Tipps vom Experten: Das solltest du wissen, bevor du eine Führungsrolle antrittst

Möchte man die Karriereleiter hochklettern, ist Personalverantwortung zu übernehmen ein wichtiger Meilenstein in der beruflichen Laufbahn. Als unerfahrene Führungskraft ein eigenes Team zu leiten, ist zwar mit Herausforderungen verbunden, dafür aber umso bedeutender für die fachliche als auch persönliche Entwicklung.

Der ehemalige Head of Sales, Dipl.-Ing. Christian Jäger, ist heute Business Consultant, Coach und Dozent. In unserem Interview erzählt er mehr über das Thema Personalverantwortung und gibt Tipps für angehende Führungskräfte.

Rückblick auf die erste Zeit als Vorgesetzter

kununu: Herr Jäger, Sie haben bereits jahrelange Erfahrung in der Personalführung. Wie war die erste Zeit als Führungskraft für Sie?

Christian Jäger: In meiner Karrierelaufbahn war ich Vertriebsleiter für 3 Länder, mit 30 Mitarbeitern und Weisungsbefugnis. Auch wenn ich immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Kolleginnen und Kollegen hatte: Ich spürte ab dem Zeitpunkt meiner Personalverantwortung, dass ich plötzlich mit anderen Augen betrachtet wurde. Von nun an musste ich maßgebliche Entscheidungen treffen und mit meinem Namen unterschreiben. Ich fühlte die Verantwortung auf meinen Schultern und es wurde mir bewusst, wie sehr es auf mich und meine Kompetenz ankam. Das war aufregend und spannend, aber manchmal auch gar nicht so einfach.

kununu: Angenommen, Sie könnten die Zeit zurückdrehen: Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?

Christian Jäger: Ich würde darauf achten, durchgehend eine effektive Kommunikation zu pflegen, sei es nun intern oder extern. Das bedeutet für mich so viel wie, dass beide Parteien – ich und mein Gegenüber – das Gleiche verstehen. Genau das ist essenziell, wenn es um gute Führungsarbeit geht. Das war mir zu Beginn nicht so klar. Erst im Laufe der Zeit ist mir das in einschlägigen Führungscoachings bewusst geworden.

Um diesen Kommunikationsstil zu erreichen, aber auch seine eigene Rolle wirklich zu finden, ist es wichtig, auch den Reifegrad hinsichtlich selbstständigen Arbeitens des Teams und der einzelnen Teammitglieder zu verstehen. Hier bin ich nicht differenziert genug herangegangen. Ich habe dabei zu wenig gemerkt, dass so mancher im Team viel mehr Zeit gebraucht hätte, um zu verstehen, während die anderen schon sehr weit entwickelt waren.

Das Gefühl des Bereitseins

kununu: Woran merkt man eigentlich, dass man bereit ist, Mitarbeiter zu führen?

Christian Jäger: Was für eine Frage! Ich denke, ich habe schon in jungen Jahren situativ da und dort eine Führungsrolle eingenommen, ohne dass mir dieses Verhalten wirklich bewusst war. Treibende Kraft hierfür war wohl ein stark in mir ausgeprägtes Verantwortungsgefühl. Wenn bei einer Aufgabenstellung, die in der Gruppe zu lösen ist, nicht einer die Zügel in die Hand nimmt, wird das nichts.

Gerade mein Vater war eine starke Führungspersönlichkeit und das hat mir gefallen. Ich habe gemerkt, dass die Dinge erst funktioniert haben, wenn er das Wort übernommen hat. Später war ich studentisch in verschiedenen Sprecherrollen und ich habe das gerne gemacht. Für mich war es eine große Erfüllung, gemeinsam Dinge zu erreichen und an einem Strang zu ziehen. Dabei war ich nicht „Chef“ sondern „Leader“ und das meist, ohne mir dessen überhaupt bewusst zu sein.

"Für mich ist der CEO kein Leader, er ist eigentlich nur ein Verwalter."

Herausforderungen junger Chefs

kununu: Welche sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, denen junge Führungskräfte gegenüberstehen?

Christian Jäger: Zum einen ist es das fehlende Wissen, was Führungsarbeit angeht. Wenige Universitäten oder Hochschulen vermitteln praktikables Wissen zum Thema Führung und viele Trainer und Coaches haben selbst keine eigene Erfahrung.

Außerdem ist die fehlende Definition der neuen Rolle eine tatsächliche Herausforderung, weil ein entsprechender Personalentwicklungsprozess entweder fehlt oder nicht wirklich gelebt wird. Klarheit von Anfang an wäre gut. Aber wer traut sich schon nachzufragen und gegebenenfalls als „schwach“ gesehen werden?

