Equal Pay Day – und sie schließt sich doch, die Lohnlücke!
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Gastbeitrag von Henrike von Platen, CEO/ Founder FPI Fair Pay Innovation Lab
Noch immer verdienen Frauen überall auf der Welt weniger als Männer, für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten und sogar im selben Unternehmen. Da sich daran schon viel zu lange nur viel zu langsam etwas ändert, macht in Deutschland einmal im Jahr der Equal Pay Day mit roten Flaggen und bundesweiten Aktionen auf diesen Missstand aufmerksam. In diesem Jahr fällt der Aktionstag wie im Vorjahr auf den 7. März – zeigt allerdings langfristig einen positiven Trend. Ein kleines Wunder!
Denn viele Jahre schien die Lohnlücke wie in Stein gemeißelt. Ein gutes Jahrzehnt hat es gedauert, bis der Equal Pay Day im Kalender vom 20. März in 2009 auf den 7. März dieses Jahr vorgerückt ist. Jahre lang wurde Jahr für Jahr lautstark auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen hingewiesen. Die Lohnlücke wurde bestritten, geleugnet und kleingeredet, immer wieder dagegengehalten. Ursachen der Lohnlücke wurden erforscht und Lösungen entwickelt, es wurde verhandelt und gekämpft, vor Gericht gestritten und das deutsche Entgelttransparenz-Gesetz verabschiedet. Und doch stagnierte die Statistische Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bei knapp 19 Prozent, Jahr für Jahr für Jahr.
Mit roten Taschen auf die Straße
Immerhin, denn die Forderung nach fairer Bezahlung ist bereits mehr als hundert Jahre alt. Schon 1906 erforschte die Frauenrechtlerin Alice Salomon in den USA sehr gründlich „Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit“. 1930 gründete die Anwältin Lena Madesin Phillips in New York die Business and Professional Women, die wirtschaftliche Teilhabe und Gleichstellung forderten. Heute gehören zu dem internationalen Netzwerk 25.000 berufstätige Frauen in 107 Ländern.
In den 1960ern starteten die US-Amerikanerinnen eine Kampagne, die sich sehen lassen konnte: Sie erwirkten tatsächlich eine gesetzliche Grundlage für gleiche Bezahlung. 1963 unterzeichnet der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, John F. Kennedy, den sogenannten Equal Pay Act.
Doch wieder tat sich: nichts. Ein weiteres Vierteljahrhundert später war klar, dass das Gesetz kaum etwas bewirkte. Und so gingen die Frauen Ende der 1980er erneut auf die Straße und machten in der Red Purse Campaign mit roten Taschen auf das Minus auf ihren Gehaltszetteln aufmerksam.
"Für Frauen nicht empfehlenswert"
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Der deutsche Equal Pay Day: ein US-Import
Noch ein Vierteljahrhundert später wurde 2007 auf der anderen Seite des Atlantiks daraus die Initiative Rote Tasche, und 2008 riefen die Business and Professional Women in Deutschland zum ersten Equal Pay Day auf. Gerade kümmerte sich Ursula von der Leyen als Familienministerin um „das ganze Gedöns“ (Gerhard Schröder, 1998 - Anm. d. Red.), führte Elterngeld und Elternzeit ein und engagierte sich für die Quote für Aufsichtsräte. Nur das Thema Bezahlung fehlte damals noch auf ihrer Agenda.
Überhaupt wurden die Equal Pay Day Aktivistinnen anfangs viel belächelt, von Männern genauso wie von Frauen. Der Hartnäckigkeit der Aktivistinnen ist es zu verdanken, dass inzwischen alle wissen, dass es eine Lohnlücke gibt, die da nicht hingehört. Dass irgendwann nicht mehr darüber gestritten wurde, ob es überhaupt eine Lohnlücke gibt, sondern seit einigen Jahren auch endlich diskutiert wird, wie sie sich schließen lassen könnte. Ein Meilenstein!

Frauen arbeiten 66 Tage gratis
Kritik gab es nun stattdessen an der Höhe der Lohnlücke und an der Berechnung des Aktionstages. Schon zweimal wurde der Equal Pay Day zur „Unstatistik des Monats“ gekürt. Dabei ist es ganz einfach: Berechnet wird der Aktionstag bezogen auf die 18 Prozent, die Frauen im Vergleich zu den Männern in einem Jahr gratis arbeiten, und zwar gemessen am Gehalt der Männer. In diesem Jahr vom 1. Januar bis zum 7. März 66 Tage lang.
