Politik am Arbeitsplatz: Darf ich das?

Am 24. September wird in Deutschland über den Bundestag entschieden. Die Österreicher wählen am 15. Oktober den neuen Nationalrat. Mit den näher rückenden Wahlen kochen auch die Gemüter hoch. Da kann beim Mittagessen mit den Kollegen schon mal ein Wort das andere geben und schon befindet man sich in einer hitzigen Diskussion über soziale Gerechtigkeit oder das bedingungslose Grundeinkommen. Doch wie viel Politik am Arbeitsplatz ist eigentlich erlaubt?

Kannst du für politische Aussagen am Arbeitsplatz eigentlich Ärger bekommen? Und kann ein Kommentar auf Facebook sogar zur Kündigung führen? Wir waren uns da auch nicht so sicher, und haben daher Experten befragt, die es wissen müssen: Rechtsanwalt Prof. v. Steinau-Steinrück, Experte für deutsches Arbeitsrecht, hat uns Rede und Antwort gestanden. Über die Lage in Österreich hat uns Rechtsanwalt MMag. Winkelmayr aufgeklärt.

Muss ich meine politische Meinung für mich behalten?

Streng genommen verkaufst du dem Arbeitgeber neben Leistungen und Know-how auch deine Zeit an sich. Und während dieser Zeit gehörst du dem Arbeitgeber doch vollkommen, oder? Nein, ganz so ist das nicht. „Seine politische Meinung am Arbeitsplatz zu äußern ist nicht verboten. Natürlich sollten solche Äußerungen objektiv erfolgen und keine hetzerischen, diskriminierenden oder feindliche Aspekte umfassen.“, erklärt MMag Winkelmayr. Deine Weltanschauung musst du morgens also nicht beim Betreten des Firmengeländes abgeben. Hetze und Diskriminierung haben allerdings – wie überall sonst – auch am Arbeitsplatz nichts verloren. Die allgemeine Betriebskultur dürfen deine politischen Aktivitäten ebenfalls nicht stören. Mit Banner und Trillerpfeife durch den Pausenraum walzen, um für deine Partei Stimmung zu machen, darfst du also nicht.

Was kann ich tun, wenn ein Kollege am Arbeitsplatz Hetzreden abhält?

Puh, starker Tobak. Was kannst du tun, wenn dein Kollege Kommentare vom Stapel lässt, die wirklich unter jeder Kritik sind? Hier sind sich beide Experten einig: Wenn ein Kollege wirklich hetzerische Aussagen tätigt, solltest du deinen Vorgesetzten mit ins Boot holen. Denn damit überschreitet er die Grenzen der freien Meinungsäußerung. Hetzreden eines Kollegen tolerieren, um den Hausfrieden zu wahren, musst du keinesfalls.

Was ich auf Facebook like, ist meine Privatsache! Oder?

Zunächst mal: Ja, dein Facebook-Profil und was du auf der Plattform teilst, sind deine Privatsache. „Jeder Arbeitnehmer darf selbst entscheiden, welche politischen Inhalte er online teilt.“, meint Prof. v. Steinau-Steinrück dazu. Zu Gunsten des Arbeitsklimas ist es allerdings ratsam, die Privatsphäre-Einstellungen in deinen sozialen Netzwerken so zu wählen, dass deine Kollegen und dein Chef nicht alles sehen können. Denn auch wenn du von deiner politischen Meinung überzeugt bist, sieht das ein Kollege vielleicht ganz anders. MMag. Winkelmayr gibt zu bedenken, dass es auch auf die Umstände ankommt. Arbeitest du im politischen Bereich oder bei einem Unternehmen, für das ein politisch neutrales Auftreten wichtig ist, kann dir dein Arbeitgeber – im Rahmen – gewisse Verhaltensmaßnahmen auferlegen. Nehmen wir nur mal an, du bist leitender Angestellter einer Werbeagentur. Deine Agentur betreut unter anderem eine Partei, die sich besonders für den Umweltschutz und die Gleichstellung von Frauen einsetzt. Online verbreitest du allerdings lautstark Botschaften von Politikern, die den Klimawandel als erfundenes Schreckgespenst abstempeln und sich über Gleichberechtigung lustig machen. Das schadet der Glaubwürdigkeit deines Arbeitgebers und deiner eigenen sowieso. Hier kann dir dein Arbeitgeber also sehr wohl nahe legen, dich online zurückzuhalten.

Mein Chef diskriminiert mich aufgrund meiner politischen Einstellung. Was kann ich tun?

