Arbeitsrecht: Unter Tarif bezahlt trotz Tarifvertrag. Was tun?

So mancher Arbeitnehmer profitiert von geregelten Löhnen im Tarifvertrag, Kollektivvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag. Diese Form der Entlohnung wird branchenübergreifend angewendet, wie beispielsweise im Einzelhandel, im öffentlichen Dienst, im Bäckerhandwerk, im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Metallindustrie oder auch im Elektrohandwerk. Was genau in diesen Verträgen geregelt ist und was du tun kannst, wenn dein Arbeitgeber dich trotz Tarifvertrag unter Tarif bezahlt, erklärt Katharina Kästel von unserem Kooperationspartner anwalt.de.

Wissenswertes zum Tarifvertrag und Tariflohn

Grundsätzlich wird der Tariflohn zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bzw. einzelnen Arbeitgebern ausgehandelt. Im Tarifvertrag können Regelungen bezüglich deiner Entlohnung, deinen Arbeitszeiten und Urlaubsansprüchen, deinen Arbeitsbedingungen und des Abschlusses und der Kündigung deines Arbeitsverhältnisses getroffen werden. Außerdem enthält der Tarifvertrag Regeln hinsichtlich seines Inkrafttretens, seiner Laufzeit sowie seiner Kündigungsmöglichkeit.

Der tarifliche Lohn ist folglich das Mindestgehalt, das du als Beschäftigter – unter Berücksichtigung deiner beruflichen Kenntnisse und Qualifikationen – mindestens erwarten kannst. Der Tarifvertrag enthält – neben der Höhe deines Tariflohns – alle Rechte und Pflichten, die für dich und deinen Arbeitgeber während deines Beschäftigungsverhältnisses gelten. Der Tarifvertrag – wie auch der darin festgelegte tarifliche Lohn – hat so lange Bestand, bis er von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden neu ausgehandelt wird.

Es gibt verschiedene Arten von Tarifverträgen

In Deutschland existieren verschiedene Formen von Tarifverträgen. Lohn- und Gehaltstarifverträge legen die Höhe der Gehälter, der Löhne und der Ausbildungsvergütungen fest. In Rahmentarifverträgen sind die Tätigkeiten und die Qualifikationen für unterschiedliche Lohn- und Gehaltsgruppen definiert. Manteltarifverträge enthalten Regelungen bezüglich der Dauer der Arbeitszeit, der Anzahl der Urlaubstage, der Kündigungsfristen sowie hinsichtlich der Probezeit.

Nicht in allen Branchen wird der Tariflohn gezahlt

Nicht in jedem Unternehmen gilt ein Tarifvertrag. Des Weiteren wird der Tariflohn nicht in allen Branchen an die Beschäftigten gezahlt. Der Tarifvertrag greift in der Regel, wenn entweder dein Arbeitgeber im Arbeitgeberverband organisiert ist oder du als Arbeitnehmer einer Gewerkschaft angehörst. Das heißt, gehört dein Arbeitgeber keinem Arbeitgeberverband an, muss er dich auch nicht nach dem Tariflohn bezahlen. Dann kann er geringere Löhne als den Branchendurchschnitt festlegen.

Ist das Unternehmen, in dem du tätig bist, jedoch Mitglied in einem Arbeitgeberverband, muss es die tariflichen Vorgaben einhalten. Das heißt, du profitierst als Angestellter vom Tariflohn. Dir wird folglich das Gehalt gezahlt, das im Tarifvertrag für deine Tätigkeit vorgesehen ist. Gleichzeitig gilt: kein Lohn unter Tarif.

Darüber hinaus hat der Tarifvertrag Vorrang vor Einzelarbeitsverträgen bzw. vor Betriebsvereinbarungen, die zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber geschlossen werden. Dennoch können auch Tarifverträge gelten, wenn weder du noch dein Arbeitgeber in einem Interessenverband organisiert ist. Der Betrieb, in dem du arbeitest, kann mit dir jederzeit die Geltung eines Tarifvertrags vereinbaren, indem dies in deinem individuellen Arbeitsvertrag festgelegt wird. Bist du jedoch als Arbeitnehmer von einer Lohnzahlung unter Tarif betroffen, besteht für dich die Möglichkeit, vor einem Arbeitsgericht (AG) Klage zu erheben.