Um zu beweisen, dass alles halb so schlimm ist, wird die Lohnlücke auch gern „bereinigt“. Dabei werden alle Faktoren, die die Ungleichbehandlung erklären können, abgezogen, bis – je nach Rechenart – noch 2, 6 oder 7 Prozent übrig bleiben. Teilzeit ist so ein Faktor. Dass ein Teilzeitgehalt niedriger sein muss, klingt erstmal logisch. Allerdings vergleicht das Statistische Bundesamt nicht das Monatsgehalt, sondern einzig und allein den Bruttostundenlohn. Und doch wird herausgerechnet, wenn eine Frau in Teilzeit pro Stunde für den gleichen Job weniger bekommt als ihr Kollege, der in Vollzeit arbeitet. Gerecht ist das nicht. Auch der "bereinigte" Gender Pay Gap hat sich dieses im Vergleich zum Vorjahr (6 Prozent) auf insgesamt 7 Prozent vergrößert.
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Der unerklärbare Rest und die dreckige Wahrheit
Beim „Bereinigen“ bleibt von der Lohnlücke also nur übrig, was sich gar nicht mehr erklären lässt. Dieser unerklärbare Rest ist also einzig und allein darauf zurückzuführen, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist.
Das Bereinigungsmanöver ist durchschaubar, lenkt aber dennoch erfolgreich von den Lösungen und Strategien ab, die Lohnlücke endlich zu schließen. Denn 19 Prozent Lohnlücke sind nur die Spitze des Gleichstellungsbergs. Der Vergleich der Nettoeinkünfte von Frauen und Männern zeigt das ganze Ausmaß der Schieflage: Weniger als jede vierte Deutsche hat ein eigenes Einkommen von mehr als 1.500 Euro. 39 Prozent der Frauen verdienen weniger als 1.000 Euro und 14 Prozent haben gar kein eigenes Einkommen. Bei den Männern verhält es sich nahezu umgekehrt: 29 Prozent der Männer zwischen 30 und 50 Jahren verfügen über ein Einkommen von weniger als 1500 Euro und fast jeder vierte erzielt ein Monatseinkommen von mehr als 2500 Euro. Im Klartext: Sehr viele Frauen in Deutschland sind wirtschaftlich von anderen abhängig – mit allen Auswirkungen auf Rentenansprüche und die Vermögensbildung.
Lohngerechtigkeit ist eine Haltung
Frauen, die Kinder bekommen oder Angehörige pflegen, die Teilzeit arbeiten oder den „falschen“ Beruf gewählt haben, sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, für die sie nicht die geringste Verantwortung tragen. Strukturelle Hürden lassen sich nur schwer überwinden – noch nicht einmal von Frauen, die sich gegen Kinder, für eine Vollzeitstelle oder für einen MINT-Beruf entscheiden und außerdem über exzellentes Verhandlungsgeschick verfügen. Da hilft es wenig, den Frauen beizubringen, besser zu verhandeln. Diskriminierung erfahren sie dennoch.
Was wir ändern müssen, sind die Strukturen. Wir brauchen mehr Karrieremöglichkeiten in Teilzeit, mehr Frauen in Führung und mehr Väter in Elternzeit. Wir brauchen eine Reform des Ehegattensplittings, eine offenere Rollenverteilung im Privaten, weniger Stereotype in der Werbung und weniger Klischees in unseren eigenen Köpfen. Vor allem aber brauchen wir Unternehmen, die ganz selbstverständlich fair bezahlen, unabhängig von Pflichten und Gesetzen. Lohngerechtigkeit ist eine Haltung. Doch Freiwilligkeit ist wenig wirksam. Insofern ist es ein riesiger Schritt nach vorn, dass Ursula von der Leyen Jahrzehnte nach ihrem Amt im Familienministerium als Präsidentin der Europäischen Kommission den Weg für all das ebnet, von dem wir wissen, dass es in Ländern wie Großbritannien, Island oder der Schweiz sehr gut funktioniert: mehr Transparenz in den Unternehmen. Eine Umkehr der Beweislast. Empfindliche Strafen für Unternehmen, die nicht fair bezahlen.
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Geld als Schlüssel zur Chancengleichheit
Alles was wir brauchen, um die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in allerkürzester Zeit zu schließen, sind klischeefreie, neutrale und objektive Entgeltsysteme für alle Beschäftigten. Unternehmen für Unternehmen. Wenn das gelingt, bekommen ausnahmslos alle Beschäftigten die gleichen Chancen, egal, woher sie kommen oder wie alt sie sind, ob sie Kinder haben oder keine, ganz gleich woran sie glauben oder wen sie lieben.

Henrike von Platen
Henrike von Platen gründete 2017 das FPI Fair Pay Innovation Lab, das Unternehmen bei der Umsetzung von fairer Bezahlung unterstützt und für den Best Practice Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sorgt. Als Präsidentin der Business and Professional Women war sie viele Jahre Schirmherrin der deutschen Equal Pay Day Kampagne. Die mehrfach ausgezeichnete Hochschulrätin und Dozentin ist außerdem Autorin des Buches „Über Geld spricht man – Der schnelle Weg zur Gleichstellung“.
© Foto: Oliver Betke
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