Der Kollege bekommt ständig bessere Projekte zugewiesen und wird nun sogar befördert. Und das alles, weil er dieselbe politische Linie wie der Chef verfolgt. Ein starker Vorwurf. „In einem solchen Fall kann von einer Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung gesprochen werden, sofern keine anderen Kriterien für das konkrete Agieren des Vorgesetzten herangezogen wurden.“, erklärt MMag. Winkelmayr. Wenn du begründeten Verdacht hast, dass dein Chef dich aufgrund deiner politischen Einstellung diskriminiert, solltest du darüber mit dem Betriebsrat oder der Personalvertretung sprechen. Zielführend ist vielleicht auch ein direktes Gespräch mit dem Chef. Bestätigt sich der Verdacht und ist keine Lösung in Sicht, dann muss im schlimmsten Fall ein Richter entscheiden.

Politische Fragen im Bewerbungsgespräch: Dürfen die das?

„Wo haben Sie denn bei der letzten Wahl ihr Kreuzchen gesetzt?“ Schluck. Mit so einer Frage hast du im Bewerbungsgespräch nicht gerechnet. Aber darf dich der Personalleiter das eigentlich fragen? Nein, da sind sich beide Experten einmal mehr einig. „Ein Unternehmen darf natürlich überhaupt nicht – weder beim Bewerbungsgespräch noch während der Anstellung – danach fragen, welche Partei der Arbeitnehmer zuletzt gewählt hat.“, sagt Prof. v. Steinbrück. Hier darfst du die Aussage verweigern oder sogar flunkern. Ist deine politische, religiöse oder weltanschauliche Einstellung jedoch von konkreter Bedeutung für die Stelle, dann darfst du sehr wohl danach gefragt werden. Klar, wenn du dich als Leiter eines katholischen Ferienlagers bewirbst, solltest du auch die Werte der Organisation vertreten können.

Kann ein politischer Kommentar auf Facebook zur Kündigung führen?

Gerade auf Facebook geht es in politischen Diskussionen auch mal rauer zu. Da kann es schon vorkommen, dass die eine oder andere Beleidigung fällt. Aber kannst du dafür Probleme in der Arbeit bekommen? Prof. v. Steinau-Steinrück, unser Experte für deutsches Arbeitsrecht, warnt: „Wenn andere Arbeitnehmer die politische Betätigung als Belästigung wahrnehmen und vom Arbeitgeber die Entlassung des Mitarbeiters verlangen, kann aber eine sogenannte Druckkündigung erfolgen." Vor allem wenn du auf deinem Facebook-Profil deinen Arbeitgeber nennst, solltest du mit politischen Äußerungen vorsichtig sein. Dann trittst du nämlich nicht mehr nur als Privatperson, sondern auch als Mitarbeiter auf, und als solcher hast du die Interessen deines Arbeitgebers zu schützen. "Hier können die im Unternehmen festgelegten Richtlinien bezüglich der Nutzung von Social Media eine Rolle spielen.“, meint Prof. v. Steinau-Steinrück. Die bloße Beteiligung an einer politischen Diskussion sei jedoch grundsätzlich kein Kündigungsgrund.

So halten es die Experten mit der Politik am Arbeitsplatz

Abschließend haben wir unsere Experten noch nach ihren persönlichen Tipps zum Thema Politik am Arbeitsplatz gefragt. „Es gibt kaum einen Bereich in unserer Gesellschaft, welcher – nicht zuletzt aufgrund des aktuellen Weltgeschehens – so viel Konfliktpotential birgt wie politische Belange.“, meint MMag. Winkelmayr. Durch Facebook und Co. würden sich persönliche Meinungen oft schneller als gedacht verbreiten. „Man kann nie wissen, wer letztlich welche Inhalt zu sehen bekommt.", gibt er zu bedenken. Oft würden User den Kontrollverlust über ihre Aussagen unterschätzen und sich dann mit ungeahnten Folgen konfrontiert sehen. Auch Prof. v. Steinau-Steinrück rät zur Zurückhaltung. Friedliche Diskussionen und auch das Debattieren kontroverser Thesen sei zwar erlaubt. Es sei aber oftmals nicht ganz klar, welche Äußerungen überhaupt von der Meinungsfreiheit umfasst sind, und welche bereits eine Störung betrieblicher Belange darstellen.

Wie so oft im Leben gilt also auch beim Thema Politik am Arbeitsplatz die Regel: Alles mit Maß und Verstand. Mit deinen Kollegen die anstehende Wahl besprechen darfst du auf jeden Fall, solange das Arbeitsklima nicht darunter leidet. Allzu sehr solltest du dich von der Hitze des Gefechts aber nicht mitnehmen lassen, um ein gutes Arbeitsklima zu wahren. Online gilt dasselbe wie offline. Auch hier solltest du an die Konsequenzen deiner Kommentare denken, bevor du Enter klickst.

Geht es an deinem Arbeitsplatz politisch immer korrekt zu? Erzähl es uns in deiner kununu Bewertung.

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