparenz die Löhne um sieben bis 25 Prozent drückt. Cullen und ihre Kolleg:innen sehen den Grund dafür in sogenannten Gleichgewichtseffekten. Mehr Transparenz führe zwar dazu, dass Arbeitnehmer:innen besser informiert seien. Doch da Unternehmen damit rechnen müssten, dass eine erfolgreiche Forderung nach mehr Gehalt weitere Forderungen nach sich ziehen würde, blockten sie Verhandlungen generell ab. Somit werde es schwieriger für Arbeitnehmer:innen, ein überdurchschnittliches Gehalt zu verhandeln und das Lohnniveau wird insgesamt sogar gedrückt.

Habe ich ein Recht, über mein Gehalt zu sprechen?

Ob du gesetzlich ein Recht darauf hast, von deinem Arbeitgeber Transparenz zum Thema Gehalt zu verlangen, hängt von unterschiedlichen Bedingungen ab, unter anderem davon, in welchem deutschsprachigen Land du beschäftigt bist und wie groß das Unternehmen ist, für das du arbeitest. Hast du das Gefühl, in dem Unternehmen ungerecht bezahlt zu werden? In unserem Ratgeber findest du Tipps, was du tun kannst, wenn deine Kolleg:innen mehr verdienen.

Rechtlicher Stand in Deutschland

In Deutschland wurde 2017 das Entgelttransparenzgesetz eingeführt. Ziel des Gesetzes ist es, dafür zu sorgen, für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit die gleiche Bezahlung durchzusetzen.
Seit der Einführung des neuen Gesetzes hat generell jede:r Arbeitnehmer:in in Deutschland ein Recht darauf, Auskunft über die Entgeltstrukturen im eigenen Unternehmen zu verlangen. Allerdings greift das Gesetz nur für Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiter:innen. Darüber hinaus muss es mindestens sechs Beschäftigte als Vergleichspersonen zum Antragstellenden geben, dies ist auch aus datenschutzrechtlichen Gründen so festgelegt. Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen müssen in regelmäßigen Abständen prüfen, ob sie alle Mitarbeitenden in Sachen Gehalt gleich behandeln, und müssen darüber einen Bericht erstellen.
Es ist also nicht automatisch so, dass du dir durch das Entgelttransparenzgesetz ganz einfach einen Überblick verschaffen kannst, was deine Kolleg:innen um dich herum verdienen und ob du gerecht bezahlt wirst.

Rechtlicher Stand in Österreich

Ein Gesetz wie in Deutschland gibt es in Österreich bisher nicht. Allerdings sind Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeiter:innen durch die 2011 eingeführte Gleichstellungsnovelle dazu verpflichtet, alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen, der für die Belegschaft zugänglich sein muss. Darüber hinaus muss in Stellenangeboten die Höhe des Gehalts angegeben werden. Letzteres führt in der Praxis jedoch lediglich dazu, dass jeweils auf das Mindestgehalt in Stellenangeboten verwiesen wird mit dem Hinweis, dass die tatsächliche Bezahlung individuell verhandelt wird.

Rechtlicher Stand in der Schweiz

Bereits 2016 wurde die Charta für Equal Pay im öffentlichen Sektor eingeführt. Männer und Frauen, die über die gleiche Ausbildung und Qualifikationen verfügen und die gleiche Berufserfahrung haben, müssen auch das gleiche Gehalt beziehungsweise den gleichen Lohn bekommen. Die einzelnen Kantone können sich der Charta anschließen und sie lokal umsetzen. Bis 2021 haben 16 Kantone, 116 Gemeinden sowie der Bund die Charta unterzeichnet. Seit 2019 können auf freiwilliger Basis auch Privatunternehmen die Charta anwenden. In der Schweiz hat der öffentliche Bereich eine große Vorbild-Funktion, da viele Beschäftigte hier arbeiten und da viele Unternehmen geschäftliche Beziehungen mit dem öffentlichen Bereich haben.

