Männer in Frauenberufen: Ist das noch ein Problem?

Männer arbeiten in körperlich anstrengenden Berufen oder mit Technik, Frauen fühlen sich im sozialen Bereich wohler. So ist es und so wird es immer bleiben. Oder? Nein! Immer mehr Jungs und Männer interessieren sich - auch durch Initiativen wie den Boys Day - dafür, in „weiblichen“ Berufen zu arbeiten. Wir widmen uns der Frage, welche Hindernisse Männer in klassischen Frauenberufen im Jahr 2019 überwinden müssen und wie sie trotz Rollenklischees erfolgreich werden.

Was sind eigentlich Frauenberufe?

Zunächst einmal: Es gibt eigentlich keine Frauenberufe. Nie hat sich jemand hingesetzt und vorgeschrieben, dass in gewissen Berufsgruppen nur Frauen arbeiten dürfen. Was ist dann der Grund für die Entstehung des Begriffs? Um dir das zu erklären, müssen wir in der Geschichte etwas zurückgehen: Nach der Industrialisierung waren fast ausschließlich Frauen für den Haushalt und die Kindererziehung in ihrer eigenen Familie zuständig. Die Männer gingen dagegen körperlich anstrengender Arbeit nach und verdienten das Geld. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten viele Frauen aus finanziellen Gründen arbeiten gehen - die Familie hatte im Krieg ihre Rücklagen verbraucht oder der Mann war im Krieg gefallen und es gab keinen Ernährer mehr. Da damals die Ausbildung von Frauen noch vernachlässigt wurde, wandten sich diese jenen Berufsgruppen zu, die ihrem bisherigen Umfeld ähnelten. So wurden sie beispielsweise zu Erzieherinnen, Pflegerinnen oder Arzthelferinnen und stellen in diesen Jobs heute noch die absolute Geschlechtermehrheit.

Diese Mehrheit spiegelt sich sogar in Berufsbezeichnungen wider. So spricht man im Alltag ganz selbstverständlich von Putzfrauen, Hebammen, Haushälterinnen und Krankenschwestern, vergisst dabei aber, dass auch Männer in diesen Bereichen arbeiten. Um diesem sprachlichen Phänomen entgegenzuwirken, führte die Niederlande zum Beispiel bereits den Ausdruck des Krankenbruders ein. In Deutschland gibt es dafür den Krankenpfleger.

Angstfaktor Sexualität

Männern in Frauenberufen wird schnell einmal nachgesagt, dass mit ihnen vielleicht etwas nicht ganz stimmen würde oder dass sie vermutlich homosexuell seien. Gerade im beruflichen Kontakt mit Kindern - wie beispielsweise als Erzieher, Babysitter oder Lehrer - können diese Vorurteile zu echten Problemen führen. So berichtete zum Beispiel der Stern über einen Kindergarten in Berlin-Reinickendorf, bei dem manche Eltern ihre Kinder abmeldeten als sie erfuhren, dass ein schwuler Erzieher angestellt wurde.[1] Die Angst der Eltern: Eine mögliche Pädophilie des Kindergärtners. In diesem Fall stellte sich die Geschäftsführerin des Kindergartens hinter ihren Mitarbeiter. Leider ist das nicht immer der Fall und der Mann muss gegen drohende Versetzungen oder sogar eine Kündigung ankämpfen und sich rechtfertigen. Dabei brennen Männer, die sich doch einmal in die frauendominierten Branchen trauen, meist sehr für ihren Beruf und stehen vollkommen hinter ihrer Wahl.

Die Tatsache, dass das Geschlecht und die Sexualität eines Mannes in einem „weiblichen“ Beruf manchen Menschen immer noch Angst macht und als abnormal erscheint, zeigt: Uns ist nicht klar, welche Rolle ein Mann in der Gesellschaft haben soll oder muss. Dabei könnte es eigentlich so einfach sein. Jeder darf den Job ausüben, der ihm Spaß macht. Den absoluten Traumjob quasi. Alles easy, wenn da nicht das liebe Geld wäre. Die Bezahlung in den klassischen Frauenberufen ist zum Teil deutlich schlechter als in der Tech-Branche oder in der Produktion. Die Stellen werden hier oft nur in Teilzeit ausgeschrieben. Eine Familie mit diesem Gehalt zu ernähren? Kaum möglich. Da laut Statistischem Bundesamt aber knapp 80 Prozent der deutschen Männer die Hauptverdiener der Familie sind, suchen sie sich eher hochbezahlte Jobs - selbst dann, wenn das grundsätzliche Interesse am Berufsbild eigentlich vorhanden wäre.[2]  Damit, dass Männer sich als explizit männlich verstandene Berufe aussuchen, können Rollenklischees also gegebenenfalls verstärkt werden.

Wirkliche Veränderungen kann man wohl nur dann erwarten, wenn die klassischen Frauenberufe endlich besser bezahlt würden.

Der Schlüssel zum Erfolg?

Auch wenn unsere Gesellschaft - zumindest auf dem Papier - immer toleranter wird: Männer in Frauenberufen sind in manchen Bereichen immer noch ein Problem. Die Sichtweise ändert sich langsam - das muss auch so sein. Gerade im Bereich der Pflege dürfte es nämlich in den nächsten Jahren einen höheren Bedarf an Fachkräften geben. Hier sind auch Männer gefragt und erwünscht. Ein kununu User spricht in seiner Bewertung der Medizinischen Hochschule Hannover sogar davon, dass Männer in diesem Bereich absolut bevorzugt eingestellt werden.

Du hast auch in „weiblichen“ Jobs die Möglichkeit, aufzusteigen und Kohle zu scheffeln. Als Erzieher könntest du irgendwann einen Kindergarten leiten, als ehemaliger Altenpfleger die Koordination deiner Kollegen übernehmen. Es kommt - wie auch in Männerberufen - darauf an, welche Ziele du dir selbst steckst und was du daraus machst.

So oder so: Deinen Traumjob kannst du in jeder Branche finden. Ob du nun medizinischer Fachangestellter oder doch Banker werden möchtest, bleibt ganz dir überlassen. Und ganz gewiss solltest du dich bei der Auswahl nicht von altmodischen Geschlechterklischees einschränken lassen.

Quellen:

[1] Stern, 2017

[2] Süddeutsche, 2015

11. Januar 2019