"Chefs, hört endlich euren Mitarbeitern zu!" – Führungsexpertin im Interview

Nicht nur unsere eigenen Gedanken schwirren uns durch den Kopf, auch unsere Außenwelt verlangt in der heutigen Zeit nahezu durchgehend unsere Aufmerksamkeit. Es fällt uns daher nicht immer leicht, uns auf nur eine Sache zu konzentrieren. Dabei ist genau das ausschlaggebend, um Botschaften anderer wirklich wahrnehmen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen zu können. Was das Geheimnis des richtigen Zuhörens ist und warum es gerade im Job so wichtig ist, verrät Führungscoach und Autorin Anja Niekerken.

Warum hören wir einander nicht richtig zu?

"Du hörst mir gar nicht richtig zu!" – Diesen oder einen ähnlichen Vorwurf haben wir bestimmt alle schon einmal gehört oder gemacht. Privat können wir unseren Unmut über die fehlende Aufmerksamkeit leicht äußern, handelt es sich bei unserem Gegenüber jedoch um Vorgesetzte oder Kollegen, wird die Sache schon schwieriger. In ihrem neuen Buch "Das Geheimnis richtigen Zuhörens", beschäftigt sich Führungexpertin Anja Niekerken, wie der Titel schon verrät, mit dem oft fehlenden Zuhören und gibt Tipps, wie es besser klappt.

Warum es uns so schwerfällt anderen richtig zuzuhören, führt die Autorin auf verschiedene Gründe zurück. "Einer davon ist, dass Zuhören anstrengend ist. Wir müssen uns konzentrieren und uns Mühe geben, in die Welt unseres Gegenübers einzutauchen. Das braucht Energie und an Energieverbrauch hat unser Gehirn nicht viel Interesse. Ein weiterer Grund ist, dass Sprechen im wahrsten Sinne des Wortes geiler ist. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass beim Sprechen ein ähnliches Synapsenfeuerwerk im Hirn entsteht, wie unter Drogen oder beim Orgasmus. Das ist beim Zuhören nicht der Fall", erklärt sie.

"Den Mitarbeitern aktiv Zuhören und auch mal etwas Umsetzen statt nur drüber Nachzudenken."

Zuhören ist Wertschätzung

Gerade in Unternehmen, lässt sich die fehlende Aufmerksamkeit von Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitenden gut beobachten, beschreibt die Autorin. "Der Spruch: Wir hören nicht zu, um zu verstehen, wir hören zu, um zu antworten … ist leider nur allzu wahr. Gerade in Firmen werden oft Monologe in Gegenwart von anderen gehalten. Das hat mit Kommunikation wenig zu tun. Zu echter Kommunikation gehören immer zwei: Sender und Empfänger. Und jetzt kommt’s: Der Empfänger ist im besten Fall immer die Führungskraft – und nicht umgekehrt. Denn die Fachkraft sollte den Vorgesetzten sagen können, was sie braucht, um einen guten Job zu machen."

Fehlendes Zuhören sagt dabei aber nicht nur eine Menge über unsere Kommunikation, sondern auch über die Kultur in einem Unternehmen aus. "Zuhören ist gelebte Wertschätzung. Wer zuhört, schenkt Aufmerksamkeit und Zeit – und was gibt es Wertvolleres? Aber damit wird in Unternehmen sehr gegeizt. Stattdessen mutieren hochspezialisierte Fachkräfte zu Befehlsempfängern von fachlich weit weniger qualifizierten Führungskräften. Dabei könnte richtiges Zuhören im Job unfassbar viel bewegen: Arbeitsklima und Unternehmenskultur würden sich verbessern und das führt in weiterer Folge zu mehr Zufriedenheit und weniger Fluktuation. Aber auch Idee würden öfter Gehör finden und Prozesse und Performance optimiert werden."

"Mitarbeitenden zuhören und diese nach ihren Kompetenzen einsetzen."

Eine 2.7

So klappt es mit dem Zuhören

"Echtes Zuhören braucht vor allem zwei Dinge: Eine Zeit- und eine Aufmerksamkeitskomponente. Beides geht beim Zuhören zwischen Tür und Angel verloren. Auf den Bildschirm gucken, am Handy spielen oder zwischendurch ans Telefon gehen, sind die schlimmsten Signale, die ich einer anderen Person senden kann. Sie sagen: Du bist nicht wichtig. Aber genau das machen wir leider täglich mehrmals", beschreibt Niekerken.

Und wie klappt es nun mit dem Zuhören? "Die Lösung ist ganz einfach: Wenn mir jemand etwas erzählt, dann sollte ich alle Aufmerksamkeitskiller abschalten und wegpacken! Ich stelle das Telefon aus und bin ausschließlich für mein Gegenüber da. Und wenn das gerade nicht geht, dann verlege ich das Gespräch auf einen späteren Zeitpunkt. Eine simple Idee auf die wir leider nur selten kommen. Außerdem hilft die richtige Einstellung. Und zwar, dass ich in der nächsten Minute etwas hören werde, das mich selbst voranbringt. Denn jeder Menschen weiß etwas, was ich nicht weiß, aber gern wüsste." Darüber hinaus wirkt sich richtiges Zuhören positiv auf unser gesamtes Umfeld aus: „Wer sich wertgeschätzt fühlt, dem oder der fällt es viel leichter, andere wertzuschätzen“, fasst die Expertin zusammen.

"Gutes Arbeitsklima und Chefs, die zuhören."

Eine 4.8