Die dritte Herausforderung, sind meiner Meinung nach schlechte oder gar keine Vorbilder. Die Vorbildfunktion wird gemeinhin unterschätzt, sie prägt uns aber mehr, als wir denken. Von einem „schlechten“ Chef, der seine wirkliche Rolle weder versteht noch lebt, kann man nichts Gutes lernen. Ich hatte zum Teil auch solche Führungskräfte, aber ich hatte auch die besten Vorgesetzten, die man sich vorstellen kann und ich habe sehr viel von ihnen gelernt.

Bedeutende Eigenschaften von Leadern

kununu: Welche drei Eigenschaften müssen Führungskräfte, Ihrer Meinung nach, unbedingt besitzen?

Christian Jäger: Das hängt letztlich auch davon ab, wie die individuelle Rolle der Führungskraft (als Teil einer Organisation) definiert ist. Ich greife mal folgende drei Eigenschaften heraus:

  • Visionär sein. Das bedeutet, dass die Führungskraft die langfristigen Ziele und Strategien des Unternehmens kennen und das "Große Ganze" sehen muss. Nur so bekommt Führungsarbeit eine Richtung und stiftet auch Sinn für die Arbeit.
  • Effektiv und offen kommunizieren. Vor und auch mit allen Mitarbeitern, sowie im Einzelgespräch. Der oder die Vorgesetzte muss zuhören, verstehen und begreifen. Offenes und konstruktives Feedback ist darüber hinaus auch von Bedeutung – und ganz wichtig: Die Fähigkeit, effektiv zu präsentieren!
  • Leuchtturm- und Vorbildfunktion. Ob eine Führungskraft das will oder nicht: Sie steht im Mittelpunkt und ist ein Vorbild für das Team. Es ist eine einzigartige Chance, diese zu nutzen!

kununu: Was haben erfahrene Führungskräfte, weniger erfahrenen Führungskräften voraus? Und wie sieht’s umgekehrt aus?

Christian Jäger: „Erfahrung“ meint, dass man schon etwas durchlebt hat. Ist dies der Fall, folgert unser Gehirn sehr schnell, dass es künftig auch so, oder so ähnlich kommen wird. Genau das beruhigt uns, mehr oder minder. Das hat also grundsätzlich etwas mit Geschehnissen zu tun, die in der Vergangenheit liegen. Betreten wir hingegen Neuland, macht das unsicher und gegebenenfalls sogar ängstlich. Haben wir etwas durchlebt, wird das Ganze einfacher.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass viel Erfahrung zu „Nachlässigkeit“ führen kann. Es fehlt dieser „Kick“ und das richtige Quantum an Anspannung, das es braucht, um besondere Leistungen zu erbringen. Denken Sie nur an einen Vortrag, eine Präsentation, wo sie sofort merken, ob die vortragende Person das schon öfter gemacht hat – oder zum ersten Mal. Langweile könnte sich einstellen, was dazu führen kann, dass die Ergebnisse leiden.

"Das Vorgesetztenverhalten lässt mehr als zu wünschen übrig."

Eine 1.8

Tipps für heranwachsende Führungskräfte

kununu: Welche drei Tipps geben Sie zum Abschluss frisch gebackenen Führungskräften mit auf den Weg?

Christian Jäger:

  • Klarheit für die eigene Rolle, in Abstimmung mit dem Vorgesetzten: Rolle, Ziele, Verantwortlichkeit, Hauptaufgaben müssen dir als Führungskraft wirklich klar sein. Nur dann kann auch dementsprechende Arbeit geleistet werden.
  • Effektive und offene Kommunikation mit einem Selbstverständnis für Teamarbeit: Vermeide Kumpanei zu allen oder zu einzelnen Mitarbeitern, aber sei stets offen und ehrlich. Wenn du etwas nicht wissen oder beantworten kannst, dann sage auch das offen und ehrlich. Was dabei zählt ist, eine Lösung zu finden.
  • Zeit, Zeit, Zeit! Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden. Gehe überlegt und ruhig an die Sache heran und erfreue dich selbst an kleinen Erfolgen. Diese Zeit braucht auch dein Team. Man muss sich gemeinsam entwicklen und damit auch wachsen, so dass Erfolge sichtbar werden. Diese Errungenschaften darfst du regelmäßig mit dem Team feiern, zur allseitig persönlichen Erfüllung in der Arbeit!
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