EU-Richtlinie für europaweite Lohntransparenz

Auch auf EU-Ebene wird das Thema gerechte Bezahlung behandelt. Um länderübergreifend Lohngerechtigkeit voranzutreiben, hat die EU-Kommission am 4. März 2021 den Entwurf einer Richtlinie zu mehr Gehaltstransparenz eingereicht. Der Vorschlag skizziert Maßnahmen wie beispielsweise Berichterstattungspflichten für Unternehmen, Auskunftsansprüche oder verpflichtende Angaben zum Entgelt für Arbeitsuchende. Opfer von Lohndiskriminierung sollen leichter rechtliche Unterstützung und Beratung erhalten. Teilweise gehen die geplanten Maßnahmen über die derzeitigen Regelungen zur Entgelttransparenz in Deutschland hinaus. Der Vorschlag wurde dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt. Sollte er gebilligt werden, haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und der Kommission ihre Umsetzungsvorschriften zu übermitteln.

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Die Praxis: Wird bereits über Gehalt gesprochen?

Im privaten Umfeld ist Gehalt für viele Menschen ein Thema, über dass sie auch sprechen. Eine YouGov Befragung im Auftrag von kununu im Jahr 2021 zeigt, dass fast die Hälfte der befragten Arbeitnehmer:innen in Deutschland mit ihrem:ihrer Partner:in oder ihrer Familie über das Gehalt sprechen. Nur 19 Prozent teilen ihren Lohn mit den Arbeitskolleg:innen. 22 Prozent hingegen sprechen nie über ihr Gehalt.

Sicherlich hat das 2017 eingeführte Entgelttransparenzgesetz in Deutschland dazu geführt, dass das Thema gerechte Bezahlung stärker in den öffentlichen Fokus gerückt ist und dass Unternehmen sich damit auseinandersetzen müssen. Eine Umfrage, die das ifo-Institut nach Inkrafttreten des Gesetzes unter knapp 1.000 Personalleiter:innen durchgeführt hat, kommt jedoch zu dem Schluss, dass das Gesetz wenig Wirkung zeigt. Nur jede siebte Anfrage hat der Umfrage zufolge zu einer Gehaltsanpassung geführt. Auch erfolgten Anpassungen eher auf freiwilliger Basis bei kleineren Unternehmen als bei Großunternehmen, für die das Gesetz entworfen wurde. Als Grund nennen die Studienautor:innen die häufig starren Gehaltsstrukturen in großen Unternehmen, die wenig Flexibilität zulassen. Die Tatsache, dass sich auch kleinere Unternehmen, die nicht an das Gesetz gebunden sind, offen für das Thema Gehaltstransparenz zeigen, kann als positives Zeichen gewertet werden.

Es gibt Unternehmen, die das Thema aus eigenem Antrieb, unabhängig von der Gesetzgebung, fördern. Dazu zählen vor allem Betriebe, die sich durch eine moderne, fortschrittliche Unternehmensführung auszeichnen wollen und die attraktiv sein wollen für Bewerber:innen, die Wert legen auf Transparenz und eine zukunftsgewandte Arbeitskultur. Ein transparenter Umgang mit Lohn- und Gehaltsstrukturen schafft Vertrauen bei den Mitarbeiter:innen. Wenn jede:r im Unternehmen Beschäftigte davon ausgehen kann, gerecht bezahlt zu werden, fördert das das Betriebsklima und den Zusammenhalt. In unserem Ranking 2020 erfährst du, in welchen Unternehmen im DACH-Raum Arbeitnehmende am zufriedensten mit ihrem Gehalt waren.

Gehaltstransparenz: eine Frage der Zeit

Über das Gehalt zu sprechen hat, wie vieles im Leben, Vor- und Nachteile. Doch ohne Gehaltstransparenz herrscht schlicht ein Ungleichgewicht der Informationen zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber. Dabei gilt: Wer gut informiert ist, kann sich besser entscheiden. Betrachtet man die Thematik also auf lange Sicht, sollten die positiven Effekte überwiegen. Vorausgesetzt, Arbeitnehmer:innen und Bewerber:innen nutzen diese Informationen auch entsprechend zu ihrem Vorteil und fordern nach bestem Wissen und Gewissen faire Löhne und Gehälter von Arbeitgebern.

letztes Update: 17. Oktober 2022