Dein Arbeitgeber muss dir stets den gesetzlichen Mindestlohn zahlen

Auch wenn du als Beschäftigter keinen Tariflohn erhältst, muss dir dein Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, der ebenso wenig im Tarifvertrag unterschritten werden darf.

Für dich als Arbeitnehmer ist folgende Gesetzesänderung, die seit dem 1. Januar 2020 gilt, von großer Bedeutung: Der gesetzliche Mindestlohn steigt. Das heißt, du als Arbeitnehmer – auch als studentisch Beschäftigter – erhältst mindestens 9,35 Euro brutto pro Stunde. Bisher lag der Mindestlohn bei 9,19 Euro. Darüber hinaus steigen auch einige Branchenmindestlöhne, wie beispielsweise im Dachdecker- und Elektrohandwerk, im Gebäudereiniger-Handwerk sowie in der Pflegebranche.

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Weitere Gesetzesänderung 2020: Mindestgehalt für Auszubildende

Befindest du dich in einer Ausbildung, bringt das Jahr 2020 für dich eine weitere gesetzliche Änderung mit sich: Seit 1. Januar 2020 erhältst du als Azubi laut Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung eine Mindestvergütung. Demnach ist dein Arbeitgeber dazu verpflichtet, dir in deinem ersten Ausbildungsjahr mindestens 515 Euro monatlich zu zahlen.

2021 soll das Mindestgehalt auf 550 Euro, 2022 auf 585 Euro und ein weiteres Jahr später auf 620 Euro steigen. Darüber hinaus wird die Mindestvergütung im zweiten Ausbildungsjahr um 18 Prozent, im dritten um 35 Prozent und im vierten Jahr um 40 Prozent erhöht.

Jedoch gibt es auch beim Mindestgehalt Ausnahmen: Dein Arbeitgeber und die Gewerkschaften können auch hier eigene Vereinbarungen treffen, die Auswirkungen auf deinen Geldbeutel haben.

Wie ist die tarifliche Bezahlung in Österreich geregelt?

Was in Deutschland der Tarifvertrag ist, ist in Österreich der sogenannte Kollektivvertrag – kurz KV. Dieser Vertrag wird – genauso wie in Deutschland – von den Gewerkschaften und der Arbeitgeberseite jährlich für alle Beschäftigten einer bestimmten Branche ausgehandelt.

Kollektivverträge regeln insbesondere Mindestlöhne und Grundgehälter, Sonderzahlungen, wie beispielsweise Weihnachts- und Urlaubsgeld, sowie Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer. Das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) legt fest, dass der aktuelle Kollektivvertrag in jedem Unternehmen zur Einsichtnahme zur Verfügung stehen muss.

Einen gesetzlich garantierten Mindestlohn für alle Arbeitnehmer einzelner Branchen gibt es in Österreich selten. Mindestlöhne der einzelnen Branchen werden von Gewerkschaften mit den Arbeitgebern verhandelt.

Welche arbeitsrechtlichen Regelungen herrschen in der Schweiz?

Was in Deutschland der Tarifvertrag und in Österreich der Kollektivvertrag ist, ist in der Schweiz der sogenannte Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Er stellt die vertragliche Basis für jeden Arbeitsvertrag eines bestimmten Berufs bzw. für Arbeitsverhältnisse in einer bestimmten Branche dar. Es existieren gesamtschweizerische und kantonale Gesamtarbeitsverträge. Im Gesamtarbeitsvertrag werden vor allem Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeiten, Kündigungsfristen und Mindestlöhne getroffen. Er wird zwischen den Schweizer Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden bzw. einem Arbeitgeber ausgehandelt.

letztes Update: 14. Februar 2020